Energiewende

Der schwierige Ausbau der Windkraft auf See

07:08 Minuten
Blick auf die Ostsee mit vielen Windrädern
Der Windpark Baltic 1 in der Ostsee liefert schon Strom: Die Bundesregierung will die Offshore-Gesamtleistung in acht Jahren vervierfachen. © picture alliance / dpa / EnBW / Matthias Ibeler
Von Axel Schröder |
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Für den Klimaschutz und für mehr Unabhängigkeit von Energieimporten: Mit dem „Wind-auf-See-Gesetz“ will die Ampelregierung die Energiewende massiv vorantreiben. Von denjenigen, die am Ende die Offshore-Windparks bauen sollen, kommt Kritik.
Rund 15 Jahre hat es gebraucht, um 24 Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee zu bauen. Nach 15 Jahren liefern die Parks heute Strom mit einer Leistung von 7,8 Gigawatt durch Gleichstromkabel an Land. In acht Jahren, so die Pläne der Bundesregierung, soll diese Leistung vervierfacht werden.
Ein ambitioniertes Programm, findet Jörg Kubitza, Deutschlandchef des Offshore-Wind-Weltmarktführers Ørsted aus Dänemark. Für die Offshore-Wind-Unternehmen könne das sehr teuer werden.
Denn die Bauplätze in Nord- und Ostsee werden versteigert und ein Preislimit nach oben gebe es dabei nicht. „Sicherlich sind die Gebotselemente, ein Konzessionshandel, der nach oben nicht limitiert ist, ein Problem in jedem Business-Case“, sagt er.

Flächenversteigerung ohne Preislimit

Auch in anderen Ländern werden Offshore-Windflächen versteigert. Dabei gelten aber oft Höchstgrenzen für die Gebote. Dieses Limit fällt jetzt in Deutschland weg.

Es hat ja nichts damit zu tun, wie der wahre Wert der Fläche ist. Sondern es hat etwas damit zu tun, wie sehr der einzelne Bieter die Fläche braucht, für wie wertvoll er die Fläche für sich einschätzt. Es hat mit Wirtschaftlichkeit nichts zu tun. Da sehe ich eine große Gefahr.

Jörg Kubitza

Die Flächenversteigerungen könnten die Gesamtkosten für die Windparks und damit auch für den Strom vom Meer künstlich erhöhen, fürchtet Kubitza. Die Mehrkosten zahlen am Ende die Verbraucherinnen und Verbraucher oder Industriekunden.

Gebotshöhe nicht alleine entscheidend

Allerdings sieht das „Wind-auf-See-Gesetz“ auch vor, dass nicht allein der Preis darüber entscheidet, wer den Zuschlag für eine Offshore-Windfläche bekommt. Wer nachweisen kann, dass die Zulieferfirmen für den Offshore-Windpark besonders nachhaltig – also zum Beispiel CO2-frei – produzieren, hat bessere Chancen.
An sich sei das einen gute Idee. Einfacher werde die auf Jahre angelegte Planung der Windparks dadurch aber nicht, glaubt Catrin Jung. Sie leitet den Bereich Offshore-Windkraft beim Vattenfall-Konzern.
Vattenfall, einer der größten Player im Offshore-Windgeschäft, werde sein Engagement auf dem deutschen Markt deshalb nun eher zurückfahren als ausbauen, erklärt Managerin Jung.
„Wir werden uns verstärkt in Richtung der nordischen Märkte orientieren, die unsere Heimatmärkte sind, insbesondere auch Schweden, wo wir uns freier bewegen können und uns auch freier Flächen suchen können“, sagt sie.

Der deutsche Markt ist für uns damit um einiges schwieriger geworden.

Catrin Jung

Ganz ausschließen will Catrin Jung aber nicht, dass sich auch Vattenfall um Flächen in der deutschen Nord- und Ostsee bemühen wird. Der Bundestagsabgeordnete Michael Kruse, der das „Wind-auf-See-Gesetz“ für die FDP mitverhandelt hat, glaubt nicht, dass das deutsche Auktionsmodell potenzielle Investoren abschrecken wird.
„Nein, ich glaube, der deutsche Markt ist ein sehr attraktiver Markt, weil er sehr gute Rahmenbedingungen liefert, dadurch, dass wir einen konstanten Absatzmarkt haben, dadurch, dass es sehr große Nachfrage nach dem erneuerbaren Strom gibt und insbesondere nach dem Offshore-Strom. Insofern habe ich keine Sorge, dass wir den Ausbau nicht hinbekommen würden, ganz im Gegenteil“, zeigt er sich zuversichtlich.

Kabeltrassen durch den Nationalpark Wattenmeer?

Nicht nur wirtschaftlich ist der Offshore-Ausbau eine Herausforderung. Auch die Mitarbeiter der Abteilung M5 im BSH, im Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie, diejenigen, die für das Planungsrecht und die Auflagen beim Bau zuständig sind, auch sie sind gefordert.
Nico Nolte leitet die BSH-Abteilung M5. Bisher hat seine Abteilung Flächen für Windparks mit einer Leistung von 57,5 Gigawatt ausgewiesen. Soll das Ziel der Bundesregierung – 70 Gigawatt Offshore-Windstrom bis 2045 – erreicht werden, müssten auch Meeresgebiete genutzt werden, die unter Naturschutz stehen, so Nico Nolte.
So müssten zum Beispiel Kabeltrassen durch den Nationalpark Wattenmeer verlegt werden, um das Ziel zu erreichen, sagt Nolte.
„Ein anderer Bereich, der mit einem Gutachten zu prüfen ist, ist die Frage, ob in dem Naturschutzgebiet ‚Doggerbank‘, ganz weit entfernt von der Küste, zukünftig eine Bebauung mit Offshore-Windenergie naturschutzrechtlich und naturschutzfachlich möglich ist. Aber das muss wirklich sehr intensiv geprüft werden“, erklärt er.

„Ein Schutzgebiet kann kein Offshore-Windparkgebiet sein“

Nadja Ziebarth, die Leiterin des BUND-Meeresschutzbüros in Bremen lehnt es dagegen strikt ab, geschützte Gebiete wie die Doggerbank oder das Wattenmeer in die Offshore-Wind-Planungen mit einzubeziehen.
„Das ist aus unserer Sicht völlig inakzeptabel. Ein Schutzgebiet kann kein Offshore-Windparkgebiet sein. Das Wattenmeer ist ein UNESCO Weltnaturerbe und es ist sowieso ein Gebiet, das durch den Klimawandel stark, ich sage mal, beansprucht ist“, kritisiert sie.
Und es gibt noch ein Problem für den geplanten Offshore-Wind-Boom: den Material- und Fachkräftemangel. Ingenieure und Schwerlastspezialisten, die bereit sind, auf dem Meer zu arbeiten, sind mittlerweile weltweit gefragt. Genauso wie das Spezialgerät, mit dem die Offshore-Windparks gebaut werden.
Das gibt Reinhard Lüken vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik in Hamburg zu bedenken. Es fehle an Transportschiffen für Rotorblätter, für Fundamente und die viele Hundert Tonnen schweren Maschinenhäuser der Windkraftanlagen.
„Und dann brauchen sie natürlich noch Errichterschiffe, Kranschiffe, um das Ganze aufzubauen. Sie brauchen Kabelleger und so weiter und so fort. Es ist ein Riesenbedarf an allen möglichen Gerätschaften“, erklärt er.

Denn das, was wir vorhaben, ist, glaube ich, den meisten Leuten gar nicht klar. Wir wollen ja das, was wir in den letzten 20 Jahren geschafft haben, innerhalb von acht Jahren vervierfachen! Das ist irre, was da auf dem Programm steht!

Reinhard Lüken

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