Wie sich Dresden mit einer Brücke gründlich blamierte
Vor zehn Jahren wurde das Dresdner Elbtal wegen des Baus der "Waldschlösschenbrücke" von der Liste der Weltkulturerbestätten gestrichen. Das war eine kulturpolitische Blamage für die Stadt und für Deutschland.
In eleganten Bögen fließt die Elbe durch Dresden. Vorbei an der berühmten Altstadtsilhouette, flankiert von breiten, grünen Elbwiesen. Sanfte Hügel mit Weinbergen und drei pittoresken Schlössern erheben sich über der rechten Seite des Flusses. Eine malerische Kultur-Landschaft, die im Jahr 2004 wegen ihrer besonderen Schönheit in die Welterbe-Liste der UNESCO aufgenommen wird.
Doch schon zwei Jahre später gerät Dresden auf die Rote Liste. Es ist die Vorstufe zur Aberkennung des prestigeträchtigen Titels.
Anlass ist der Bau einer Brücke am Dresdner Waldschlösschen, deren Ursprungsidee ins 19. Jahrhundert zurückreicht. 1994 wird sie konkret. In der chronisch verstopften und staugeplagten sächsischen Landeshauptstadt wird die neue Elbquerung offiziell in einem Verkehrskonzept festgeschrieben. Zwei Jahre später wird vom mehrheitlich konservativ geprägten Stadtrat ihr Bau beschlossen.
Die Entscheidung spaltet, schafft tiefe Gräben in der Stadtgesellschaft, wie sich Eberhard Burger, der ehemalige Baudirektor der Frauenkirche Dresden, erinnert. Der Hauptvorwurf der Kritiker lautet, so Eberhard Burger, "dass die Brücke das Welt-Kulturerbe gefährdet und das Elbtal verschandelt."
Streit um Brücke und Fledermaus
Bei der Begutachtung durch die UNESCO sind die Brücken-Planungen zwar bekannt, werden aber fehlerhaft in den Unterlagen kartiert, was sich später folgenreich auswirken soll. Mit einer Veränderung der politischen Machtverhältnisse im Dresdner Stadtrat beginnt kommunalpolitisch ein zähes Ringen um den Bau.
Beschlüsse werden ausgesetzt, Gelder anderweitig verplant. Im Jahr 2005 initiieren CDU, FDP und der ADAC daher einen Bürgerentscheid, der mit einem deutlichen Votum von 67,9 Prozent für den Bau der Brücke endet.
Im November 2007 erfolgt der erste Spatenstich. Auch der Streit um eine kleine Fledermaus, der besonders schützenswerten kleinen Hufeisennase, hält den Bau nicht auf. Naturschützer und Brückengegner machen mobil. Massenproteste und Sitzblockaden, Besetzungen von Baugerät machen bundesweit Schlagzeilen. Der Streit um die Brücke reißt tiefe Gräben in die Stadtgesellschaft, spaltet Familien und Freundeskreise.
Er gipfelt medial Anfang 2008 im Kampf um die Rettung einer mehr als 200 Jahre alten Rotbuche, die für den Brückenbau weichen soll. Mitten in diesem Tumult versucht Frauenkirchen-Baudirektor Eberhard Burger mit einer Gruppe von sieben namhaften Dresdner Bürgern durch eine Verschlankung des Brücken-Entwurfs den Streit mit der UNESCO über die befürchtete Verschandelung der Elbkulturlandschaft zu entschärfen.
"Wir haben meines Erachtens ein gutes Ergebnis erreicht und haben das dann auch Vertretern der Weltkulturerbe-Kommission vorgestellt, und die sind aber meines Erachtens nach Dresden damals schon gekommen mit der großen vorgefassten Meinung, das Weltkulturerbe wird aberkannt. Die haben uns gar nicht richtig angehört."
Präzedenzfall in Dresden
Die Entscheidung des UNESCO-Welterbe-Komitees, kommt nicht überraschend und ist doch ein Schock. Am 25. Juni 2009 fallen die Würfel im spanischen Sevilla. Mit 14 zu 5 Stimmen bei zwei Enthaltungen entscheidet das Gremium, dem Dresdner Elbtal den Titel Weltkulturerbe abzuerkennen.
Zum ersten Mal wird damit einer europäischen Kulturerbe-Stätte der Status wieder genommen. Eine internationale Sensation und politische Blamage für Deutschland. Sachsens Kunstministerin und damalige Präsidentin des Nationalkomitees für Denkmalschutz, Eva-Maria Stange, spricht von einem schwarzen Tag für Dresden:
"Es geht nicht nur um einen Titel, es geht nicht nur um eine Marke, sondern es geht um ein universelles Erbe, das hier unter Schutz gestellt werden sollte für die zukünftigen Generationen."
Und die Bürger? Gut vier Jahre nach Aberkennung des Welterbe-Titels und viele Rechtsstreite später feiern sie am 26. August 2013 zu Tausenden die Fertigstellung und Eröffnung der Waldschlösschenbrücke auf der seitdem in den Sommermonaten ein Tempolimit von 30 km/h zugunsten der kleinen Hufeisennase gilt.