Enrico Caruso zum 150. Geburtstag
Enrico Caruso kam aus extrem armen Verhältnissen in Neapel. Als er dort im Kirchenchor sang, ahnte keiner, dass er der erste Plattenstar sein würde. © imago / Leemage
"He made the grammophon"
So schwärmte Carusos Musikproduzent Fred Gaisberg. Der „größte Tenor der Welt” verkaufte 1907 seine Aufnahme mit der Arie „Vesti la giubba“ über eine Million Mal. Der Ruhm brachte Geld, Skandale und ein Libretto, in dem er selbst zur Opernfigur wurde.
Der US-Amerikaner Fred Gaisberg, einer der führenden Musikproduzenten jener Zeit, der die ersten Tonaufnahmen mit Caruso verantwortete, meinte nach einer Aufnahmesitzung: "He made the grammophone."
Ähnlich hatte sich der in Musikfragen unbestechliche und äußert heikle Dirigent Arturo Toscanini bereits zwei Jahre zuvor geäußert: "Bei Gott! Wenn dieser Neapolitaner weiter so singt, wird die ganze Welt von ihm reden!"
Siegeszug der Platte
Carusos internationale Karriere wäre ohne den neuen Tonträger der Schellack-Schallplatte, die den Klang der Stimme scheinbar authentisch reproduzierte, nicht so schnell eingetreten.
Ein weiterer Aspekt kam hinzu: die zunehmende Reisetätigkeit der Künstler durch ausgebaute Schiffs- und Eisenbahnpassagen. So hörte man man den jungen Caruso 1899 sowohl in Moskau als auch in Südamerika.
Fotogener Typ
Caruso war auch in den großen Zeitungen ständig präsent. Seine Erscheinung als Privatperson und Sänger wurde höchst eindrucksvoll abgebildet:
Caruso lässig mit Zigarette, als er noch einen Schnurrbart trug, Caruso kostümiert als Bajazzo oder Radames, Caruso stilvoll im Automobil, am Strand von Rimini in Badehose oder bei einem Gedenkkonzert für die Opfer der Titanic.
Aus kleinsten Verhältnissen
Was zu Carusos Weltruhm beitrug, war sein Aufstieg aus den allerärmsten Verhältnissen. Er war das Kind des Schlossers Marcello Caruso. Als Knabe hatte er bereits in seiner Heimatstadt Neapel in einem Kirchenchor gesungen. Nur unter großen Schwierigkeiten gelangte er zu einem Gesangsstudium .
Im November 1894 debütierte er mit einer Wandertruppe am „Teatro Nuovo” in Neapel in der Oper "L'amico Francesco" von Mario Morelli und sang dann aber längere Zeit ohne besondere Erfolge. Der große Durchbruch kam, als er am 17. November 1898 am Teatro Lirico in Mailand in der Uraufführung von Umberto Giordanos "Fedora" die Partie des Loris sang. Jetzt folgte ein märchenhafter Aufstieg zum Weltruhm, der mit seinem Engagement an der New Yorker Met 1903 richtig Fahrt aufnahm. Caruso versuchte sich dann sogar, wenn auch nicht sonderlich erfolgreich, in einer Filmproduktion.
Skandal in New York
Wenige Wochen nach seinen triumphalen Erfolgen in Europa, Caruso war 33 Jahre alt, kam es in New York zu einem unerhörten Skandal. Caruso habe im „New Yorker Central Park vor dem Affenhaus“ eine junge Frau sexuell belästigt und sei noch an Ort und Stelle von einem Polizisten verhaftet und ins Gefängnis gebracht worden. Gegen eine Kaution von 500 Dollar kam er wieder auf freien Fuß. Zwei Gerichtsverhandlungen folgten.
Caruso Biograph Pietro Gargano schrieb dazu: "Der Prozess war eine Farce. Zeugen, die unmöglich etwas gesehen haben konnten, wurden vernommen und verwickelten sich in Widersprüche; die Klägerin war spurlos verschwunden. Trotzdem wurde Caruso schuldig gesprochen und verurteilt, wenn auch nur zu der gesetzlich festgelegten Mindeststrafe von 10 $.
Bei all diesen Verleumdungen und Unterstellungen war ihm die Solidarität vieler berühmter und auch einfacher Menschen ein Trost. Puccini schrieb ihm; die Kollegen de Reszke, Emma Eames und zahllose andere standen ihm bei."
Der Skandel hat seiner Karriere erstaunlicherweise nicht geschadet. Im Gegenteil. Ein überzogener Caruso-Kult entstand in vielen Ländern.
Positon beziehen
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 hatte für viele Künstler gravierende Folgen. Auslandsgastspiele waren nun auch für einen Caruso unmöglich. Auf Auftritte im deutschen Kaiserreich, wo ihn der Monach persönlich empfangen hatte, musste er nun verzichten.
Als das bis dahin neutrale Italien im Mai 1915 auf der Seite der Entente in den Krieg eintrat, fühlte sich der unpolitische Caruso verpflichtet, klar Stellung zu beziehen. So gab er unter Arturo Toscanini in Mailand zwei Vorstellungen. Die Einnahmen waren als Spende für das Rote Kreuz gedacht. Trotz schwindelerregender Preise war das Haus völlig ausverkauft. Doch niemand ahnte, dass das sein letzter öffentlicher Auftritt in Europa sein würde.
Reise nach Havanna
Im Sommer 1920 gastierte er in Havanna. Während der Aufführung explodierte im Opernhaus eine Bombe. Caruso floh daraufhin von der Bühne ins Hotel. Der Bühnenmeister konnte ihn beruhigen und zurückholen. Die Vorstellung endete dann doch mit Ovationen, Blumen und Gratulationen, auch wenn Viele das hohe Gehalt des Sängers im armen Kuba kritisierten.
Die "Bombe" gab es wirklich. Sie bestand aus Knallkörpern, die gewerkschaftlich organisierte Arbeiter des "Teatro Nacional " in einer Zigarrenkiste in der Herrentoilette deponiert hatten, um ihren Lohnforderungen Nachdruck zu verleihen. In der amerikanischen Presse tauchten auch Gerüchte auf, die Mafia-Organisation Schwarze Hand stecke hinter dem Attentat.
Als kranker Mann zurück in die Heimat
Schon in Kuba fühlte sich Caruso gesundheitlich nicht intakt. Zurück in New York, sang er noch einige Male, doch dann ging es gesundheitlich dramatisch bergab. Eine Rippe wurde ihm entfernt, acht weitere Operationen folgten. Ohne große Erfolge.
Am 28. Mai 1821 ging Caruso in New York an Bord der "President Wilson" und kehrte nach Neapel zurück, von wo aus er sich nach Sorrent begab. Am 2. August verstarb der Sänger. Mit großer Ehre wurde er in Neapel zu Grabe getragen.
Lebensweg als Inspirationsquelle
Carusos Schicksal, sein märchenhafter Aufstieg, seine Weltkarriere und sein Tod dienten mehrfach als Romanvorlage. So schrieb Frank Thiess gleich zwei Caruso-Romane: "Caruso" und "Caruso in Sorrent" über die letzten Wochen und Tage des Sängers.
Der Bombenanschlag in Kuba hat gleich zwei bedeutende südamerikanische Autorinnen inspiriert, zu dem Roman des kubanischen Klassikers Alejo Carpentier "Die Methode der Macht " und zu Mayra Monteros vor einigen Jahren auf Deutsch erschienenen Roman "Wo Aida Caruso fand".
Von der Roman- und Opernfigur
Monteros Buch regte den holländischen Komponisten Micha Hamel zu einem Opernprojekt an. 2019 schrieb er im Auftrag der "Dutch National Opera" die Oper "Caruso a Cuba", die im März 2019 beim "Opera Forward Festival" uraufgeführt wurde.
Caruso ist also immer noch aktuell. Er war, so meint Hamel, "der erste Rockstar überhaupt“.