Energiewende

Kraftwerk im Keller

Mitarbeiter des Energieversorgers Lichtblick überprüft ein "Zuhausekraftwerk".
Mitarbeiter des Energieversorgers Lichtblick überprüft in Hamburg ein "Zuhausekraftwerk". © dpa / picture alliance / Manfred Witt/lichtblick
Von Axel Schröder |
Drei von vier Deutschen können sich vorstellen, Strom in Zukunft zu Hause zu erzeugen. Das Hamburger Unternehmen Lichtblick will Selbstversorgern die Technik dafür verkaufen: Solche "Zuhausekraftwerke" werden beim Umbau der Stromversorgung eine wichtige Rolle spielen.
Feiner Staub liegt in der Luft. Im Keller einer Hamburger Kindertagesstätte meißeln zwei junge Männer den Sockel der alten Heizungsanlage weg. Die vier neuen Geräte, ein Meter breit, ein Meter 50 hoch, stehen schon bereit, abgedeckt mit Plastikfolie:
Sardowsky: "Ja, wir decken die natürlich immer ab! Um die vor Staub zu schützen. Das Herzstück ist jetzt da unten drin. Da haben wir den Generator, den Motor und das hier ist das Hydraulikteil. Und hier ist das Elektroteil. Da unten der Generator, der wiegt alleine schon 200 Kilo, den kann man rausnehmen. Insgesamt wiegt alles 700 Kilo."
Sardowsky breitet die Folie wieder über die Geräte, in denen schon bald ein hocheffizienter, fast geräuschlos gedämmter Erdgasmotor von VW Strom und Wärme liefern wird:
"Also, das ist der Trend. Und das ist, sag ich mal, eine gute Lösung! Bin ich von überzeugt. Das BHKW, oder dieses hier, das nennt sich ZHKW, ist ja nichts Neues. Aber dieses Geschäftsmodel, das ist eben das Geniale!"
Normalerweise, so Sardowsky, lassen Hauseigentümer die Finger von Blockheizkraftwerken. Denn die haben zwar eine viel bessere Energieausbeute und rentieren sich nach ein paar Jahren, sind aber zunächst teurer als normale Anlagen. Beim Zuhausekraftwerk ist das anders. Hier müssen die Kunden nicht das Kraftwerk, sondern nur die Installation bezahlen, erklärt Sardowkys Kollege.
Marius Oster: "Man kauft sich ein. Ich glaube, das günstigste fängt an bei rund 5.000 Euro. Da kauft man bei Lichtblick diese Anlage und kauft dann bei Lichtblick die Wärme. Das Gerät selber bleibt Eigentum von Lichtblick, aber man kriegt die Wärme für rund sechs Cent."
Marius Oster leitet den Einbau der kleinen Kraftwerke in den KiTa-Keller. Oster erklärt, für wen die Anlagen in Frage kommen:
"Im Einfamilienhaus sind die Geräte etwas zu groß. Es sei denn, man hat ein sehr, sehr großes Einfamilienhaus. Oder dass man sich mit dem Nachbarn in der Doppelhaushalt, dass sich zwei Parteien eins teilen, dass würde gehen."
Der Strom, den die Kleinkraftwerke erzeugen, wird nicht in der Kita verbraucht. Er fließt ins Hamburger Stromnetz.
60 Zuhausekraftwerke sind angeschlossen
Computergesteuert aus der Ferne, von der Zentrale des Stromversorgers aus. Dort, im vierten Stock, ganz in der Nähe der Landungsbrücken, sitzt der Ingenieur Stefan Storace vor seinem Laptop. Von Anfang an begleitet der 38-Jährige das Projekt.
Auf dem Monitor sind rot gezackte Linien zu sehen. Sie zeigen die Stromproduktion in den 60 bisher angeschlossenen Zuhausekraftwerken. Rechts und links Zahlenkolonnen, daneben eine Grafik des Wärmeverbrauchs der Haushalte. 100.000 ihrer Mini-Kraftwerke will das Unternehmen in den Kellern der Republik unterbringen. Die Kunden stellen Platz zur Verfügung ‒ kostenlos ‒, das Unternehmen bleibt Eigentümer der Maschinen. Und kann so erstmals selbst Strom produzieren, statt wie bisher Energie aus fremden Windkraft-, Biogas- oder Solaranlagen nur zu verkaufen.
Die Gesamtleistung der gebündelten Zuhausekraftwerke soll einmal der von zwei Atomkraftwerken entsprechen. Natürlich entsteht dabei CO2, aber rund 60 Prozent weniger als bei herkömmlichen Heizungsanlagen, erklärt Stefan Storace. Mit einem Mausklick öffnet er ein neues Fenster. Und erklärt, zu welchen Zeiten die Software die Stromproduktion hochfährt:
"Das ist in der Tat so, dass wir natürlich versuchen, das Blockheizkraftwerk immer dann anzuschmeißen, wenn wir eine sehr hohe Nachfrage haben beziehungsweise einen Engpass an Strom auf dem Markt sehen. Genau dann versuchen wir natürlich, auch das Blockheizkraftwerk in Betrieb zu nehmen."
Zwei Klicks weiter zeigt der Ingenieur Zahlenreihen vom Handel an der Strombörse, von Wetterdaten, Windgeschwindigkeiten und Temperaturen. Alle Faktoren fließen ein in die Steuerung des Kraftwerknetzes. Und wenn bei Flaute der Strom aus Windkraft ausbleibt, das Angebot sinkt und der Preis steigt, immer dann kann der Schwarm von Kleinkraftwerken den Mangel ausgleichen. Und Lichtblick kann mit dem Stromverkauf Geld verdienen. Wann die 100.000 Maschinen am Netz sein werden, darüber gibt das Unternehmen keine Auskunft. Bisher ist die Nachfrage viel größer als das Angebot und zunächst konzentriert sich Lichtblick auf die Ballungsräume Hamburg und Berlin.
Stefan Storace: "100.000 ist jetzt als Zahl, stellvertretend für eine wirklich große Masse! Wo, wenn hier tatsächlich auf den Knopf gedrückt wird, man im bundesdeutschen Netz wirklich eine nennenswerte Anhebung erfährt, dann würde ich tatsächlich davon sprechen, dass wir einen revolutionären Schritt auf jeden Fall gemacht haben. Dahingehend, wirklich Energie effizient und vor allem auch da, wo es benötigt wird dezentral erzeugen."
Storace klappt den Laptop zu. Er ist begeistert von der so genannten Schwarmstrom-Idee, die den großen, trägen Stromkonzernen langsam aber sicher erst die Kunden und dann die Marktmacht rauben könnte.
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