Darwinismus statt liebevoller Charaktere
Unsere Autorin Susanne Burg ist ein Riesenfan der "Dschungelbuch"-Version von 1967 aus dem Hause Disney. Schließlich geht es um Freundschaft und Respekt. Die neue Version mit hyperrealen CGI-Animationen hingegen zeigt nur einen gnadenlosen Überlebenskampf.
Ich habe keinen Film so häufig gesehen wie das "Dschungelbuch" von 1967. Dutzende Male. Hunderte Male das Hörspiel dazu gehört. Irgendwann brachten mir Freunde den englischen Originalsoundtrack von einer Reise in die USA mit.
Ich mochte das Dschungelbuch danach noch mehr: was für ein Vergnügen, wenn Louis Prima als King Louie seine Scat-Gesangsvolten schlägt, was für ein Sprachwitz, wenn Balu, der Bär, vom "prickly pear" singt, von der stachligen Birne.
"Now when you pick a pawpaw
Or a prickly pear
And you prick a raw paw
Next time beware
Don't pick the prickly pear by the paw
When you pick a pear
Try to use the claw"
Or a prickly pear
And you prick a raw paw
Next time beware
Don't pick the prickly pear by the paw
When you pick a pear
Try to use the claw"
Viel getrickst
Walt Disney soll angeblich die Zeichner dazu angehalten haben, wochenlang Tiere zu beobachten, um deren Eigenarten in die Zeichnungen zu überführen. Bhagira bewegt sich elegant und anmutig wie ein Panther, hat aber trotzdem diese fürsorglich-menschlichen Züge.
Der Tiger Shir Khan redet in britischem Akzent blasiert daher und steht zwar mächtig, aber letztlich doch allein da mit seinem kolonialen Gehabe. Die Schlange Kha ist tollpatschig und lässt sich ständig austricksen. Es wird überhaupt viel getrickst im Dschungelbuch.
Letztendlich aber ist das Dschungelbuch eine Geschichte über Freundschaft und Respekt. Ein Film voller liebevoll gezeichneter Charaktere, Charme und Zauber.
Sterben ohne Gnade
Die Neuverfilmung von Jon Favreau ist hingegen eine Leistungsschau von Motion-Capture-, CGI- und anderen Animationsexperten. Hyperrealistische Affen, Panther und Tiger jagen sich, bekämpfen sich und sterben manchmal ohne Gnade.
Zelebriert wird ein Darwinistisches Survival of the Fittest, bei dem am Ende der Mensch der Chef ist und sich die Tierwelt Untertan gemacht hat. Die scheinbare Echtheit der Tiere suggeriert Wirklichkeit. Aber das "Jungle Book" will ja keine Tierdoku sein, sondern Fiktion. Und dafür müsste man halt doch auch stimmige Charaktere entwickeln. Die gibt’s nicht.
Nun kann man mir vorwerfen: Meine Nostalgie blockiert bei mir jede Offenheit für eine neue Geschichte und einen neuen Ansatz. Mag sein. Aber es empört mich trotzdem, dass Disney auf so vulgäre Art und Weise meine Bilder übermalen wollte.