Entdecken, Ordnen, Begreifen

Auf den Erkenntnissen von Forschern wie Aristoteles, Alexander von Humboldt oder Charles Darwin beruht noch heute unser Verständnis der Natur. Sie versuchten, die Welt zu ordnen und zu begreifen. Robert Huxley, Leiter der botanischen Sammlung des Natural History Museum in London, hat den Naturwissenschaftlern ein Buch gewidmet.
39 Forscher haben Huxley und seine Mitautoren auf 300 Seiten porträtiert. Ihr Streifzug beginnt in der Antike und zieht sich nach einem Sprung in die Renaissance über die Aufklärung bis ins 19. Jahrhundert. In dieser Zeit fing die Wissenschaft an, sich in immer mehr Einzeldisziplinen aufzuspalten. Viele der Namen sind heute nur noch einem Fachpublikum bekannt. Große Persönlichkeiten wie Aristoteles, Alexander von Humboldt oder Charles Darwin bilden die Ausnahme. Der Sammelleidenschaft und dem Fleiß dieser Menschen ist es zu verdanken, dass wir heute über die Vielfalt der Erscheinungen in der Welt so genau Bescheid wissen. Sie alle sind Pioniere auf ihrem Gebiet und schufen die Grundlagen für Botanik, Ornithologie, Entomologie, Geologie, Paläontologie und Evolutionslehre.

Aristoteles steht als Universalgelehrter der Antike und fast unangefochtenes Vorbild bis ins 15. Jahrhundert hinein am Anfang der Beschreibungen. Kein anderer Gelehrter seiner Zeit hat sich auf so vielen Gebieten hervorgetan. Neben seiner Beschäftigung mit Literatur, Politik und Philosophie hat er ein umfassendes zoologisches Werk mit Beschreibungen von über 500 Tierarten hinterlassen.

Sein Schüler Theophrast schrieb das erste bedeutende Werk der Pflanzenkunde. Wesentlich erweitert wurde diese Arbeit erst im 16. Jahrhundert von Andrea Cesalpino, im 17. Jahrhundert von John Ray und im 18. Jahrhundert von Carl von Linné und Antoine-Laurent de Jussieu. Sie beschäftigte vor allem die Frage der Klassifikation: Wie konnten die Unmengen neuer Pflanzen, die nach und nach in allen Teilen der Welt gesammelt wurden, geordnet und benannt werden?
Robert Hooke schrieb 1665 das erste Buch mit Abbildungen mikroskopischer Aufnahmen und damit den ersten populärwissenschaftlichen Bestseller.
Der Däne Nikolaus Steno versuchte etwa zur gleichen Zeit als erster, die Geschichte der Erde aus ihren Gesteinsschichten zu rekonstruieren und begründete damit die Geologie. Sein Landsmann Johann Christian Fabricius schuf Ende des 18. Jahrhunderts mit seinem Werk, in dem er fast 10.000 Arten beschrieb, die Grundlage der Insektenkunde.

Immer wieder weisen einzelne Autoren in den Kurzbiografien darauf hin, wie abhängig der Erkenntnisfortschritt von den herrschenden religiösen Vorstellungen war. Konnte Aristoteles noch unbelastet von religiösen Instanzen seine Fragen formulieren, litten spätere Generationen unter Denkverboten, weil ihre Theorien die Schöpfungsgeschichte der Bibel in Frage stellten. Durch Rückrechnung biblischer Ereignisse glaubte man an ein Erdalter von nicht mehr als 6000 Jahren. Dabei deuteten Fossilien und geologische Prozesse darauf hin, dass sie wesentlich älter sein musste. Diese Vorherrschaft religiöser Überzeugungen hatte zur Folge, so Herausgeber Robert Huxley, dass naturwissenschaftliches Denken vom Ausgang des klassischen Altertums bis ins 15. Jahrhundert in Europa praktisch nicht stattfand, womit er den über 1000-jährigen Sprung zwischen Antike und Renaissance in seinem Buch rechtfertigt.

Manche der vorgestellten Persönlichkeiten stehen der Kunst fast ebenso nah wie der Wissenschaft. Sie schufen möglichst genaue Abbildungen der gefundenen Pflanzen- und Tierarten. Damit sortierten sie nicht nur Fabelwesen aus den Katalogen aus, sondern boten auch ein unschätzbares Hilfsmittel bei der Zuordnung späterer Funde. Das Ergebnis waren mitunter prächtige Bildbände, die zum Teil heute noch konsultiert werden.

Auch das Buch von Robert Huxley selbst ist ein prächtiger Bildband geworden. Über 200 historische Tier- und Pflanzenzeichnungen drängen sich auf den 300 Seiten, viele davon ganz- oder halbseitig. Dazu sind die Einführung und Einleitungskapitel zu den vier enthaltenen Epochen farbig wie altes Pergament gestaltet. Mit 1,2 Kilogramm Gewicht ist das Gefühl, in einem alten Folianten zu blättern, auch nicht allzu fern. Diese grafische Fülle und Gestaltung spricht bibliophile Leser an und macht sicherlich einen besonderen Reiz des Werkes aus.

Die einzelnen Artikel bieten jeweils nur einen kurzen Abriss über Leben und Werk der vorgestellten Forscher. Trotzdem ist das Buch mehr als ein historisches Personenlexikon. Es ist vor allem eine leicht zu lesende, bilderreiche Hommage an viele halb in der Zeitgeschichte versunkene Riesen, auf deren Schultern die Wissenschaft noch heute ihre Arbeit verrichtet.

Rezensiert von Gerrit Stratmann

Robert Huxley: Die großen Naturforscher von Aristoteles bis Darwin
Übersetzt von Frank Auerbach
Frederking & Thaler, München 2007
304 Seiten, 34,90 Euro