Enzyklopädie

    Kleines Wörterbuch des Krieges

    Kämpfe außerhalb Mariupols (Aufnahme vom 4. September 2014)
    Was ist der Unterschied zwischen einem Waffenstillstand und einer Feuerpause? Diese und andere Begriffe erklärt unsere kleine Enzyklopädie. © afp / Philippe Desmazes
    Gaza, Ukraine, Irak, Syrien und anderswo: Die gegenwärtigen Kriege sind unübersichtlich. Die Sprache, in der wir darüber reden, ebenso. Diese Enzyklopädie sucht nicht die Wahrheit hinter der Propaganda, das Ziel ist bescheidener: Begriffe klären - und hohle Wörter aussortieren.
    Sprache ist in Zeiten militärischer Auseinandersetzungen immer auch Partei. Wann rollt ein "Hilfskonvoi", wann ein "Militärkonvoi" durch den Osten der Ukraine? Wie passen die Vokabeln "Terrororganisation" und "Islamischer Staat" zusammen? Sprechen wir im Gazastreifen von einem "Krieg" oder einem "Konflikt"; ist der "Waffenstillstand" dort noch eine "Feuerpause" oder schon "Frieden"? Ein kleines Wörterbuch des Krieges.
    "Armee" (Arno Orzessek)
    Nationalstaaten unterhalten "Armeen", na klar. Aber was ist mit den Milizen in der Ukraine? Oder den Kopfabschlägern im Irak? Auf der Suche nach einem ziemlich mehrdeutigen Begriff.
    "Bürgerkrieg" (Barbara Sichtermann)
    Menschen, die friedlich miteinander lebten, schlagen sich plötzlich die Köpfe ein: Das ist Bürgerkrieg. Gerade dieser Krieg ist kaum zu rechtfertigen - gespeist wird auch er von Machtinteressen und nicht durch ethnische oder religiöse Differenzen.
    "Feind" (Manfred Schneider)
    Auch wenn es in Kriegszeiten unvorstellbar scheint: Der aktuelle Feind kann später zum Freund werden. Deutschland und Frankreich sind ein berühmtes Beispiel für einen solchen Beziehungswandel.
    "Feuerpause" (Michael Opitz)
    Heute werden die Begriffe Feuerpause, Waffenstillstand oder Waffenruhe häufig gleichbedeutend verwendet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das noch anders. Von einer Feuerpause sprach man, wenn das Schießen mit einer Feuerwaffe für kurze Zeit unterbrochen wurde.
    "Frieden" (Herfried Münkler)
    Frieden ist als ein Zustand definiert, in dem organisierte Gewaltanwendung zur Durchsetzung politischer Ziele ausgeschlossen ist. Die Menschen können sich auf das Gewaltverbot verlassen, denn es gibt Strukturen und Akteure, die dafür sorgen, dass es eingehalten wird.
    "Gotteskrieger" (Michael Opitz)
    Der Begriff "Gotteskrieger" ist immer wieder zu hören. Dabei ist es höchst fragwürdig, Gewalt und Krieg mit religiösen Zielen zu rechtfertigen – aus verschiedenen Gründen. Nicht zu Unrecht war der "Gotteskrieger" bereits Unwort des Jahres.
    "Intervention" (Hans-Joachim Lenger)
    "Islamischer Staat" (Hans-Joachim Lenger)
    Zunächst ist der Begriff des Islamischen Staates ein Widersinn in sich. In ihm treten "Islam" und "Staat", das archaische Gesetz mit der Ratio einer neuzeitlichen Staatlichkeit wie in einer monströsen Montage auf.
    "Krieg" (Herfried Münkler)
    Der "Krieg" ist ein Sammelbegriff für recht unterschiedliche Formen politisch organisierter Gewaltanwendung. Seine Geschichte ist ein unendlicher Wettstreit neuer Taktiken und Waffen – mit dramatisch steigender Zerstörungskraft.
    "Krieger" (Manfred Schneider)
    Nach dem Kriegsrecht gilt nur der Soldat als regulärer Kämpfer: in erkennbarer Uniform einer zentralen Befehlsgewalt. Söldner, Privatsoldaten und Milizionäre als "Krieger" in Tarnanzügen ohne Hoheitszeichen gehören nicht dazu.
    "Rebell" (Barbara Sichtermann)
    In Zeiten der 68er ergriff er das Wort, heutzutage greift er zum Maschinengewehr: der Rebell. Ob in Syrien, Irak oder der Ukraine: Der Rebell ist der Beweis dafür, dass sich kriegerische Konflikt immer weiter deregulieren.
    "Schutztruppe"(Hans-Joachim Lenger)
    Sie soll für Sicherheit sorgen, das Aufflammen neuer Kämpfe vermeiden oder den Status quo absichern: die Schutztruppe. Dabei ist der Ursprung der Schutztruppe keineswegs nur friedlicher Natur.
    "Terroranschlag" (Manfred Schneider)
    Durch den Schock und den Tod unschuldiger Menschen verbreitet er Angst und Schrecken: der Terroranschlag. Und es ist die Macht der Bilder, auf die es der Attentäter abgesehen hat.
    "Terrorgruppe" (Hans-Joachim Lenger)
    In der Neuzeit wurde das Wort "Terror" mit der Französischen Revolution erstmals zu einem politischen Begriff. Heute können Terrorgruppen sogar transnationalen Charakter annehmen: wie die "Al Kaida".
    "Volksrepublik" (Barbara Sichtermann)
    Die russische Volksrepublik erwies sich als Diktatur. Und die pervertierte Legitimation der Diktatur ist die Gewalt. Die Geschichte der Volksrepubliken lässt nichts Gutes hoffen für die jüngste Volksrepublik in Europa, die im Osten der Ukraine, in Donezk ausgerufen wurde.
    "Zivilist" (Barbara Sichtermann)
    Einst gab es in Deutschland nichts Größeres als das Militär. Heute soll der Soldat so etwas wie ein Zivilist im Tarnanzug sein. Diese Vertauschung erzählt viel von der deutschen Geschichte und der Neubewertung des Kriegerischen.
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