Energiewende

"Wirtschaftliche Entwicklung nicht abwürgen"

Windräder und Stromleitungen
Windräder und Stromleitungen bei Nauen in Brandenburg © picture alliance / dpa / Bernd Settnik
Andreas Löschel im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
Die Neuordnung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sei die dringlichste Aufgabe für den künftigen Wirtschaftsminister, meint der Umweltökonom Andreas Löschel. Zudem müssten der Emissionshandel verändert und die Energieeffizienz verstärkt werden.
Korbinian Frenzel: Der große Sieger, der Mann, der alles richtig gemacht hat. Wenn Sigmar Gabriel in diesen Tagen die Zeitung aufschlägt, dann dürfte das seinem Ego schmeicheln, so viel Lob gab es selten für einen Politiker, zumal für Sozialdemokraten in diesen Tagen. Der SPD-Chef hat sich im Poker um die große Koalition ja nicht nur die Vizekanzlerschaft gesichert, sondern auch ein ziemlich groß geschnittenes Ministerium für Wirtschaft und Energie, ein Superministerium für die Energiewende. Das klingt in jedem Fall gut, aber ob es das auch wirklich ist, auf diesen Prüfstand wollen wir die Sache mal stellen.
Wir tun das mit einem Mann, der das qua Amt sowieso zu tun hat, früher oder später – Andreas Löschel, Umweltökonom am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und einer von vier Forschern, die regelmäßig für die Bundesregierung den Stand der Energiewende zu bewerten haben. Einen schönen guten Morgen, Herr Löschel.
Andreas Löschel: Guten Morgen, Herr Frenzel.
Frenzel: Ein großes Ministerium für eine große Aufgabe. Geht diese Gleichung auf?
Löschel: Erst mal ist es, denke ich, ein sehr guter Schritt, das Energieministerium in der Form auch weiter voranzutreiben. Das Wirtschaftsministerium also hier tatsächlich als Energiewendeministerium auch zu gestalten, ich glaube, das ist ein guter Schritt. Die Erneuerbaren hier mit raufzunehmen, dann auch tatsächlich eine breitere Sicht auf die Energiewende in einem Ministerium zu bekommen. Aber es ist natürlich auch kein Selbstläufer. Die Energiewende, die muss sich dann auch immer in dem Interessenkonflikt auch weiter durchsetzen können.
Frenzel: Nun gibt es ja die, die genau diesen Interessenkonflikt ansprechen und sagen, Wirtschaft und Energie, also im Namen des Ministeriums kann sich schon die Reihenfolge ablesen lassen. Erst kommt die Wirtschaft, dann die Energie, erst die Preise, dann irgendwann die CO2-Reduktion und das Ziel, ökologisch umzubauen. Wenn man dann noch dazu nimmt, Barbara Hendricks im Umweltministerium, ja keine versierte Umweltpolitikerin, aber dafür aus Nordrhein-Westfalen, also sprich Kohle-Frau – geht das nicht alles irgendwie doch in die falsche Richtung?
Löschel: Nein, also, dass wir diesen Gegensatz haben, der ist klar. Wirtschaft, Energie, wir brauchen natürlich eine Energiewende, die auch zu Preisen zu erreichen ist, die niedrig bleiben, die auch die wirtschaftliche Entwicklung nicht abwürgen. Und in der Beziehung ist es schon wichtig, von beiden Seiten auf das Problem zu schauen, und das wird sicher auch gemacht werden im Ministerium. Aber wir haben ja hier trotzdem immer noch ganz starke Spieler, die eine Rolle spielen, also nicht nur institutionell, sondern auch personell, die hier mit eingebunden werden, auch als Staatssekretäre, die ganz klar für die Energiewende stehen. Wenn Sie an Herrn Barke denken, der der Staatssekretär für Energie werden soll; wenn Sie an Herrn Flasbarth denken, der sich mit der Klimapolitik als Staatssekretär im Umweltministerium beschäftigen wird; die Leute stehen auch ganz klar für die Energiewende und für ein Weiter der Energiewende. Da bin ich also ganz beruhigt.
Frenzel: Also personell sieht das aus Ihrer Sicht ganz gut aus. Wenn wir mal auf die Inhalte schauen, die stehen ja im Koalitionsvertrag. Können Sie denn da zufrieden sein?
Löschel: Ich denke, Sie haben die wichtigen Punkte angesprochen. Im Koalitionsvertrag werden auch die Ziele des Energiekonzeptes ja alle bekräftigt, das heißt, die Ziele des Klimaschutzes, 40 Prozent Reduktion, die wichtige Rolle der Energieeffizienz. Die erneuerbaren Energien, die weiter ausgebaut werden soll – im Koalitionsvertrag steht das so drinnen. Es fehlen aber viele Maßnahmen, es fehlen die Konkretisierungen, und da wird sich die Regierung jetzt dran messen lassen müssen.
Frenzel: Es gibt ja in der Lesart dieses Koalitionsvertrages viele, die sagen, da steht eigentlich drin: Finger weg von der Kohle, die wollen wir weiter fördern. Und die Energiepreise dürfen nicht so stark steigen. Ist das nicht genau die Bremse der Energiewende, die viele befürchten?
Löschel: Die Energiepreise, hab ich gesagt, die dürfen tatsächlich nicht so stark steigen. Das heißt, man muss sich natürlich auch sehr schnell anschauen, wie machen wir weiter mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, wie schaffen wir hier mehr Effizienz, wie schaffen wir Marktintegration der Erneuerbaren, auch tatsächlich, um hier Preise unten zu halten. Das wird sicher eine ganz zentrale Herausforderung sein. Aber es gibt eben auch andere Bereiche, die wichtig sind, also etwa die Weiterentwicklung des Emissionshandels, also wie schaffen wir es tatsächlich auch, umweltgerechte Preise für Treibhausgasemissionen zu implementieren in das wirtschaftliche Handeln der Akteure. Das klappt augenblicklich noch gar nicht.
"Eine langfristige Vision entwickeln für den Ausbau der Erneuerbaren"
Frenzel: Was sind denn die wichtigsten Schritte, die ein Sigmar Gabriel jetzt in diesem Ministerium mit seinen Staatssekretären anstoßen muss?
Löschel: Ich denke, das Erste ist tatsächlich die Neuordnung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, das hat man lange vor sich hergeschoben, hätte man eigentlich in der letzten Regierung schon angehen müssen. Das ist, denke ich, das ganz Zentrale. Das soll ja auch rasch angegangen werden, um hier tatsächlich auch eine langfristige Vision zu entwickeln für den Ausbau der Erneuerbaren. Und dann gibt es eben die anderen Bereiche, die ich genannt habe, Emissionshandel. Hier muss tatsächlich ein Anstoß auch kommen im Sinne der Klimapolitik. Und die Energieeffizienz wurde bisher nicht so beachtet, wie man sich das wünscht. Wir haben auch hier hohe Ziele, wir wollen die Energieeffizienz um zwei Prozent steigern. Aktuell schaffen wir gerade mal die Hälfte. Also auch das muss angegangen werden.
Frenzel: Ich merke, Sie sind so semi-zufrieden und ganz hoffnungsvoll. Die EU-Kommission in Brüssel, die ist das ja ganz und gar nicht. Die hat extra noch abgewartet, was in diesem Koalitionsvertrag steht, hat sich noch besuchen lassen von Peter Altmaier und Hannelore Kraft in Brüssel und ist jetzt zu dem Ergebnis gekommen: Wir verklagen Deutschland mal lieber, weil uns diese Energiewende so gar nicht passt, vor allem, was die Preisentwicklung, was den Strommarkt angeht. Haben die Kommissare in Brüssel damit recht?
Löschel: Es geht bei den Diskussionen ja insbesondere um die Ausnahmeregelungen für energieintensive Industrien. Die zahlen aktuell relativ wenig, gemessen auch an dem Verbrauch, insbesondere die Großverbraucher sind auch einige Bereiche hier mit Ausnahmen, die schwer verständlich sind, weil sie eben nicht unter internationalem Wettbewerbsdruck leiden. Trotzdem sind sie ausgenommen von den Zahlungen zum großen Teil. Und das besorgt die EU-Kommission, und ich denke, da hat sie recht. Ich denke, man muss hier zu einer Lösung kommen, wo man die energieintensiven Unternehmen stärker beteiligt auch an der Förderung der Erneuerbaren, und auch dafür sorgt, dass es keine Ungleichbehandlung gibt von Unternehmen in den jeweiligen Branchen.
Frenzel: Noch ein abschließendes Wort. Der Wahlkampf ist ja vorbei, wir dürfen also alle etwas ehrlicher sein. Für die Energiewende ist es wahrscheinlich ganz gesund, dass die FDP da nicht mehr mit verhandelt, oder?
Löschel: Na ja, also erst mal muss man sagen, die FDP hat natürlich einen sehr starken marktlichen Blick drauf geworfen, der, wie gesagt, wird auch nicht weggehen, wenn wir die FDP nicht mehr am Koalitionstisch sitzen haben. Man hört das ja schon aus dem Koalitionsvertrag auch heraus. Also diese beiden Bewegungen, einfach die Wirtschaft und die Umwelt zusammenzubringen, die wird weiter jetzt in einem Zwiespalt stehen. Die neue FDP ist dann vielleicht die SPD in Nordrhein-Westfalen. Also, so einfach ist es, glaube ich, nicht, sondern man muss hier tatsächlich Lösungen schaffen, die eben von beiden Blickwinkeln heraus zielführend sind für die Energiewende.
Frenzel: Und das wird der Spagat sein für Sigmar Gabriel. Heute wird er nicht nur Vizekanzler, sondern auch Minister für die Energiewende. Dazu im Interview der Umweltökonom Andreas Löschel. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Löschel: Ja danke, Herr Frenzel.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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