Enzo, Isabelle Bensidoun & Sébastien Jean: “Die irre Geschichte der Globalisierung”

Weltwirtschaft auf der Achterbahn

06:06 Minuten
Cover des Buchs “Die irre Geschichte der Globalisierung” von Enzo, Isabelle Bensidoun & Sébastien Jean.
© Jacoby & Stuart

Isabelle Bensidoun, Sébastien Jean, Mit Illustrationen von Enzo

Aus dem Französischen von Edmund Jacoby

Die irre Geschichte der GlobalisierungJacoby & Stuart, Berlin 2022

248 Seiten

24,00 Euro

Von Anne Kohlick |
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Kann man Finanzströme zeichnen? Die Weltwirtschaft in Sprechblasen erklären? Ein Autorenteam um die französische Ökonomin Isabelle Bensidoun überzeugt mit einer Geschichte der Globalisierung in Comic-Form.
“Ich möchte, dass es Regale nur mit Produkten ‘Made in France’ gibt.” Zehn Jahre ist es her, dass der damalige französische Wirtschaftsminister diese Forderung aufstellte. Aber wie viel Frankreich steckt überhaupt in Waren mit so einem Label?
Der neue Comic “Die irre Geschichte der Globalisierung” zeigt, dass dafür Fertigungsschritte en France im Wert von 45 Prozent des Produkts ausreichen - und dass selbst vermeintlich urfranzösische Güter wie Autos von Renault überwiegend im Ausland produziert werden.
Anhand solch alltagsnaher Beispiele macht das Autoren-Team greifbar, wie sich die Globalisierung auf uns alle auswirkt. Die Ökonomen Sébastien Jean und Isabelle Bensidoun haben das Buch konzipiert, ein Journalist des Magazins “Alternatives Économiques” hat unter dem Pseudonym Enzo die Zeichnungen beigesteuert. Alle drei tauchen als Figuren im Comic auf: Während Enzo die Position des klugen Fragenden einnimmt, erklären Bensidoun und Jean die Zusammenhänge.

Die drängendsten Probleme unserer Gegenwart

Jedes der 20 Kapitel des Buches widmet sich einer Frage. Angefangen bei: Gibt es überhaupt so etwas wie “Made in France”? Vom Beginn der Globalisierung im 19. Jahrhundert geht es bis hin zu den drängendsten Problemen unserer Gegenwart: Verträgt sich die Globalisierung mit Umweltschutz? Ist sie der Nährboden für Populismus?
In ihren Antworten beleuchten die Autoren sowohl Licht- als auch Schattenseiten der Globalisierung. So schildern sie einerseits, wie viel Geld Menschen in Europa sparen, weil sie Produkte aus Niedriglohnländern kaufen. Andererseits zeigen sie, wie seit der Jahrtausendwende zehntausende Fabrikarbeitsplätze in Frankreich verloren gingen - denn die Konkurrenz in China produziert billiger.
Das abstrakte Thema hat es dem Zeichner Enzo nicht leichtgemacht, Bilder zu den vielen Statistiken und Zitaten von Wirtschaftswissenschaftlern zu finden. Porträts von Finanzministern oder Ökonomen in klarem Strich wechseln sich mit Bildern von Container-Frachtschiffen oder Finanzhaien in reduzierten Blau- und Orangetönen ab.

Die Anzahl der zitierten Experten verwirrt

Ästhetisch überzeugt das, doch sprachlich hätten sich die Autoren weiter von einem Einführungshandbuch in die Volkswirtschaft entfernen können. Viele Sätze sind lang und komplex, die Menge der zitierten Experten verwirrt - auch wenn es am Schluss ein Quellenverzeichnis gibt.
Visuell und inhaltlich besticht der Comic am meisten, wo das Autorenteam sein globales Thema in unserer Lebenswelt sichtbar macht: etwa in den Straßenszenen, die Enzo von der nordfranzösischen Stadt Denain zeichnet, ein Ort, der zu den Verlierern der Globalisierung zählt. Die Ruine des 1988 geschlossenen Stahlwerks und die bis heute verwaiste Einkaufsstraße führen vor Augen, was 40 Prozent Armutsrate in einer Stadt bedeuten.
Doch Politik kann schnell radikale Veränderungen bewirken: Das habe die Pandemie gezeigt, argumentieren die Autoren am Ende ihres Comics. Sie plädieren für eine regulierte Globalisierung, von der in Zukunft vor allem Arbeitnehmer*innen und der Klimaschutz profitieren sollen. Für einen Wandel sei jetzt die Chance - denn in der „Serie Globalisierung” beginne nach Corona gerade eine neue Staffel.
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