Teure Almosen für Afrika
Milliardenschwere Hilfsprogramme haben die Afrikaner in Abhängigkeit statt in Selbstständigkeit gebracht. In Ländern wie Somalia ist jede Eigeninitiative erstickt. Kommt die Dürre, kommt auch Hilfe. Afrikanische Ökonomen fordern: raus aus der Opferrolle!
Somalia: Terror, Dürre und Hunger. Fast drei Millionen Menschen sind auf der Flucht.
Demokratische Republik Kongo: Gemetzel. Fast fünf Millionen Vertriebene.
Zentralafrikanischen Republik: Blutiges Chaos. Ein Fünftel ist heimatlos.
Südsudan: Bürgerkrieg. Rund vier Millionen Flüchtlinge.
Demokratische Republik Kongo: Gemetzel. Fast fünf Millionen Vertriebene.
Zentralafrikanischen Republik: Blutiges Chaos. Ein Fünftel ist heimatlos.
Südsudan: Bürgerkrieg. Rund vier Millionen Flüchtlinge.
Kriege, Krisen, Katastrophen - Die Liste ist lang
Die Liste ist endlos und die Negativschlagzeilen über Krisen, Kriege und Katastrophen in vielen Ländern prägen nach wie vor das Bild des gesamten Kontinents in den so genannten entwickelten Ländern: Afrika ist arm, hilflos und dringend auf die Unterstützung von großzügigen Gönnern im Westen angewiesen.
Aber dieses Bild ist falsch. Afrika ist reich, sagt der Ökonom Aly-Khan Satchu. Nur profitiert der Kontinent nicht davon. Die vermeintliche Hilfe hat die wirtschaftliche Entwicklung nicht voran gebracht, sondern im Gegenteil vieles nur noch schlimmer gemacht.
Ein Beispiel: Die Nahrungsmittelhilfe.
Heißer Wind bläst roten Sand über den Kadaver eines Kamels. Über die ausgebleichten Knochen spannen sich einige dunkle Hautfetzen – von der brennenden Sonne mumifiziert.
Nicht weit davon stehen vier Artgenossen zwischen dornigen Sträuchern – so abgemagert, dass man jede Rippe unter dem Fell zählen kann.
"Wir haben eine schwere Dürre. Wir haben schon versucht, unsere wenigen Kühe zu verkaufen, aber keiner will sie haben. Viehhirten kommen von weit her, um uns nach Gras für ihre Tiere zu fragen."
Abdirahman lebt im Bezirk Mandera, im äußersten Norden Kenias, direkt an der Grenze zu Somalia und Äthiopien. Eine Halbwüste wie rund die Hälfte aller Counties in Kenia. Hunger gehört hier zum Leben – genau wie Hilfe aus Nairobi und dem Ausland.
Kein Anbau - wegen Hilfslieferungen
"Die Dürre kommt immer wieder. Die Gemeinden hier hatten mal ihre eigenen Überlebensstrategien, aber die sind weitgehend verschwunden. Die Leute sagen: Warum soll ich überhaupt noch etwas anbauen, wenn es ohnehin Hilfslieferungen gibt?"
Erklärt die kenianische Menschenrechtlerin Fatuma Abdulkadir Adan. Zwar versucht die Regierung vorzusorgen. Sie baut Wasserreservoirs und wirbt für mehr Farmen und kleinere Viehherden. Aber das geht viel zu langsam und ist außerdem ein schwerer Kampf gegen uralte Traditionen bei den nomadischen Viehzüchtern, erklärt Hussein Mohammed Alio von der Nationalen Dürrebehörde.
"Sie betrachten das als Fluch. Wenn du nicht mindestens 100 Kamele hast oder 1000 Ziegen, dann bist Du arm. Du hast gar nichts. Die Tiere sind eine Quelle des Stolzes. Wer viele hat, genießt Ansehen in der Gesellschaft."
Mit der Folge, dass die großen Herden in den immer häufigeren Dürren jämmerlich verenden und die Menschen verarmen. Im vergleichsweise reichen Kenia gibt es eigentlich genug Nahrungsmittel. Die Verteilung ist das Problem und ihr viel zu hoher Preis für die Betroffenen.
James Shikwati, kenianischer Ökonom und Fellow der deutschen Robert Bosch Academy.
"Es ist wirklich traurig. Wir haben diese ständigen Spendenaktionen, anstatt dass die Regierung ihrer Verantwortung nachkommt und z.B. die Landwirtschaft rationalisiert oder ihr Verteilungssystem."
Kurz: Die internationale Hilfe nimmt der Regierung die Arbeit ab und verhindert so effektive Vorsorge. In Mandera sind sogar simple Heuschober mit Spenden aus dem Ausland gebaut. Die Menschen in den Dürreregionen haben mittlerweile jede Eigeninitiative verloren.
"Wir hoffen, dass die Regierung uns helfen wird. Und vor allem verlassen wir uns darauf, dass Gott uns hilft."
Ganz Afrika stirbt und wartet hilflos auf die Retter aus dem Westen – diese Botschaft hat Bob Geldorf schon 1984 mit seinem musikalischen Spendenaufruf für die Opfer der Dürre in Äthiopien verbreitet. Sehr zum Ärger vieler Afrikaner.
Raus aus der Opferrolle
"Ehrlich gesagt, ich glaube, bei dieser Art von Hilfe geht es um Mitleid. Die Überzeugung, dass Afrika es nicht alleine schaffen kann."
Die Ökonomin Dambisa Moyo stammt aus Sambia und ist eine der bekanntesten Kritikerinnen der so genannten Glamour Aid, Sammelaktionen von Promis. Ganz Afrika als ein einziges Land zu bezeichnen, ist ein mieses Etikett. Aber die uralten Klischees sind nicht totzukriegen.
30 Jahre später, im Ebola-Jahr 2014, haben Geldorf, Bono und Co. ihren schmalzigen Song neu aufgelegt - mit leicht verändertem Text, aber der immer gleichen Botschaft.
"Meine Sorge ist, dass die Sprache, die Band Aid jetzt wieder benutzt, das Problem schlimmer macht, weil die politischen Hintergründe ausgeklammert werden. Und dafür ist Band Aid jetzt schon seit 30 Jahren bekannt."
Sagt Nick Dearden vom World Development Movement. Korruption, Misswirtschaft und manchmal auch schlichte Unfähigkeit verursachen die Probleme. Und wenn sich daran nichts ändert, kommen die Notsituationen immer wieder und aus der Nothilfe wird eine permanente Einrichtung. Ironischerweise bedeutet Band Aid auf Englisch auch Heftpflaster - und genau das ist die Nothilfe. Die Ursachen für die Probleme bleiben und werden durch die Millionengeschenke sogar noch verschärft.
"Die Hilfe subventioniert indirekt schlechte Politik. Nehmen Sie zum Beispiel den Kongo oder auch Kenia. Die Konflikte dort werden im Grunde von den Eliten verursacht, die sich um das Geld aus dem Westen streiten."
So James Shikwati. Seit den 50er und 60er Jahren sind rund zwei Billionen Dollar Entwicklungshilfe auf den afrikanischen Kontinent geflossen. Ohne nennenswerten Erfolg, sagt Aly-Khan Satchu.
"Sie war kein effektiver Weg, um Afrika nach vorne zu bringen. Das ist ganz klar. Deshalb sagen wir: Handel statt Hilfe. Geschäfte machen ist ein besserer Weg, diese Probleme anzugehen."
China macht längst vor, wie das funktionieren kann.
Eine riesige Teermaschine walzt langsam durch ein bisher unberührtes Stück Busch. Sie asphaltiert ein neues Stück Umgehungsstraße für Nairobis ständig total verstopfte Innenstadt.
Der größte Investor in Afrika ist China
Die Baufirma stammt aus China, genau wie die Kredite für die Finanzierung des Baus. Eines von vielen Infrastrukturprojekten quer über den afrikanischen Kontinent.
"China ist aktuell der größte Investor in Afrika. Die USA und andere westliche Staaten haben sich weitgehend auf Entwicklungshilfe konzentriert. Für die Chinesen geht es mehr um Handel und Investitionen, zum Beispiel in den Einzelhandel, in Kommunikationstechnik und natürlich in Rohstoffe."
Erklärt Dambisa Moyo. Rund 36 Milliarden Dollar allein 2016 für Straßen, Häfen und Flughäfen – damit investiert China mehr auf dem Kontinent als die USA und Europa zusammen.
China hat auch die neue Bahnlinie von Mombasa nach Nairobi gebaut, die Präsident Uhuru Kenyatta im vergangenen Jahr höchst feierlich eingeweiht hat.
Allerdings gibt es auch Schattenseiten: Chinesische Firmen schaffen zwar Arbeitsplätze, geben Afrikanern aber oft nur miese Jobs, zahlen Dumpinglöhne und liefern häufig zweifelhafte Qualität. Und sie verlangen weit überhöhte Preise, für die Chinas Banken großzügig Kredite geben. James Shikwati:
"Kurzfristig sieht das alles gut aus. Aber langfristig haben wir die Bedrohung durch eine neue Schuldenkrise. Und wenn Sie ihre Schulden nicht bezahlen, dann wird Ihr Gläubiger Ihnen irgendwann vorschreiben, wie Sie Ihre Wirtschaft managen sollen."
Nachhaltigkeit spielt keine große Rolle
Derzeit ignorieren viele afrikanische Staaten diese Bedrohung. Ihnen gefällt, dass die Chinesen klar sagen, was sie wollen, ihre Pläne durchziehen und keine lästigen Fragen stellen wie westliche Länder – nach Menschenrechten oder Korruption
"Wir mischen uns nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Ländern ein. Wir respektieren jede Regierung und jedes Land."
So hat es Shao Wei Jian vor einigen Jahren ausgedrückt, der ehemalige chinesische Wirtschaftsattaché in Kenia. Und das kommt an in Afrika, das endlich als gleichberechtigter Partner betrachtet werden will – und nicht als ewiges Opfer.
Radi-Aid ist eine Videoparodie, die Bob Geldorf auf die Schippe nimmt: Afrikanische Musikgrößen singen schmalzige Texte über erschütternden Bildern von leidenden Menschen im Hohen Norden.
"Jetzt drehen wir den Spieß um. Jetzt heißt es Afrika für Norwegen. Afrikaner, zeigt Mitleid. Spendet Heizkörper für die Frierenden in Norwegen!"
Die humorige Produktion ist ein Hit im Internet – und zeigt, dass die Afrikaner das Mitleid gründlich satt haben. Sie wollen selbst bestimmen, wer ihnen wie hilft. Zusammenarbeit auf Augenhöhe gibt es in Ruanda, in Äthiopien – und auch in Eritrea, das sonst eher durch seine diktatorische Regierung und ihre Menschenrechtsverletzungen Negativschlagzeilen macht.
Durch einen schmalen Kanal strömt Wasser auf ein sorgfältig bepflanztes Beet. Tomaten wachsen hier neben Reihen mit Blumenkohl, Spinat, Karotten und Gewürzen.
"Die Marktpreise für unser Gemüse sind mal höher, mal niedriger. Aber Blumenkohl geht am besten. Er ist teuer, genau wie einige Bohnensorten wie z.B. Sojabohnen." Das Gemüse wird im ganzen Land verkauft, sagt Hafir Saye, die Administratorin des kleinen Dorfes Lanza in Eritrea
Eritreas autoritäre Regierung setzt Maßstäbe
Ein kleiner Generator brummt vor sich hin. Er betreibt eine Pumpe, die das Wasser aus einem Damm ein paar hundert Meter den Berghang hinauf auf die Felder leitet. Das ganze Jahr, egal, ob Regen- oder Trockenzeit
"Jeder Farmer bewirtschaftet ein gleich großes Stück Land. Und alle pflanzen Gemüse. Das bringt mehr Geld als Getreide, und der Lebensstandard hier ist im Vergleich zu anderen Dörfern der beste."
Der Mikrodamm, der das möglich gemacht hat, wurde von der EU finanziert. In Zusammenarbeit mit der Regierung. Eritrea akzeptiert schon lange keine andere Form der Hilfe aus dem Ausland mehr, vor allem keine Nahrungsmittelhilfe. Yemane Gebreab, der Berater des Präsidenten
"Es gab eine Zeit in Eritrea, Anfang der 90er Jahre, zu der 90 Prozent unserer Bevölkerung von Nahrungsmittelhilfe abhängig war. Wir halten nicht viel davon, einfach, weil solche Almosen Abhängigkeit schaffen."
Hilfe ja, aber nur zur Selbsthilfe - nach den Entwicklungsplänen der Regierung. Dieser Standpunkt hat viele Hilfsorganisationen aus dem Land getrieben, die sich nichts vorschreiben lassen wollten. Die EU ist geblieben – auch nach heftiger Kritik, dass Europa damit ein Unrechtsregime unterstützt
"Wir sind der Ansicht, dass Zusammenarbeit, kritisches Engagement uns weiterbringen kann in dem Bereich. Sich zurückziehen aus Eritrea ist unserer Ansicht nach nicht zuträglich, um die Menschenrechtssituation zu verbessern."
So Christian Manahl, der EU-Botschafter in Asmara.
Keine Geschenke mehr, nur noch Zusammenarbeit
Seriöse Helfer haben sich ohnehin längst von der traditionellen Entwicklungshilfe verabschiedet. Das heißt mehr Zusammenarbeit statt simpler Geschenke. Aber nach Ansicht von James Shikwati verschleiert das immer noch die eigentlichen Absichten der Helfer.
"Das ganze Konzept der Entwicklungshilfe ist problematisch, denn es bringt Geschäft und Hilfe durcheinander. Die entwickelten Länder sagen Hilfe, wenn sie über Geld reden, mit dem sie ihre eigenen Interessen in Afrika verfolgen."
Kein Wunder, dass der jüngste Hollywoodreißer in Afrikas Kinos Kasse macht: Ein schwarzer Superheld und ein afrikanisches Land, das den Industriestaaten zeigt, wo es lang geht
"Der Film hat deutlich gemacht, dass Afrika nicht nur Dritte Welt ist. Es hat erfinderische Menschen und muss sich nicht auf die Erste Welt verlassen!"
So schwärmen die Filmfans. Im Gegenteil. "Afrika ist rohstoffreich. Wir sind nicht abhängig vom Westen. Tatsächlich brauchen die uns."
Ob Coltan oder Kobalt, Kaffee oder Kakao, Bananen oder Blumen – die Welt ist auf Afrikas Reichtümer angewiesen. Und die ehemaligen Kolonialherren profitieren immer noch. Aly-Khan Satchu:
"Mehr Geld fließt von diesem Kontinent in den Westen, als an Entwicklungshilfe hereinkommt. Wenn wir es schaffen, unsere Wirtschaft in Schwung zu bringen, dann haben wir eine Chance."
Kobalt, Kakao, Kaffee - Europa braucht Afrikas Rohstoffe
Eine Chance auf dauerhafte und nachhaltige Entwicklung. Und dabei können die USA, Europa und China tatsächlich helfen. Über den richtigen Weg sind sich Afrikas Ökonomen weitgehend einig. James Shikwati:
"Eine Zusammenarbeit, die eine höhere Produktivität in Afrika ermöglicht, damit Afrikaner sich z.B. Produkte aus Europa leisten können. Dafür muss allerdings die europäische Handelspolitik geändert werden, die Afrikanern den Zugang zu den Märkten der EU schwer macht."
Wichtig ist auch, dass Hilfe nicht mehr über die bürokratischen und oft korrupten Regierungen Afrikas fließt, sondern dass Unterstützung an der Basis ankommt. Das heißt, Kapital und Chancen für Jungunternehmer und junge Leute auf der Suche nach einem Job. Aly-Khan Satchu:
"Wenn die Länder hier keine Jobs für ihre jungen Menschen auf dem Kontinent schaffen können, dann steigen sie alle in ein Boot und gehen nach Europa. Selbst aus der europäischen Perspektive müssen wir unsere Denkweise ändern. Wir müssen Chancen schaffen für Afrikaner in Afrika. Das ist die Lösung."