Der Journalist Ulrich Wickert, geboren 1942 in Tokio, war viele Jahre lang Moderator der ARD-"Tagesthemen" sowie Korrespondent in Frankreich und den USA. Er ist Autor zahlreicher Sachbücher und Kriminalromane. Zuletzt erschienen von ihm die Bücher "Frankreich – muss man lieben, um es zu verstehen" und "Identifiziert euch! Warum wir ein neues Heimatgefühl brauchen".
Kritik an Woodward wegen später Veröffentlichung
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US-Präsident Donald Trump hat dem Starreporter Bob Woodward schon im Winter erzählt, wie gefährlich das Coronavirus sei und dass er das runterspiele. Dass der Journalist dieses Wissen jetzt erst teilt, wird in den USA sehr kritisiert.
Weniger als zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl in den USA veröffentlicht der Starreporter Bob Woodward ein Buch mit brisanten Aussagen. Darin heißt es, Präsident Donald Trump habe schon Ende des Winters im Gespräch mit dem Journalisten zugegeben, dass er wußte, wie gefährlich das Coronavirus ist. Auf einer Tonbandaufzeichnung von Woodward ist zu hören, wie Trump sagt, er habe dieses Wissen bewusst zurückgehalten, um keine Panik zu schüren. Das Virus sei tödlicher als die Grippe.
Kritik an später Veröffentlichung
Angesichts von inzwischen mehr als 190.000 Menschen, die an Covid-19 starben und rund sechs Millionen infizierten US-Bürgern, stellt sich vielen in den USA die Frage, wieso Woodward diese Informationen nicht früher veröffentlicht hat, sondern erst jetzt zum Erscheinen seines Enthüllungsbuchs ein halbes Jahr später. Der Journalist hatte einst die Watergate-Affäre mit aufgedeckt und damit Präsident Richard Nixon zu Fall gebracht.
Woodward hätte das früher publizieren müssen, sagt unser Studiogast, der frühere Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert. "Eigentlich hätte er das spätestens im April veröffentlichen müssen, um zu zeigen, der Mann spinnt." Wickert erinnert daran, wie Trump noch das Trinken von Desinfektionsmittel empfohlen hatte.
"Trump-hörige" Gouverneure
Alles, was der US-Präsident verharmlosend danach immer wieder äußerte, habe viele US-Staaten dazu bewogen, die Coronaregeln zum Schutz ihrer Bürger aufzuheben. Die Gouverneure seien "Trump-hörig" gewesen. "Das ist natürlich die große Gefahr", so Wickert.
"Die wichtigste Arbeit eines Journalisten ist die Aufklärung", betont Wickert. Ganz im Sinne des Philosophen Immanuel Kant bedeute das, die Vernunft einzuschalten. Da dürften keine Verabredungen gelten.
Der Journalist als Kommunikator
Es habe in Deutschland auch den Fall gegeben, dass jemand aus dem Verteidigungsministerium etwas im Hintergrund "unter Drei" gesagt habe, was damit eigentlich nicht von Journalisten zitiert werden durfte, erzählt Wickert. Zwei Journalisten hätten sich dennoch entschlossen, die Aussagen öffentlich zu machen, weil es "zu schlimm" gewesen sei. "Da bin ich der Meinung, das ist richtig", sagt Wickert. Der Journalist sei nicht Journalist für sich selbst, sondern ein Kommunikator. Wenn er etwas ganz Schreckliches erfahre, müsse er, wenn es politische Auswirkungen haben könnte, darüber sprechen.
(gem)