Entwürfe für Leipziger Einheitsdenkmal

Von Claudia Altmann |
Ein Würfelhocker, eine Demokratiewerkstatt und ein Obstgarten: Eine Jury hatte diese drei Vorschläge aus 39 Entwürfen für das Leipziger Einheitsdenkmal ausgewählt. Nun ist eine Ausstellung im Neuen Rathaus eröffnet worden, in der alle Entwürfe zu sehen sind.
Etwa 300 Einwohner der Stadt waren heute Abend ins Rathaus gekommen. Zu einer sachlichen ernsthaften Diskussion. Der stellte sich der Oberbürgermeister, die Schöpfer der drei von der Jury ausgewählten erstplatzierten Entwürfe und Juroren. Deren Favorit sorgt in der Stadt bereits um eine heftige Debatte.

Auf einem Areal groß wie ein Fußballfeld stehen 70.000 bunte Quader. Sie sollen an die 70.000 Teilnehmer der friedlich verlaufenen Demonstration am 9. Oktober 1989 erinnern. Ein Denkmal zum Mitnehmen, denn die meisten Aluminiumpodeste sind nicht fest installiert. Für viele Leipziger wird das der Ernsthaftigkeit der Ereignisse nicht gerecht. Darauf erwidert Marc Weis vom Münchner Büro "M + M".

Marc Weis: "Man muss auch sagen, dass es ein Denkmal ist, was jetzt nicht grau oder farblos ist, sondern eben die Farben auch als Thema mit aufgreift, also mit dem Bezug zu den Bildern von 1989, führt natürlich dazu, dass es als Denkmal ganz anders gedacht ist, als die klassischen Denkmäler.

Das soll natürlich schon auch einen freudigen Charakter haben, soll zeigen, dass es auch ein glücklicher Moment ist. Diese Partizipation, dass man die Sachen mitnehmen kann, hat natürlich auch im weitesten Sinne spielerischen Charakter. Aber es soll keinen verspielten Charakter haben, sondern es soll einen der aktiven Teilnahme haben."

Dieser Ansatz fand allerdings bei den Leipzigern heute Abend wenig Verständnis. Die meisten waren aktive Teilnehmer an den Demonstrationen von 1989 und viele fühlen sich unverstanden.

Teilnehmer: "Ich will niemandem zu nahe treten von den Künstlern, von der Jury, von den Stadtverordneten. Wenn man ein Denkmal gestalten will, eine Idee in Form umsetzen will, dann muss ich eine Empathie empfinden, eine Empathie für die Menschen, die damals angstvoll, aber mutig über sich selbst hinausgewachsen sind und das Unternehmen in die Tat umgesetzt und eine Diktatur gestürzt haben. UN diese Empathie kann ich aber von diesen jungen Künstlern nicht verlangen. Sie waren nicht dabei."

Aber für wen soll das Denkmal sein? Oberbürgermeister Burkhard Jung brachte es noch einmal in Erinnerung.

Burkhard Jung: "Liebe Leipziger, wir bauen kein Denkmal für uns oder für die, die Augenzeugen waren. Sondern Idee war: Wie können wir denen und jenen etwas weitergeben, die nicht Augenzeuge waren, die nicht dabei waren. Und wir müssen uns vergegenwärtigen, jetzt schon, heute schon ist eine ganze Generation herangewachsen, die nur vom Hörensagen von den Ereignissen 1989 weiß."

In der Diskussion, zu der sehr wenig junge Leute gekommen waren, spielte das jedoch kaum eine Rolle. Die Kritik richtete sich nicht nur gegen - nach Meinung einiger Anwesender - zu hochtrabende philosophische Ansätze.

Teilnehmer: "Was ist eigentlich jetzt aus den Leipzigern geworden von 1989, dass wir hier sitzen und uns im Prinzip ein Denkmal erklären lassen, worüber die Entscheidung schon in Berlin getroffen wurde."

... sondern auch gegen die Idee des Zweitplatzierten - eine Art dynamischer Kreisel, in den aktuelle Protestbewegungen einfließen sollen – mit der Vergänglichkeit der Farben zu spielen.

Teilnehmer: "Ich finde, auch was Sie sagten in Ihrem Entwurf, dass man also auch das Vergängliche der Farbe sehen soll. Also diese Vergänglichkeit der Farbe habe ich in der DDR lange genug gesehen. Und insofern muss ich das nicht haben. Und ich finde, ein Denkmal, was diesem Anspruch gerecht wird, sollte also auch eine gewisse Ästhetik haben und diese Ästhetik ist bei Farbe nicht gewährleistet."

Ein Diskussionsteilnehmer brachte die Meinung der Mehrheit an diesem Abend auf den Punkt.

Teilnehmer: "Erster Preis: Problem erkannt, Ziel verfehlt. Was sollen die Hocker, die dann in Leipzig rumgammeln durch Vandalismus, dann ersetzt werden. Wie Sie gesagt haben in einem Interview, wird dann eine Skaterbahn draus. Also für mich kommt der erste Preis gar nicht in Frage."

Er favoriert - wie übrigens nach bisherigen Umfragen auch die Mehrheit der Messestädter - den drittplatzierten Entwurf des in Leipzig arbeitenden Trios Tina Bara, Anna Dilengite und Alba D’Urbano. Herbstgarten, ein Park mit Apfelbäumen darin pavillonartig gebaute Buchstaben, die die Losung von 1989 "Keine Gewalt" bilden und den die Ideengeber so beschreiben.

Tina Bara: "Die Ernte ist das aktive und verbindende Element zwischen der Vergangenheit und der Zukunft. Unser Entwurf stellt die Ernte in den Mittelpunkt als symbolisches und performativ-partizipatorisches Moment, das sich jährlich wiederholt. Dabei war es uns wichtig, ein lebendiges Denkmal zu entwerfen, das Spaß machen kann und ganz aktiv genutzt werden kann, genauso aber auch kontemplativ und zum Innehalten und Nachdenken anregt."

Zumindest am heutigen Abend waren sie damit die Sieger und werden weiter für Diskussionen in der Stadt sorgen.

Teilnehmer: "Dritter Platz: Problem erkannt, Ziel getroffen. Das ist der Entwurf, den wir als damals 70.000 wirklich realisiert haben wollen in Leipzig. Und warum gibt es keinen Bürgerentscheid? Sie sage, es gibt keine basisdemokratische Entscheidung. Sie haben schon entschieden, der Stadtrat, mit diesen drei Preisträgern, okay. Aber nun wollen wir Leipziger entscheiden, welcher von diesen dreien kommt zur Ausführung. Danke."