Engagiert für Frauenrechte

Von Ita Niehaus |
Viele Musliminnen wehren sich dagegen, dass ihre Religion mit Unterdrückung gleich gesetzt wird. Es gibt eine lange Tradition muslimischer Frauenrechtsbewegungen - in arabischen Ländern, der Türkei, in den USA, in England - und auch in Deutschland tut sich einiges.
17. Mai 2010. Die Zweite Deutsche Islamkonferenz in Berlin. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder ist auch da. Und neben ihr sitzt die Religionswissenschaftlerin Tuba Isik-Yigit. Selbstbewusst, im eleganten weiß-blauen Blazer und - mit dazu passendem Kopftuch. Das Bild der jungen Ministerin im freundlichen Gespräch mit der jungen Muslimin geht durch die Presse. Die 30-jährige Tuba Isik-Yigit vertritt die Interessen des "Aktionsbündnisses Muslimischer Frauen in Deutschland".

Isik-Yigit: "Uns war es wichtig, weil ein Themenschwerpunkt der Islamkonferenz eben Geschlechtergerechtigkeit war. Zum einem ist es erstmal paradox, dass so ein Themenschwerpunkt gewählt wird, weil das kein islamspezifisches Problemfeld ist, sondern es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Aber wir haben uns gedacht, wenn jetzt so ein Schwerpunkt gesetzt worden ist, dann wollen wir natürlich mitreden."
Tuba Isik-Yigit und ihre Mitstreiterinnen wollen nicht länger ihren muslimischen Brüdern und den sogenannten Islamkritikern das Wort überlassen. Das vor über zwei Jahren gegründete Aktionsbündnis will muslimische Frauen mit und ohne Kopftuch bundesweit vernetzen, sie motivieren, sich für Chancengleichheit in allen Lebensbereichen starkzumachen und sich gegen das Stereotyp der unterdrückten muslimischen Frau zu wehren.

Isik-Yigit: "Das ist so ein Teufelskreis. Auf der einen Seite sage ich der Frau, sie ist unterdrückt. Auf der anderen Seite sage ich der Frau, du darfst mit Kopftuch nicht arbeiten. Beides verbannt sie hinter den Kochherd. Und dann wird der Frau vorgeworfen, du bist die schlecht integrierteste, du bringst dich in die Gesellschaft nicht ein, aber hintenrum möchte man sie gar nicht miteinbeziehen. Und das ist das, was wir anprangern."

Rund 370 Frauen gehören dem Netzwerk bisher an. Manche kommen aus Verbänden wie etwa dem Dachverband der Türkisch-islamischen Union der Anstalt für Religion, kurz DITIB, unter ihnen sind Frauenbeauftragte verschiedener Schuras, also Zusammenschlüsse muslimischer Gemeinden und Initiatorinnen kleiner Vereine. Die meisten von ihnen sind Akademikerinnen. Auch Tuba Isik-Yigit hat studiert, zurzeit promoviert sie in Islamischer Religionspädagogik an der Universität Paderborn. Vor allem ihre Mutter machte ihr immer wieder Mut, konsequent ihren Weg zu gehen. Bis heute ist Tuba Isik-Yigit dieser Frau dankbar, die ihr sagte:

"Tu das, was du für richtig hältst und sei selbstbestimmt und unabhängig von anderen - die mir das wirklich so als Weisheit mit auf den Weg gegeben hat. So, jetzt musst du zeigen, dass du es kannst als Frau auch. Das nehme ich schon aus dem Türkischen mit, aber durch die deutsche Prägung sowieso. Das ist eine Selbstverständlichkeit gewesen."

Von ihren Eltern lernte sie auch von klein auf, sich gegenüber der deutschen Kultur zu öffnen und diese nicht als Bedrohung wahrzunehmen.

Isik-Yigit: "Viele kriegen das mit, Deutsch sein, das ist was Gefährliches, das wollen wir nicht, das gehört nicht zu unserer Kultur. Und deshalb ist vielleicht auch dieses selbstbestimmte Leben der Frau gar nicht so positiv konnotiert, wie das bei mir der Fall war."

Muslimin und Frauenrechtlerin zu sein - das ist für Tuba Isik-Yigit kein Widerspruch. Und damit ist sie in Deutschland nicht allein, wenn auch nicht alle muslimischen Frauenorganisationen und engagierten Einzelpersonen an einem Strang ziehen. Auch im Aktionsbündnis sind Musliminnen vertreten, die ihre Forderung nach Gleichberechtigung unterschiedlich begründen. Die einen vor allem säkular, also mit Rückgriff auf die universellen Menschenrechte, die anderen mit theologischen Argumenten.

Isik-Yigit: "Ganz viele haben damit angefangen, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen, zurückzugehen an die Quellen und zu schauen, wie haben sich diese patriarchalen Strukturen etabliert, die uns diese Rechte abgeschnitten haben? Aber an sich Feminismus und wir müssen dafür kämpfen, den gibt es so bei uns gar nicht. Frauenrechte, ja, wir fordern Frauenrechte ein. Dann auf den Grassroots level, so aktivistinnenmäßig - aber Feminismus an sich ist nicht Thema, nicht in unserer Generation."

Einen Feminismus, wie ihn etwa Alice Schwarzer vertritt, lehnen die meisten muslimischen Frauen ab - denn sie wollen nicht, dass ihre Religion vorrangig als Instrument der Frauenunterdrückung wahrgenommen wird. Zwischen christlichen und muslimischen Frauenrechtlerinnen gibt es jedoch einen lebendigen Dialog über Unterschiede und Gemeinsamkeiten.

Isik-Yigit: "Wir haben auch schon mal `ne Tagung gemacht, wo wir katholische und evangelische Feministinnen eingeladen haben und die sind auch mit uns sofort d`accord gegangen sind. Auf der Schiene ja."

Tuba Isik-Yigit ist viel unterwegs. Als eine der Moderatorinnen des Projekts "Jugenddialog 2020," in Sachen interreligiöser Dialog, vor allem aber als Frauenrechtlerin und Mitglied der Deutschen Islamkonferenz.

Telefongespräch: "Hey, Salamu Aleikum. Wie geht's Dir? .... Ich war letzte Woche in Berlin, wir hatten wieder Islamkonferenz Rollenbilder und für die Handreichung ..."

Zurzeit ist sie unter anderem daran beteiligt, in einer Arbeitsgruppe der Islamkonferenz eine Broschüre zum Thema Geschlechtergerechtigkeit zu erarbeiten. Tuba Isik-Yigit bezweifelt, ob das so hilfreich ist. Sie denkt da eher praktisch und plädiert dafür, in kleinen Kursen oder Projekten mit den konkreten Einstellungen der Menschen zu arbeiten.

Isik-Yigit: "Wir haben ganz viele Frauen, die ausgebildet sind in diesen Sensibilisierungsgeschichten. Einfach mal zu sehen, wie kommt das an bei den Menschen? Haben die überhaupt dieses Problem? Ich weiß nicht, wenn man über Geschlechterverhältnisse spricht, ob man dann nicht so ein veraltetes Bild noch im Kopf hat von dem türkischen Mann, der vorne läuft und die Frau hinten mit fünf Einkaufstüten oder so was. Das ist ja gar nicht mehr Alltagsrealität der Muslime."

Dennoch: Der Weg bis zur Gleichberechtigung ist noch weit. Die nächste Etappe für Tuba Isik-Yigit: noch enger mit anderen Frauenorganisationen in Deutschland zusammenzuarbeiten. Wichtig ist ihr dabei vor allem, dass sich beide Seiten, Musliminnen und Nicht-Musliminnen, noch mehr öffnen.

Isik-Yigit: "Wenn das schon das Fundament wäre, der Respekt und auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch zu kommen, dann hätten wir schon sehr viel erreicht."