Warum Singen im Rudel so reizvoll ist
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Beim "Rudelsingen" füllen Menschen große Säle. Die Sängerin Christine Wolff moderiert solche Treffen, weil sie sie beglückend findet. Die Potsdamerin hält sie auch für eine Antwort auf einen zu ernsten Zeitgeist.
Menschen formieren sich zu großen Ansammlungen und singen gemeinsam - früher fand das meist in Chören statt. Heute erfreut es sich auch ohne die mit einem Chor verbundenen Verpflichtungen großer Beliebtheit, als "Rudelsingen". Bis zu 10.000 Menschen pro Monat kommen allein zu den deutschlandweit stattfindenden Singtreffen des Veranstalters David Rauterberg. Warum eigentlich?
"Ich kann alleine unter der Dusche singen", sagt die Sopranistin Christine Wolff. "Mache ich auch manchmal. Aber da fehlen mir ja die vielen anderen lustigen Gesichter, dann fehlt mir der Text, den haben wir beim Rudelsingen an der Leinwand vorne."
"Mal keine Probleme wälzen"
Die Potsdamerin leitet die "Rudelsingen" in Ostdeutschland. Sie sieht im gemeinsamen Singen auch ein probates Mittel gegen einen bedenkenträgerischen Zeitgeist:
"Wir haben so viel Probleme, wir möchten mal einen Abend gar keine wälzen." Selbst wenn man sich zum Essen treffe, kämen schnell Probleme auf den Tisch. "Wie im Bundestag, sage ich immer. Da ist viel zu wenig Spaß. Und beim Rudelsingen ist es so, dass die Leute nur Spaß haben, von Anfang bis Ende und singend das Haus verlassen."
Wichtiges Kriterium sind natürlich Bekanntheit und Sangbarkeit der Titel. "Mindestens 50 Prozent müssen den Titel kennen", sagt Wolff. Helene Fischer werde viel gefragt. "Aber wir haben bei uns in der Titelliste erst mal 800 noch viel tollere Songs, die man machen kann. Und die arbeiten wir dann ab. Auch Helene Fischer wird mal dabei sein."
"Eine Stimme, die nur verschüttet war"
Innerlich die Ohren zuhalten muss sich die Profisängerin übrigens nicht: "Die treffen den Ton alle. Das klingt fantastisch. Die Menschen singen so, dass man oft a capella weitersingen kann, da staunt man." Das sei berührend und auch für sie sehr beglückend. "Ich hab das Gefühl, dass, je öfter die singen, sogar im Laufe des Abends, die Stimmen frei werden, wie entrostet. Die Menschen singen viel zu wenig. Und wenn sie es dann wieder machen, kommt eine Stimme zum Vorschein, die einfach nur verschüttet war."
Manchen Menschen ist das Singen durch Zwänge wie exponiertes Vorsingen in der Schule verleidet. Die Sopranistin Wolff kann das "sehr gut nachvollziehen, dass man die Menschen auch ein bisschen schädigt, wenn ich meine Stimme alleine erklingen lassen soll". In der Gruppe zu singen, erlebt sie dagegen als "Mut machendes Projekt".
(fmay)