Enttäuschung in den Thüringer Bergen

Von Uwe Friedrich |
Regisseur Gerd Heinz inszeniert Wagners "Tristan und Isolde" wieder als romantische Vereinigung des größten Liebespaares der Operngeschichte. Während Andreas Schager als Tristan überzeugt, enttäuscht die Isolde von Ursula Füri-Bernhard dagegen.
Der Tristan von Andreas Schager ist ein Ereignis. Mühelos kommt seine Stimme auch über die größten Orchesterballungen, überstrahlt auch noch die Eruptionen dieser leidenschaftsgetriebenen Partitur. Doch dieser Mann kann nicht nur laut, er kann mit seiner Stimme auch die leisen Bereiche der Selbstinspektion im fiebergeschüttelten dritten Aufzug souverän gestalten.

Ob Selbstverfluchung oder sanfte Erinnerung an die Schönheit Isoldes, diesem wahren Heldentenor stehen die stimmlichen und gesangstechnischen Mittel im Überfluss zur Verfügung. Farbenreichtum und der Sehnsuchtston gerade des dritten Aufzug sind allerdings seine Sache (noch) nicht, auch lässt die Textsicherheit durchaus zu wünschen übrig. Doch das sind vergleichsweise kleine kritische Anmerkungen zu dieser ebenso faszinierenden wie kräftezehrenden Rolle.

Umso krasser fällt die Isolde der Ursula Füri-Bernhard gegen diese Ausnahmeleistung des Tenors ab. Von den ersten heiseren Tönen bis zum gequälten Liebestod enttäuscht sie mit abenteuerlicher Intonation und massivem Vibrato, Textverschleifungen und groteskem Spiel hart am Rand zu Karikatur. Auch die Brangäne der C. K. (Anm. d.Red.: Name auf Wunsch anonymisiert) bleibt vor allem wegen ihres Dauervibratos in den Weckrufen des zweiten Aufzugs in Erinnerung. Dass für eine packende Gestaltung nicht unbedingt die reine Stimmschönheit ausschlaggebend ist, bewies hingegen Ernst Garstenauer mit dem fesselnd gestalteten Monolog des Königs Marke.

Während sich in den letzten Jahrzehnten immer stärker die Sichtweise durchgesetzt hat, dass Richard Wagner in "Tristan und Isolde" weniger eine Liebesgeschichte erzählt als vielmehr die Reise zweier Egomanen in den Tod, will der Regisseur Gerd Heinz zurück zur romantischen Vereinigung des größten Liebespaares der Operngeschichte. Dagegen wäre auch nichts einzuwenden, wenn es ihm denn gelänge, diese Sichtweise überzeugend über die Rampe zu bringen. Dabei erweisen sich aber schon die Kostüme Gera Grafs als großes Hindernis, mit denen die Erzählung auf das Niveau einer billigen Fantasy-Serie heruntergezogen wird.

Auch das vom Regisseur verordnete Bewegungsrepertoire stammt eher aus dem "Vermächtnis der Wanderhure" und versucht, von unten das Niveau einer durchschnittlichen Rumsteh-Inszenierung zu erreichen – was nur für Momente gelingt. Die Übergröße der Emotionen, die Strahlkraft des Mythos kriegt er so in keiner Sekunde zu fassen. Generalmusikdirektor Philippe Bach hält das leicht prätentiös "Hofkapelle" genannte Orchester (wünscht man sich in den Thüringer Bergen ernsthaft einen Fürstenhof zurück?) ohne spürbaren interpretatorischen Ehrgeiz sehr fest im Griff und erreicht erst recht spät die dringend nötige Klangsinnlichkeit der Partitur.

Wahrscheinlich hat die nervenaufreibende Aufgabe, seine unberechenbare Isolde immer wieder von ihren Irrwegen auf die von Wagner gewünschten Pfade der Partitur zurückzwingen zu müssen, alle kreativen Kräfte aufgezehrt.