Energiewende "nicht zum Wahlkampfthema" machen
Beim Treffen der Umwelt- und Wirtschaftsminister von Bund und Ländern geht es um den Umbau des Energiesektors. Im Zuge dieses Spitzentreffens fordert Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energieagentur, die Energiewende müsse ein parteiübergreifendes Projekt werden.
Christopher Ricke: Dass der Atomausstieg nicht kostenlos zu haben sein wird, das wusste jeder, aber nach den letzten Strompreiserhöhungen wird doch recht heftig darüber diskutiert, wer letztlich den Aufschlag zahlen soll. Jetzt haben sich der Umweltminister und der Wirtschaftsminister auf ein Papierchen geeinigt, und das gilt schon als großer Erfolg, weil die beiden doch sehr zerstritten waren, und dann will man sich auch noch mit dem Ministerpräsidenten verständigen – auf die Strompreisbremse. Der Umweltminister Peter Altmaier gestern:
Peter Altmaier: Es wird nicht die Königsmaßnahme und die Einzelmaßnahme geben, sondern am Ende wird es ein Bündel von Maßnahmen geben, und dadurch wird die Lösung auch unter Gerechtigkeitsaspekten für alle akzeptabel sein.
Ricke: Auf dieses Bündel von Maßnahmen möchte ich jetzt mit Stephan Kohler schauen, der ist der Chef der halbstaatlichen Deutschen Energie-Agentur. Guten Morgen, Herr Kohler!
Stephan Kohler: Guten Morgen, Herr Ricke, hallo!
Ricke: Ist das denn ein Bündel, das sich sehen lässt, oder ist das ein Bündel, das man nur als Minimalkonsens bezeichnen kann?
Kohler: Es ist ein Bündel, das jetzt kurzfristig versucht, die Strompreisdebatte in den Griff zu bekommen. Es ist nicht die notwendige Maßnahme, nämlich die Reform, also die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz muss grundsätzlich novelliert werden, also mit energiewirtschaftlichen Parametern ausgerüstet werden, damit wir den Zubau der regenerativen Energiequellen technisch, wirtschaftlich und eben auch für die Strompreise erträglich gestalten können.
Ricke: Aber da fängt es ja schon an bei diesem Maßnahmen-Bündel, das die Minister gerne möchten: Da muss man sich mit den Ländern einigen – und beim Zubau sieht zum Beispiel der Umweltminister Robert Habeck in Schleswig-Holstein, das ist ein Grüner, ein großes Problem, der sagt: Wenn man das so macht, dann ist das der Stopp und der Stillstand beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Ist damit der Umbau schon gescheitert?
Kohler: Nein, also dieser Einschätzung folge ich nicht. Diese Punkte, die jetzt vorgelegt worden sind, ist kein Stopp der erneuerbaren Energien, sondern wir haben Maßnahmen, die Neuanlagen betreffen, die Altanlagen betreffen, und ich nehme jetzt noch mal den Punkt Ausbau der Windenergie: Da wird die Einspeisevergütung für Onshore-Windenergie auf acht Eurocent pro Kilowattstunde reduziert von derzeit neun bis zehn Eurocent, also um einen Eurocent. In einer Anhörung diese Woche im Bundesumweltministerium haben selbst die Windkraftbetreiber gesagt, dass sie heute Strom aus Windenergieanlagen an guten Standorten für 5,5 bis 6 Eurocent erzeugen können. Also ist diese Maßnahme kein Stopp für den Ausbau der Windenergie, sondern eine Anpassung der Förderung an die wirtschaftliche Entwicklung der Windenergie.
Ricke: Bei der Reform der EEG-Umlage, die ja nach wie vor im Raum steht, geht es auch um den Bestand, und die Betreiber von Windrädern oder Solarfeldern, die bekommen ja 20 Jahre lang garantierte, feste, über dem Marktpreis liegende Vergütungen, das war ausdrücklich so ausgemacht. Kann das so bleiben? Muss man da sagen, ja, weil es euch mal versprochen worden ist, müssen wir das durchhalten?
Kohler: Also ich denke, da brauchen wir Bestandsschutz und da brauchen die Investoren, die in die Anlagen investiert haben, nach der geltenden gesetzlichen Regelung, die brauchen Bestandsschutz. Jetzt wird vorgeschlagen, dass für ein Jahr 1,5 Prozent Absenkung erfolgt, ausgenommen sind die Photovoltaik-Anlagen. 1,5 Prozent ist, denke ich, auch verträglich, weil wir natürlich Renditen haben, die weit darüber liegen, und 1,5 Prozent für ein Jahr ist eben der Versuch ...
Und da sage ich schon noch mal deutlich: Wir haben dieses Jahr Bundestagswahl, die Politik muss handeln, und ich denke, es ist ein Schritt, um auch, sagen wir mal, die Energiepreisdiskussion im Bundestagswahlkampf nicht zu dem Wahlkampfthema werden zu lassen. Und das halte ich auch richtig, weil eines denke ich, und das gilt für alle Parteien: Die Energiewende ist – wie zum Beispiel die Rettung des Euros, die Beherrschung der europäischen Finanzkrise –, die Energiewende muss ein überparteiliches Projekt werden, und wir dürfen nicht im Wahlkampf immer wieder die Themen der Energiewende zu den zentralen Themen machen, weil sonst kriegen wir keine Stabilität, keine Ruhe in die Umsetzung der Energiewende rein.
Ricke: Ich habe aber die Befürchtung, dass es nur ein frommer Wunsch ist, denn wenn ich mir die weit auseinander liegenden Positionen von Parteien, Unternehmen, Windstromproduzenten, Ländern und Bund anschaue, da könnte man schon auf den Gedanken kommen: Da geht es um was ganz anderes als eine gemeinsam gemeisterte Wende.
Kohler: Ja, natürlich, aber ich sage ja: Also das war ja gerade ein Appell an die Politik, das eben nicht immer in den Wahlkampf zu kriegen, weil wenn ich das Papier auch ansehe: Die Photovoltaik ist an fast allen Punkten rausgenommen worden. Also da sage ich mal ganz deutlich: Bayern lässt grüßen. Wir haben im Herbst in Bayern-Wahlkampf oder neue Landtagswahlen, und warum nimmt jetzt Herr Rösler und Herr Altmaier die Photovoltaik aus den Kürzungen weitgehend raus, obwohl die Photovoltaik ja die Erzeugungsanlagen sind – wir hatten letztes Jahr einen Zubau von 8000 Megawatt –, die Anlagen sind, die auch maßgeblich zur Steigerung der EEG-Umlage beigetragen haben? Ich denke, an dem Punkt muss das Papier noch mal nachgeschärft werden, weil es nicht, sachlich nicht begründbar ist, weshalb zum Beispiel die PV-Anlagen, also Photovoltaik-Anlagen aus vielen Maßnahmen herausgenommen worden sind.
Ricke: Wenn es tatsächlich so ist, dass wegen der vielen Solarfelder in Bayern der Einfluss der Politik direkt in die Strompreisdebatte eingreift, kann ich mir allerdings auch vorstellen, dass vor der Bundestagswahl nicht viel passiert. Haben Sie da Hoffnung?
Kohler: Also ich habe die Hoffnung, dass wir allmählich anfangen, die Energiewende breit auch der Bevölkerung zu erklären. Also wir sind ja von der Deutschen Energie-Agentur, und ich persönlich in vielen Diskussionen, egal, ob in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Bayern, Baden-Württemberg. Und wenn man darstellt, wie stark derzeit der Zubau der regenerativen Energiequellen – also insbesondere Photovoltaik, Windenergie – auseinanderklafft von dem Zubau der Netze der Infrastruktur, …
Also wir bauen heute Windkraftwerke teilweise in Gebieten auf, wo wir wissen: Wenn der Wind weht, müssen die Anlagen abgeriegelt werden, weil keine Netze vorhanden sind. Also wenn man das vernünftig der Bevölkerung erklärt, dann sind die auch bereit, solche Maßnahmen, wie jetzt vorgeschlagen werden, zu akzeptieren, weil es geht doch darum: Wir müssen eine auch volkswirtschaftlich effiziente Energiewende organisieren und wir dürfen nicht auf die Interessen der einzelnen Branchen hören, sondern es geht um die gesamtvolkswirtschaftliche Optimierung.
Ricke: Stephan Kohler, er ist der Chef der halbstaatlichen Deutschen Energie-Agentur. Vielen Dank, Herr Kohler, und einen guten Tag!
Kohler: Herzlichen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Peter Altmaier: Es wird nicht die Königsmaßnahme und die Einzelmaßnahme geben, sondern am Ende wird es ein Bündel von Maßnahmen geben, und dadurch wird die Lösung auch unter Gerechtigkeitsaspekten für alle akzeptabel sein.
Ricke: Auf dieses Bündel von Maßnahmen möchte ich jetzt mit Stephan Kohler schauen, der ist der Chef der halbstaatlichen Deutschen Energie-Agentur. Guten Morgen, Herr Kohler!
Stephan Kohler: Guten Morgen, Herr Ricke, hallo!
Ricke: Ist das denn ein Bündel, das sich sehen lässt, oder ist das ein Bündel, das man nur als Minimalkonsens bezeichnen kann?
Kohler: Es ist ein Bündel, das jetzt kurzfristig versucht, die Strompreisdebatte in den Griff zu bekommen. Es ist nicht die notwendige Maßnahme, nämlich die Reform, also die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz muss grundsätzlich novelliert werden, also mit energiewirtschaftlichen Parametern ausgerüstet werden, damit wir den Zubau der regenerativen Energiequellen technisch, wirtschaftlich und eben auch für die Strompreise erträglich gestalten können.
Ricke: Aber da fängt es ja schon an bei diesem Maßnahmen-Bündel, das die Minister gerne möchten: Da muss man sich mit den Ländern einigen – und beim Zubau sieht zum Beispiel der Umweltminister Robert Habeck in Schleswig-Holstein, das ist ein Grüner, ein großes Problem, der sagt: Wenn man das so macht, dann ist das der Stopp und der Stillstand beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Ist damit der Umbau schon gescheitert?
Kohler: Nein, also dieser Einschätzung folge ich nicht. Diese Punkte, die jetzt vorgelegt worden sind, ist kein Stopp der erneuerbaren Energien, sondern wir haben Maßnahmen, die Neuanlagen betreffen, die Altanlagen betreffen, und ich nehme jetzt noch mal den Punkt Ausbau der Windenergie: Da wird die Einspeisevergütung für Onshore-Windenergie auf acht Eurocent pro Kilowattstunde reduziert von derzeit neun bis zehn Eurocent, also um einen Eurocent. In einer Anhörung diese Woche im Bundesumweltministerium haben selbst die Windkraftbetreiber gesagt, dass sie heute Strom aus Windenergieanlagen an guten Standorten für 5,5 bis 6 Eurocent erzeugen können. Also ist diese Maßnahme kein Stopp für den Ausbau der Windenergie, sondern eine Anpassung der Förderung an die wirtschaftliche Entwicklung der Windenergie.
Ricke: Bei der Reform der EEG-Umlage, die ja nach wie vor im Raum steht, geht es auch um den Bestand, und die Betreiber von Windrädern oder Solarfeldern, die bekommen ja 20 Jahre lang garantierte, feste, über dem Marktpreis liegende Vergütungen, das war ausdrücklich so ausgemacht. Kann das so bleiben? Muss man da sagen, ja, weil es euch mal versprochen worden ist, müssen wir das durchhalten?
Kohler: Also ich denke, da brauchen wir Bestandsschutz und da brauchen die Investoren, die in die Anlagen investiert haben, nach der geltenden gesetzlichen Regelung, die brauchen Bestandsschutz. Jetzt wird vorgeschlagen, dass für ein Jahr 1,5 Prozent Absenkung erfolgt, ausgenommen sind die Photovoltaik-Anlagen. 1,5 Prozent ist, denke ich, auch verträglich, weil wir natürlich Renditen haben, die weit darüber liegen, und 1,5 Prozent für ein Jahr ist eben der Versuch ...
Und da sage ich schon noch mal deutlich: Wir haben dieses Jahr Bundestagswahl, die Politik muss handeln, und ich denke, es ist ein Schritt, um auch, sagen wir mal, die Energiepreisdiskussion im Bundestagswahlkampf nicht zu dem Wahlkampfthema werden zu lassen. Und das halte ich auch richtig, weil eines denke ich, und das gilt für alle Parteien: Die Energiewende ist – wie zum Beispiel die Rettung des Euros, die Beherrschung der europäischen Finanzkrise –, die Energiewende muss ein überparteiliches Projekt werden, und wir dürfen nicht im Wahlkampf immer wieder die Themen der Energiewende zu den zentralen Themen machen, weil sonst kriegen wir keine Stabilität, keine Ruhe in die Umsetzung der Energiewende rein.
Ricke: Ich habe aber die Befürchtung, dass es nur ein frommer Wunsch ist, denn wenn ich mir die weit auseinander liegenden Positionen von Parteien, Unternehmen, Windstromproduzenten, Ländern und Bund anschaue, da könnte man schon auf den Gedanken kommen: Da geht es um was ganz anderes als eine gemeinsam gemeisterte Wende.
Kohler: Ja, natürlich, aber ich sage ja: Also das war ja gerade ein Appell an die Politik, das eben nicht immer in den Wahlkampf zu kriegen, weil wenn ich das Papier auch ansehe: Die Photovoltaik ist an fast allen Punkten rausgenommen worden. Also da sage ich mal ganz deutlich: Bayern lässt grüßen. Wir haben im Herbst in Bayern-Wahlkampf oder neue Landtagswahlen, und warum nimmt jetzt Herr Rösler und Herr Altmaier die Photovoltaik aus den Kürzungen weitgehend raus, obwohl die Photovoltaik ja die Erzeugungsanlagen sind – wir hatten letztes Jahr einen Zubau von 8000 Megawatt –, die Anlagen sind, die auch maßgeblich zur Steigerung der EEG-Umlage beigetragen haben? Ich denke, an dem Punkt muss das Papier noch mal nachgeschärft werden, weil es nicht, sachlich nicht begründbar ist, weshalb zum Beispiel die PV-Anlagen, also Photovoltaik-Anlagen aus vielen Maßnahmen herausgenommen worden sind.
Ricke: Wenn es tatsächlich so ist, dass wegen der vielen Solarfelder in Bayern der Einfluss der Politik direkt in die Strompreisdebatte eingreift, kann ich mir allerdings auch vorstellen, dass vor der Bundestagswahl nicht viel passiert. Haben Sie da Hoffnung?
Kohler: Also ich habe die Hoffnung, dass wir allmählich anfangen, die Energiewende breit auch der Bevölkerung zu erklären. Also wir sind ja von der Deutschen Energie-Agentur, und ich persönlich in vielen Diskussionen, egal, ob in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Bayern, Baden-Württemberg. Und wenn man darstellt, wie stark derzeit der Zubau der regenerativen Energiequellen – also insbesondere Photovoltaik, Windenergie – auseinanderklafft von dem Zubau der Netze der Infrastruktur, …
Also wir bauen heute Windkraftwerke teilweise in Gebieten auf, wo wir wissen: Wenn der Wind weht, müssen die Anlagen abgeriegelt werden, weil keine Netze vorhanden sind. Also wenn man das vernünftig der Bevölkerung erklärt, dann sind die auch bereit, solche Maßnahmen, wie jetzt vorgeschlagen werden, zu akzeptieren, weil es geht doch darum: Wir müssen eine auch volkswirtschaftlich effiziente Energiewende organisieren und wir dürfen nicht auf die Interessen der einzelnen Branchen hören, sondern es geht um die gesamtvolkswirtschaftliche Optimierung.
Ricke: Stephan Kohler, er ist der Chef der halbstaatlichen Deutschen Energie-Agentur. Vielen Dank, Herr Kohler, und einen guten Tag!
Kohler: Herzlichen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.