Entzauberung des Urheberrechts
Dass sich geistige Werke einem Besitzer zuordnen ließen, halten die Wissenschaftler Joost Smiers und Marieke van Schijndel für absurd. Ihre Streitschrift "No Copyright" ist ein Generalangriff auf den Mythos Urheberrecht, gegen den die Vorschläge der Piratenpartei harmlos wirken.
Der Ansatz ist radikal: Während andere seit Jahren darüber streiten, wie das Urheberrecht dem digitalen Zeitalter angepasst werden kann, wollen Joost Smiers und Marieke van Schijndel einfach kurzen Prozess machen. Das Urheberrecht – das verrät schon der Titel der Streitschrift "No Copyright" – gehört abgeschafft und zwar besser früher, als später, so das Credo des Politikwissenschaftlers und der Medienwissenschaftlerin. Das klingt verrückt und utopisch, doch so abwegig ist der Gedanke nicht. Denn beiden gelingt es schon auf den ersten Seiten, den Mythos "Urheberrecht" zumindest ansatzweise zu entzaubern.
Ihr Argument: Das Eigentum am geistigen Werk – und nichts anderes beinhaltet das Urheberrecht – war nie als Recht von Autoren oder Künstlern gedacht, sondern als eines von Druckern und Verlegern, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts damit ihre Druckprivilegien absicherten. Denn der Autor wurde nur deshalb zum Eigentümer seines Werkes gemacht, damit er dieses Recht zum Zwecke der profitablen Verwertung abtreten kann.
Die Folgen dieser Rechtskonstruktion halten Smiers und Schijndel für fatal. Anders als immer wieder suggeriert, entlarven sie das Urheberrecht als Gegner des freien Marktes. Ihrer Meinung nach führt es zu einer weltweiten Marktbeherrschung großer (Kultur)-Konzerne, zur Übermacht einer Bestseller- und Blockbuster-Kultur, die Vielfalt reduziert und die Mehrzahl der Künstler wirtschaftlich an die Seite drückt. Und sie sehen es als eine "Spielart von Zensur", weil alles, was mit Kunstwerken und Texten geschehen darf, von deren Eigentümern dominiert wird.
Doch nicht nur wegen der Folgen halten Smiers und Schijndel das Urheberrecht für falsch. Allein die Grundidee, dass sich ein Werk einem einzelnen Individuum als "Eigentum" zuordnen ließe, ist in ihren Augen absurd. Schließlich ist niemand im luftleeren Raum kreativ. Jeder wird inspiriert durch die Gesellschaft und durch die kulturellen Leistungen seiner Vorgänger. Deshalb halten die beiden auch jegliche Reformversuche für vergeblich – seien es Konzepte wie die Kulturflatrate, Fair-Use-Regeln oder Creative-Commons-Lizenzen.
Das Ganze ist schlüssig, engagiert und überzeugend geschrieben – und gleichzeitig ein Generalangriff gegen alle Konventionen. Die Vorschläge der Piratenpartei wirken dagegen harmlos. Bleibt die Frage, wie künstlerische und publizistische Leistung ohne das Urheberrecht finanziert werden soll. Auch hier bleiben die Autoren radikal. Mit echtem Wettbewerb und einem Markt ohne Großkonzerne kann der Verkauf kreativer Leistungen gelingen, so ihre These, die sie anhand verschiedener Fallbeispiele zu Ende denken. Für besonders aufwendige Kunst schlagen sie Sonderregelungen vor. Hier ist Fantasie gefragt, vor allem aber weitere Forschung, wie die Autoren selbst einräumen.
Besprochen von Vera Linß
Joost Smiers, Marieke van Schijndel: No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift
Aus dem Niederländischen von Ilja Braun
Alexander Verlag, Berlin 2012
168 Seiten, 9,95 Euro
Ihr Argument: Das Eigentum am geistigen Werk – und nichts anderes beinhaltet das Urheberrecht – war nie als Recht von Autoren oder Künstlern gedacht, sondern als eines von Druckern und Verlegern, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts damit ihre Druckprivilegien absicherten. Denn der Autor wurde nur deshalb zum Eigentümer seines Werkes gemacht, damit er dieses Recht zum Zwecke der profitablen Verwertung abtreten kann.
Die Folgen dieser Rechtskonstruktion halten Smiers und Schijndel für fatal. Anders als immer wieder suggeriert, entlarven sie das Urheberrecht als Gegner des freien Marktes. Ihrer Meinung nach führt es zu einer weltweiten Marktbeherrschung großer (Kultur)-Konzerne, zur Übermacht einer Bestseller- und Blockbuster-Kultur, die Vielfalt reduziert und die Mehrzahl der Künstler wirtschaftlich an die Seite drückt. Und sie sehen es als eine "Spielart von Zensur", weil alles, was mit Kunstwerken und Texten geschehen darf, von deren Eigentümern dominiert wird.
Doch nicht nur wegen der Folgen halten Smiers und Schijndel das Urheberrecht für falsch. Allein die Grundidee, dass sich ein Werk einem einzelnen Individuum als "Eigentum" zuordnen ließe, ist in ihren Augen absurd. Schließlich ist niemand im luftleeren Raum kreativ. Jeder wird inspiriert durch die Gesellschaft und durch die kulturellen Leistungen seiner Vorgänger. Deshalb halten die beiden auch jegliche Reformversuche für vergeblich – seien es Konzepte wie die Kulturflatrate, Fair-Use-Regeln oder Creative-Commons-Lizenzen.
Das Ganze ist schlüssig, engagiert und überzeugend geschrieben – und gleichzeitig ein Generalangriff gegen alle Konventionen. Die Vorschläge der Piratenpartei wirken dagegen harmlos. Bleibt die Frage, wie künstlerische und publizistische Leistung ohne das Urheberrecht finanziert werden soll. Auch hier bleiben die Autoren radikal. Mit echtem Wettbewerb und einem Markt ohne Großkonzerne kann der Verkauf kreativer Leistungen gelingen, so ihre These, die sie anhand verschiedener Fallbeispiele zu Ende denken. Für besonders aufwendige Kunst schlagen sie Sonderregelungen vor. Hier ist Fantasie gefragt, vor allem aber weitere Forschung, wie die Autoren selbst einräumen.
Besprochen von Vera Linß
Joost Smiers, Marieke van Schijndel: No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift
Aus dem Niederländischen von Ilja Braun
Alexander Verlag, Berlin 2012
168 Seiten, 9,95 Euro