Entflammte Leidenschaft
Für viele Opernfreunde ist Vincenzo Bellinis "Norma" - uraufgeführt 1931 in Mailand - der Inbegriff des Belcanto überhaupt: serienweise ohr- und seelenaufschmelzende Melodien, manchmal zusätzlich mit dem Perlenschmuck blitzender Koloraturen behängt. Doch das allein hätte kaum genügt, wenn diese Oper um den zerreißenden Zwiespalt zwischen Liebe, Eifersucht und Patriotismus nicht auch enormes dramatisches Potenzial mitbrächte.
In welchem Maße die Handlung darüber verfügt, haben vor allem die Interpretationen der Titelpartie durch Maria Callas bewiesen, die sich mit dieser Rolle wohl noch leidenschaftlicher identifizierte als mit irgendeiner anderen ihrer Bühnenfiguren. Die griechische Diva steht dann mit drei verschiedenen Aufnahmen auch im Mittelpunkt der Sendung von Gerald Felber, ohne deswegen alles zu dominieren; ermöglichen doch nicht nur andere Sichten auf die Norma – so von Renata Scotto, Joan Sutherland, Montserrat Caballé und Edita Gruberova – gute Vergleichsfelder, sondern vor allem auch die in ihren Gestaltungsmöglichkeiten oft unterschätzten anderen Protagonisten der Oper. Inspiriert von einem ausgezeichneten Libretto Felice Romanis, hat Bellini in diesem Stück nicht nur einige seiner besten melodischen Erfindungen, sondern auch einige dramaturgische Neuerungen eingebracht - so die beiden ausgedehnten und vorher nie in dieser Form zu hörenden Frauen-Freundschaftsduette.