Entspannung am Computer

Von Marko Pauli |
Wahrscheinlich sind es Millionen deutscher Arbeitnehmer, die an ihrem Computer immer mal wieder Spielkarten auf Stapeln sortieren oder sich von Gespenstern durch Labyrinthe jagen lassen. Das Spielen solcher Casual Games ist gar nicht so sinnlos, wie es allgemein erscheinen mag. Eine Studie der Hamburg Media School kommt zu dem Ergebnis, dass die Spiele zur Erholung vom Arbeitsstress beitragen können - und somit im Grunde dem Tageswerk förderlich sind.
In deutschen Büros geht es nicht immer so seriös zu, wie man sich nach außen gerne gibt. Auf ungezählten Monitoren flimmern zwischendurch kleine Computerspiele wie zum Beispiel Moorhuhn, Solitär oder Tetris. Wenn der Vorgesetzte dann unangemeldet um die Ecke kommt, wird einfach das Fenster gewechselt, und schon hantiert man wieder gekonnt in der Excel-Tabelle.

Dass das Spielen am Arbeitsplatz nicht unbedingt Zeitverschwendung bedeutet, sondern wichtige Momente der Erholung schaffen kann, darauf deutet eine aktuelle Studie der Hamburg Media School hin. Über 1.000 Personen wurden online befragt, ob, wie häufig und aus welchen Beweggründen sie am Arbeitsplatz spielen. Der Medienpsychologe Leonard Reinecke hat die Studie mitgeleitet:

"Ein ganz wichtiger Aspekt von Erholung ist zum Beispiel Ablenkung von Stress auslösenden Ereignissen. Man kann sich das gut vorstellen, dass, um sich wirklich von einer Belastung erholen zu können, man diese Belastung ein Stück weit aus den Gedanken verbannen muss, um einfach mal zur Ruhe zu kommen, um wieder neue Energie schöpfen zu können. Das sind Wirkungen von Spielen, die direkt in Beziehung zu Erholungsprozessen stehen und die auch von unseren Teilnehmern sehr stark wahrgenommen werden beim Spielen."

Space-Invaders, ein 30 Jahre alter und immer noch sehr beliebter Computerspiel-Klassiker. Äußerst behäbige Außerirdische greifen an. Anfangs sind sie so einfach zu erwischen, dass man sich fragt, wie die wohl den langen Weg aus einer fernen Galaxie geschafft haben mögen. Zack, zack, zack, die Reihen lichten sich ... Der Stress verfliegt, und gleich winkt das nächste Level.

"Zum andern können sie erholsam dadurch wirken, dass sie Erfolgserlebnisse produzieren. Jeder, der mal Computerspiele gespielt hat, weiß, dass man da sehr direkt eine Rückmeldung über die eigene Leistung und über die eigenen Fähigkeiten bekommt. Und sehr schnell und einfach Minierfolgserlebnisse sammeln kann. Die einem einerseits das Gefühl von Kontrolle bieten können und andererseits durch diese Erfolgserlebnisse die Stimmung verbessert werden kann."

Verschiedene Faktoren des Arbeitsplatzes haben einen Einfluss, wie viel gespielt wird. Menschen, die selbst bestimmen können, wann sie ihre Pausen machen und in welcher Reihenfolge sie ihre Arbeitsabläufe gestalten, spielen häufiger als andere. Genauso sind diejenigen häufiger am Daddeln, die insgesamt ein hohes Belastungslevel am Arbeitsplatz haben.

"Wir sehen in den Daten der Studie, dass Arbeitnehmer, die sich weniger auf den sozialen Rückhalt bei den Kollegen verlassen können, die sich also nicht sicher sein können, in einer Stresssituation Unterstützung von Vorgesetzten oder Kollegen zu erfahren, häufiger Spiele am Arbeitsplatz spielen, als das bei Kollegen der Fall ist, die auf großen sozialen Rückhalt am Arbeitsplatz zurückgreifen können."

Es gibt dabei keine Spiele, die als besonders geeignet bezeichnet werden könnten, es kommt einzig auf den individuellen Spielspaß an. Ist der da, ergibt sich Erholung.
Die Studie ist allerdings nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung. Die freiwilligen Teilnehmer wurden durch öffentliche Ausschreibung in Gaming-Portalen geworben.

"Ich sehe jetzt in der Auswahl der Stichprobe für die Ergebnisse der Studie kein grundlegendes Problem. Es hätte wenig Sinn ergeben, Menschen zu befragen, die gar nicht spielen oder das Spielen sogar strikt ablehnen."

Viele der bei der Studie teilnehmenden Arbeitnehmer wurden beim Gaming-Portal "Bigpoint" gefunden. Über 30 Millionen Nutzer, steht da, haben sich hier insgesamt schon registriert, um die Casual Games von Bigpoint zu spielen. Hier wird nicht gegen den Computer gespielt, sondern gegen zehntausende anderer User, die gerade online sind.

Wie viele davon sich gerade im Büro befinden, kann der Bigpoint Geschäftsführer Heiko Hubertz nur erahnen:

"Wir sehen schon so in der Mittagspausenzeit, zwischen 12 und 14 Uhr haben wir einen Peak bei uns. Ich möchte aber lieber damit argumentieren, dass da die Schüler dann nach Hause gekommen sind und dann spielen.

Aber an sich ist es richtig, die Zielgruppe der Berufstätigen ist sehr wichtig für uns. Sie wollen einfach zwischendurch Spielspaß haben, einfach nur nebenbei, und das auch während er Arbeitszeit und dann wieder raus und entspannt wieder weiterarbeiten."

Leonard Reinecke, der mit der Studie auch an seinem Doktor arbeitet, erholt sich übrigens nicht durch Computerspiele von seinem Arbeitsstress. Um mal kurz abzuschalten, bevorzugt er den Besuch von News-Portalen im Internet.

"Das ist auch der grundlegende Gedanke, der hinter dieser Forschungsreihe steht. Dass unterschiedliche Medien in gleicher Weise ein Erholungspotenzial haben. Und dass dieses von der Forschung und auch im öffentlichen Diskurs so bisher noch nicht wahrgenommen wurde."

In der Studie wurde übrigens nicht gefragt, wie es um die Akzeptanz solcher Spiele am Arbeitsplatz steht. In den meisten Betrieben wird es auch nicht wirklich thematisiert, als spielender Arbeitnehmer bewegt man sich da in einer Art Grauzone. Wenn man auf Nummer sicher gehen will, wartet man also besser, bis der Vorgesetzte außer Sichtweite ist.