Mit Meerwasser gegen den Durst
Gut elf Prozent der Weltbevölkerung hat laut WHO keinen sicheren Zugang zu Trinkwasser. Entsalzung von Meerwasser soll Abhilfe schaffen, doch Umweltschützer sehen die bisherigen Verfahren kritisch. Neue Techniken sollen die Umweltbilanz verbessern.
"Heute kommen wir einem der ältesten Wünsche der Menschheit einen Schritt näher. Ich bin mir sicher, dass wir noch am Ende dieses Jahrzehnts sehen werden, dass der Mensch günstiges Trinkwasser aus Salzwasser erzeugen kann. Und wenn dieser Tag gekommen ist, dann werden wir buchstäblich die Wüsten blühen sehen."
John F. Kennedy war gut darin, Visionen in Worte zu fassen. Und mit diesen Worten eröffnete er eine experimentelle Anlage zur Entsalzung von Meerwasser. Heute, 53 Jahre später, ist der Wunsch nach Wasser aus dem Meer aktueller denn je. Die Vereinten Nationen schätzen etwa, dass knapp 800 Millionen Menschen keinen ausreichenden Zugang zu Trinkwasser haben. Nur anders als zu Kennedys Zeiten, ist der Wunsch, Wasser aus dem Meer zu trinken, längst Realität geworden.
Anlagen produzieren 82 Millionen Kubikmeter Süßwasser pro Tag
"Heute wird Meerwasser in über 150 Ländern entsalzt. Und wir produzieren auf diese Weise 82 Millionen Kubikmeter Süßwasser pro Tag. Was noch wichtiger ist: die Kosten. Heute kann man eintausend Liter Meerwasser für weniger als einen Dollar in Trinkwasser verwandeln",
sagt Leon Awerbuch von der Internationalen Entsalzungsgemeinschaft. Aktuell dominieren zwei Technologien die Entsalzung. Bei der "Umkehrosmose" pressen Pumpen Meerwasser durch Membranen und befreien es so vom Salz. Die zweite Technologie heißt "mehrstufige Entspannungsverdampfung". Dabei erhitzt zumeist die Abwärme von Kraftwerken das Meerwasser bis es verdampft. Das Salz bleibt zurück, aus dem Dampf wird Trinkwasser. Beide Technologien haben eines gemeinsam: Sie saugen viel Wasser aus dem Meer. Philipp Wagnitz von der Naturschutzorganisation WWF sieht das kritisch.
Meerestiere sterben bei Wassergewinnung
"Dadurch dass im großen industriellen Maßstab viele Kubikmeter Wasser eingesaugt werden, kann das Tiere und Larven in der Küstennähe beeinflussen. Die sterben dann halt, wenn die angesaugt werden. Und eine andere Problematik bei der großen Meerwasserentsalzung ist die konzentrierte Salzwasserlake, die dann ausgestoßen wird, nachdem die Entsalzung stattgefunden hat. Das wird dann wieder ins Meer eingeleitet und kann in Küstennähe auch dann zu Auswirkungen kommen wegen der lokalen Flora und Fauna."
Mittlerweile gibt es Regeln, diesen Schaden gering zu halten. Die Betreiber einer Meerwasserentsalzungsanlage in Sydney etwa mussten zeigen, dass man 70 Meter vom Ausfluss ihrer Anlage keine erhöhte Salzkonzentration im Meer messen kann. Und eine kalifornische Vorschrift besagt, dass Anlagen Wasser mit maximal einem halben Kilometer pro Stunde einsaugen dürfen. Den WWF freuen diese technischen Fortschritte zwar, aber die Lösung sieht er wo anders.
Wagnitz:"Meerwasserentsalzungsanlagen müssen dann gebaut werden, wenn der Mensch mehr verbraucht als verfügbar ist. Deswegen müssen Staaten zu technologischen Lösungen greifen. Das Problem dabei ist nicht immer die Technologie oder die Übernutzung der Ressource, sondern auch die schlechte Gesetzgebung. Eine Alternative für Meerwasser ist vieler Orten eine nachhaltige Wassergesetzgebung, die vor allem umgesetzt werden."
"Überall gibt es Anstrengungen, erneuerbare Energien zu nutzen"
Philipp Wagnitz sieht aber auch, dass in manchen Ländern kein Weg an der Meerwasserentsalzung vorbeiführen wird. Etwa in den Golfstaaten. Doch ausgerechnet dort produziert man die dafür benötigte Energie aus fossilen Brennstoffen – ein großer Schaden für die Umwelt. Leon Awerbuch von der Internationalen Entsalzungsgemeinschaft meint einen Trend ausgemacht zu haben, der das ändern könnte.
"Überall gibt es Anstrengungen, erneuerbare Energien zu nutzen. In Saudi Arabien haben wir den Vertrag für eine Anlage mit erneuerbarer Energie unterzeichnet. Und in Abu Dhabi hat die Stadt Masdar vier Anlagen zur Entsalzung mit erneuerbarer Energie in Auftrag gegeben."
Die Energiequelle nachhaltig zu gestalten ist ein Weg, die Entsalzung umweltfreundlicher zu machen. Ein anderer besteht darin, den Energieverbrauch zu senken. Daran arbeiten Forscher weltweit. Und vor einigen Monaten vermeldete der Marburger Chemiker Ulrich Tallarek einen Rekord in puncto Energieeffizienz:
"Wir liegen momentan für die 50 Prozent des Meerwassers, die wir zu 25 Prozent entsalzen bei einer Energieeffizienz von 25 Milliwattstunden pro Liter. Dazu ist zu sagen, dass es eine theoretische Grenze gibt, und wir liegen nicht so weit von den 17 Milliwattstunden pro Liter entfernt, die hier theoretisch nicht unterschritten werden können."
Entsalzung heute so energiearm wie nie zuvor
Auf gut Deutsch heißt das: Bisher hat noch niemand mit so wenig Energie entsalzt. Tallarek nutzt eine komplett neue Technologie: Er leitet das Meerwasser durch winzige Kanäle. Über elektrische Energie lenkt er das Wasser so, dass sich das Trinkwasser vom Rest abtrennt. Noch ist diese Idee mehrere Jahre von der Marktreife entfernt. Doch sie zeigt, Meerwasser Entsalzung sollte künftig nur noch umweltfreundlich geschehen.