Energieverbrauch steuern

Per App und Router zu billigem Strom

06:59 Minuten
Eine Hand hält ein Smartphone, im Hintergrund ist eine Waschmaschine zu sehen, links im Bild das Deutschlandradio-Denkfabrik-Logo.
Der Waschgang startet dann, wenn der Strom billig ist - per App gesteuert. © imago images / Panthermedia / Andrey Popov
Von Axel Schröder |
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Die Zeiten der Stromerzeugung und die des Hauptstromverbrauchs liegen oft weit auseinander. Daher soll nun eine Art Verbrauchssteuerung helfen: Das Projekt "Norddeutsche Energiewende 4.0" sorgt zum Beispiel für Nachtwaschgänge mit billigem Strom.
Dem rot verklinkerten Einfamilienhaus von Christel und Joachim Welk sieht man die moderne Technik im Inneren nicht an. Joachim Welk führt nach oben in den ersten Stock, zeigt den Internetrouter, über den der Stromverbrauch ihres Hauses gesteuert wird: "Hier in der Ecke: die Fritzbox. Und außerdem ist der 'Homee-Würfel' da aufgestellt. Der 'Homee-Würfel' verbindet die vier Steckdosen und steuert die auch. Das ist sozusagen ein eigener Computer für die Steckdosen."
Die kleinen, weißen "Homee-Würfel" sind per Internet mit einem Rechner der Stadtwerke Norderstedt verbunden. Über sie können alle Steckdosen, an die sie angeschlossen sind, aus der Ferne an- und ausgeschaltet werden. Seit Oktober nehmen die Welks am Projekt "NEW 4.0" teil, an der "Norddeutschen Energiewende 4.0". Die Idee dahinter: Wenn der Wind weht und die Windkraftanlagen an der Küste besonders viel Strom liefern, sinkt mit dem steigenden Angebot der Preis pro Kilowattstunde. Und genau dann lohnt es sich für Verbraucher wie die Welks, besonders stromfressende Geräte laufen zu lassen.

Von der modernen Technik überzeugt

Und mittlerweile, erzählt Christel Welk unten in der Küche, ist auch sie von der modernen Technik überzeugt: "Ich war am Anfang nicht begeistert. Und habe gesagt: 'Was soll das?' Ich wusste nicht, wie das dann mit dem Geschirrspüler geht. Das war so der Anfang. Aber ich komme damit wunderbar zurecht. Wenn ich zum Beispiel den Geschirrspüler anstelle jetzt, wenn er voll ist, und es ist kein billiger Strom da, dann kann ich an dieser Steckdose einen Knopf drücken und dann ist der teure Strom da. Dann stelle ich ihn an, lasse ihn eine Minute laufen und dann stelle ich die Steckdose wieder aus. Und dann läuft der Geschirrspüler, wenn der billige Strom kommt."
Das Geschirrspüler-Programm muss also erst kurz gestartet werden. Dann wird die Spezialsteckdose ausgeschaltet und wird, wenn viel Wind weht, aus der Ferne von den Stadtwerke-Computern wieder aktiviert. Der Strom kostet dann nicht mehr durchschnittlich 30 Cent pro Kilowattstunde, sondern nur noch fünf Cent. Dass die moderne Technik, der "Homee-Würfel" oder der Router das Ehepaar Welk im Falle eines Computerfehlers im Dunkeln sitzen lässt, wird nicht passieren: "Letztlich bestimmt jeder das selbst. Ich kann die ja auch rausziehen aus der Steckdose oder meine Fritzbox rausziehen, dann funktioniert keine Verbindung mehr zu den Stadtwerken. Aber es macht Sinn, so zu arbeiten, wie wir arbeiten."

Zu viel Windenergie bringt das Netz ins Wanken

Die Welks haben auf diese Weise seit Oktober schon 60 Euro gespart. Am Wohnzimmertisch des Ehepaars erklärt Thorsten Meyer, zuständig für die Umsetzung der "Norddeutschen Energiewende 4.0", die Hintergründe des Projekts. Viel zu oft müssten Windenergieanlagen abgeschaltet werden, damit nicht zu viel Strom das Netz überlastet: "Die überschüssige Energie darf nicht ins Netz. Das würde unsere Netzfrequenz stark zum Schwanken bringen. Und weil alle Geräte in Deutschland auf 50 Hertz ausgelegt sind, dürfen wir das eben nicht."
Tagsüber, wenn ohnehin viel Strom verbraucht werde, sei das kein Problem. Nachts, bei viel Wind und wenig Verbrauch, seien die Netze aber überlastet. Das Fraunhofer-Institut hat errechnet, dass durch die Drosselung der Windstromerzeugung dem Bund rund eine Milliarde an Steuereinnahmen verlorengehen. Denn die Strommenge, die ohne die Abriegelung der Windräder entstehen könnte, sei gigantisch, erklärt Thorsten Meyer. Vier Millionen Haushalte könnten dadurch ein Jahr lang mit Strom versorgt werden. Deshalb planen die Norderstedter Stadtwerke nun weitere Schritte, um diese Energie auch nutzen zu können:
"Wir gucken, dass wir dann auch einen Tarif für Elektroautobesitzer etablieren. Da sieht die Welt dann wieder anders aus. Er muss ja nicht garantiert eine Zeitlang Strom haben wie bei der Waschmaschine. Die muss ja drei Stunden durchlaufen. Beim Auto ist es egal. Da kann ich im Stundentakt laden. Der Autobesitzer muss uns nur sagen: 'Ich schließe das um 18 Uhr an und bis morgens um sieben. Das sind dann 13 Stunden und in der Zeit brauche ich vier Stunden Strom.' Wann wir dann diese vier Stunden Strom liefern - zwei Mal gestückelt, vier Mal gestückelt - ist dann uns überlassen. Wir garantieren dann nur: Morgens um sieben sind die vier Stunden Strom geschaltet."

Keine gute Steckdose für das Bügeleisen

Erprobt werden soll auch der Einsatz von Batteriespeichern. Die könnten dann mit günstigem Strom geladen werden, den die Haushalte dann nutzen können, wann immer sie wollen.
Vor der Installation der schon bestehenden Technik mit Internetrouter, "Homee-Würfeln" und ferngesteuerten Steckdosen müsse niemand Angst haben. Wenn denn alle Ratschläge beachtet werden:
"Die Installation der Steckdosen wie auch des 'Homees' passiert durch einen Techniker von uns. Der installiert alles. Man muss technisch also gar nicht internetaffin sein noch stromaffin. Das wird alles installiert. Es wird alles in warme Hände übergeben. Es wird alles nochmal aufgeschrieben.. Es gibt mittlerweile einen Zettel, wo wir empfehlen, was man machen kann. Aber auch Sachen, wo man sagt, dass wir da den Kunden auch schützen müssen. Ein Bügeleisen an so eine Steckdose anzuschließen und nachts um vier geht die Steckdose an und das Bügeleisen brennt rot glühend. Das macht dann nicht wirklich Sinn!"

Die App regelt die Steckdose

Neben Thorsten Meyer legt Joachim Welk sein Smartphone auf den Tisch. Natürlich lässt sich neue Technik im Haushalt auch per App steuern. Für jede Steckdose kann er einstellen, wie sie auf die Schaltimpulse der Stadtwerke reagieren soll.
"Dann kann ich sagen: Wenn der günstige Strom jetzt abgeschaltet wird, dass die Waschmaschine dann weiterlaufen soll, dass ich dann also mit teurem Strom weiterfahre. Denn die soll ja nicht mitten im Waschgang stehenbleiben. Wenn sie wieder aufheizen muss, dann brauche ich ja viel mehr Strom, als wenn ich das nicht mache. Ist ziemlich einfach."
Aber eine Sache fehle dann doch noch, findet Joachim Welk: "Jetzt warten wir noch auf die Weiterentwicklung der Stadtwerke, dass der Geschirrspüler sich selbst ausräumt und die Waschmaschine selbst die Wäsche aufhängt. Das wäre optimal."
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