Hier verdienen Frauen genauso viel wie Männer
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"Ich hoffe, dass der nächste Messi eine Frau ist", sagt Karen Dobres vom Lewes FC. Der englische Fußballklub ist der erste Verein der Welt, der seiner Frauen- und Männermannschaft das gleiche Geld zahlt. Das ist fair und lockt auch Zuschauer ins Stadion.
Auf den ersten Blick deutet in Lewes nichts auf Fußball hin. In dem beschaulichen Ort an der englischen Südküste leben rund 17.000 Menschen. Im Zentrum steht eine Burg aus der Zeit Wilhelm des Eroberers. An der Hauptstraße gibt es ein paar typisch englische Pubs, eine Eisdiele, in der drei Kugeln 4,50 Pfund kosten – und das Haus, in dem im 18. Jahrhundert der Intellektuelle und Revolutionär Thomas Paine lebte. Er sollte später zu den Gründern der Vereinigten Staaten von Amerika gehören.
Auch heute macht Lewes von sich Reden. Rund fünf Fußminuten von der Hauptstraße entfernt liegt das Stadion des Lewes Football Club. Nach eigenen Angaben ist er der erste und einzige Verein der Welt, der seiner Frauen- und Männermannschaft das gleiche Geld zur Verfügung stellt – eine sechsstellige Summe. Wie viel genau, verrät er nicht.
Werte schaffen über den Fußball hinaus
Der Verein ist damit Vorreiter bei der Gleichberechtigung im Fußball – und will Werte schaffen, die über den Sport hinaus gehen, erklärt Karen Dobres, die Leiterin der Kampagne.
"Wir bezahlen Frauen und Männer gleich, weil es richtig ist. Der FC Lewes kann das Richtige tun, weil wir zu 100 Prozent der Gemeinschaft gehören. Wir müssen keinen Profit für Aktionäre erzielen, sondern versuchen, Werte für die Gemeinschaft zu schaffen. Damit meinen wir nicht nur die Gemeinschaft in Lewes, sondern die Fußballgemeinde und die globale Gesellschaft. Weil wir die ersten auf der Welt sind, ist es ein Wert für alle Menschen auf dem Planeten. Wir nutzen den Fußball, um die Welt und die Gesellschaft zu verändern."
Die Frauen-Mannschaft des FC Lewes ist in der zweiten Liga aktiv und konnte ihren Zuschauerschnitt in der vergangenen Saison zum zweiten Mal nacheinander verdoppeln. Auch die Zuschauerzahl bei den Männern in der siebten Liga steigt. Genau wie die Zahl der Sponsoren – und der Besitzer.
Moralisch und wirtschaftlich sinnvoll
Der FC Lewes gehört seinen Fans. Für 40 Pfund im Jahr kann sich jeder bei dem Verein einkaufen. Im Moment hat er rund 1600 Anteilseigner, auch Deutsche gehören dazu. Aus Sicht des FC Lewes bewährt sich das Konzept mit der Gleichberechtigung von Frauen und Männern.
"Wir denken, dass es sich auszahlt, zu diversifizieren. Wir haben es bewiesen. Es ergibt moralisch, emotional und wirtschaftlich Sinn. Es ist eine Win-Win-Situation. Ich habe absolut keine Ahnung, warum es nicht jeder tut. Die einzige Antwort dafür ist komplett unbewusster Sexismus."
Seine Vorreiterrolle macht den Verein auch sportlich attraktiv. Frauen-Trainer Fran Alonso hat schon unter Mauricio Pochettino und Ronald Koeman gearbeitet und kam angeblich wegen der Gleichberechtigung an die englische Südküste. Auch Spielerinnen wie Amy Taylor sagen, dass es etwas Besonderes sei, für den FC Lewes zu spielen.
"Es hilft wahnsinnig, auf und neben dem Platz die gleiche Wertschätzung wie die Männer zu bekommen. Es ist gut, die Unterstützung des Vereins zu haben, zum Beispiel bei den Reisen in unserer Liga. Wir geben auf dem Platz alles, um ähnlich viele Zuschauer wie die Männer anzuziehen. Damit geben wir dem Verein auch etwas zurück."
Die Rahmenbedingungen verbessern
Vieles spricht im Moment für einen Aufbruch im Frauenfußball. Die Nationalmannschaft der USA klagt gegen ihren Verband auf gleiche Bezahlung. Von der WM in Frankreich soll ein Boom ausgehen. Karen Dobres mahnt aber zur Geduld.
"Ich glaube, dass der Frauenfußball richtig durchstartet. Keine Ahnung, wann genau. Ich weiß nicht, ob es schon nach der WM passiert. Das könnte etwas kurzfristig sein. Es könnte fünf bis zehn Jahre dauern. Ich hoffe, dass der nächste Messi eine Frau ist. Die Rahmenbedingungen im Frauenfußball sind nicht gut genug. Deshalb haben wir nicht solche großartigen Spieler wie Lionel Messi oder Ronaldo. Ich glaube, das ist es, was wir in zehn Jahren sehen: einen weiblichen Lionel Messi."