Sabine Werth von der Berliner Tafel

Energiekosten-Entlastung an den Armen "komplett vorbei"

07:52 Minuten
Eine Hand dreht am Temperaturregler einer Heizung.
Warm über den Winter? Viele Menschen sorgen sich angesichts der steigenden Kosten für Energie. © picture alliance / dpa / Christin Klose
Sabine Werth im Gespräch mit Dieter Kassel · 04.10.2022
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Bund und Länder planen weitere Entlastungen wegen steigender Energiepreise. Doch Sabine Werth von der Berliner Tafel ist skeptisch, ob das Geld bei den Richtigen ankommt. Bisher habe die Politik an den wirklich Bedürftigen vorbeigeplant.
Inflation, Rezession und steigende Energiepreise – Deutschland steht vor riesigen Herausforderungen. Viele Menschen und Unternehmen fragen sich, wie sie über den Winter kommen sollen. Die Bundesregierung hat deshalb ein drittes Entlastungspaket von rund 65 Milliarden Euro geschnürt. Zusätzlich plant der Bund einen "Rettungsschirm" von 200 Milliarden Euro. Was aber kommt davon bei den Ärmsten an?

Wer kein Auto hat, braucht keinen Tankrabatt

Die ersten beiden Entlastungspakete der Regierung seien "an zumindest der armen Bevölkerung komplett vorbeigegangen", kritisiert Sabine Werth, die Gründerin und Vorsitzende der Berliner Tafel. Beispiel Tankrabatt: "Was hat denn ein armer Mensch davon, wenn er das Benzin preiswerter kaufen kann? Der hat kein Auto, der braucht kein Benzin."
Ein weiterer Kritikpunkt: Studierende, Rentnerinnen und Rentner seien bei den bisherigen Maßnahmen völlig vergessen worden. Viele im Grunde gute Vorhaben seien "vor die Wand gefahren worden", weil sie an denen vorbeigingen, die am dringendsten Hilfe brauchten, sagt Werth. "Deswegen hoffe ich sehr, dass dieser sogenannte 'Doppel-Wumms', wie unser Kanzler ihn nennt, jetzt wirklich auch mal bei den Menschen ankommt."

Absehbare Verzögerung der Wohngeld-Reform

Werth ist allerdings skeptisch, ob das gelingt. Die Regierung plant unter anderem eine Wohngeld-Reform: Die Anzahl der Berechtigten soll sich verdoppeln und diejenigen, die die Leistung bisher schon bekommen haben, sollen mehr erhalten. Doch schon jetzt ist absehbar, dass sich der für den 1. Januar 2023 geplante Start verzögert.
Kein Wunder, sagt Werth: "Es ist ja schon seit vielen Jahren klar, dass die Verwaltung kaputtgespart wurde." Und selbst gut ausgestattete Behörden würden wohl viel Zeit brauchen, um fast anderthalb Millionen neuer Anträge zu bearbeiten, wenn statt 600.000 künftig zwei Millionen Menschen Wohngeld erhalten sollen.
Das Grundproblem sieht Werth in der Realitätsferne vieler Politikerinnen und Politiker: "Sie bleiben auf ihrer Ebene und denken nicht nach unten." Viele Menschen glaubten deshalb längst nicht mehr daran, dass staatliche Hilfen am Ende in ihrem Portemonnaie ankommen, sagt Sabine Werth: "Die Stimmung ist nicht gut, und da macht dieser 'Doppel-Wumms' im Moment den Kohl nicht fett."

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