Equal Pay Day

Vor allem auf dem Land herrscht Ungleichheit

Equal-Pay-Beraterin Freya Matthießen (links) zusammen mit Clara Billen vom Deutschen LandFrauenverband in der Stadtbücherei von Heide
Equal-Pay-Beraterin Freya Matthießen (links) zusammen mit Clara Billen vom Deutschen LandFrauenverband in der Stadtbücherei von Heide © Deutschlandradio / Johannes Kulms
Von Johannes Kulms |
Zwischen den Geschlechtern herrscht ein Lohngefälle von 21 Prozent in Deutschland. Darin erinnert der heutige "Equal Pay Day": Bei Vollzeit-Anstellung hätten die Frauen bis heute im Vergleich zu Männern ohne Lohn gearbeitet. Doch es gibt regionale Unterschiede.
Louise Gerkens Bücherregal ist bunt gemischt. Deutsche Titel stehen neben Büchern auf Schwedisch und Englisch. Die 44-Jährige spricht alle drei Sprachen fließend und arbeitet als freie Übersetzerin.
Gerken, die in Wirklichkeit anders heißt, greift nach einem schwedischen Buch. "Grattis! En bebis och ett drömjobb" lautet der Titel. Frei ins Deutsche übersetzt: "Herzlichen Glückwunsch! Ein Baby und ein Traumjob".
"Ich habe es gelesen, aber ich bezweifle, dass es wirklich so gut funktioniert", sagt Gerken. "Weil die Autorin ein Kind hat, das sie in Besprechungen mitnehmen kann. Das setzt sich daneben und spielt ruhig. Das machen meine nicht."

"'n Mann ist immer noch ein Mann"

Gerken hat mehrere Jahre im familienfreundlichen Schweden gelebt mit ihren zwei Kindern und ihrem schwedischen Freund. Seit anderthalb Jahren leben die vier nun in Deutschland in einer Kleinstadt nahe Neumünster. Seitdem tritt Louise Gerken auf der Stelle bei der Jobsuche. Ihr schwedischer Lebensgefährte ist als freier IT-Berater oft auf Dienstreise. Etwa zwei Wochen pro Monat bleibe sie alleine mit den Kindern zurück, sagt Gerken:
"Also, selbst als emanzipierter Schwede ist 'n Mann immer noch ein Mann, der die Sachen ganz anders erlebt. Und wenn wir Frauen uns vorarbeiten, müssen die Männer auch ein Stück ihr Leben umstellen. Und das fällt dem einen leichter und dem anderen eben nicht."

Das Gehalt schwankt

Gerken hat sieben Jahre als Lehrerin an einer Berufsschule gearbeitet. Wegen des steigenden Stress' kündigte sie am Ende die Beamten-Stelle und wagte später den Schritt in die Freiberuflichkeit. Nun fühlt sie sich wie in einer Falle. Ihr fehlt die Zeit für die Jobsuche. Zehn Stunden die Woche arbeitet sie derzeit als freie Übersetzerin. Doch das Gehalt schwankt. Und ist niedrig:
"Der Vorteil am Freiberuflichen ist ja, dass man keine Sozialabgaben zahlt. Also, alles was Altersversorgung angeht, das habe ich von mir geschoben. Da denke ich gar nicht drüber nach. Ich brauch' das Geld, was ich jetzt verdiene, das verbrauch' ich jetzt auch. Gut, die Krankenkasse zahle ich davon. Aber alles andere…"

Lohnunterschied von 21 Prozent

Der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern in Deutschland beträgt weiterhin 21 Prozent, so das Statistische Bundesamt. In Ostdeutschland sei die Lücke deutlich geringer, sagt Michaela Fuchs. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. In den westdeutschen Bundesländern sei es anders. Hier gebe es einen großen Einkommensunterschied zwischen den Städten und dem Land, erklärt sie:
"In Westdeutschland, da gibt's Regionen, wo die Frauen fast 40 Prozent weniger verdienen als die Männer…"

Gute Jobs findet man in den Städten

Viele gut bezahlte Jobs seien in den Städten. Doch diese blieben für viele Frauen vom Land nicht erreichbar. Denn häufig müssten sie sich um die Kinder kümmern, sagt Fuchs:
"Auf dem Land gibt's vielleicht nur wenig Arbeitgeber und dann haben die Frauen keine Auswahlmöglichkeit. Die müssen dann, wenn sie arbeiten wollen, zu dem Arbeitgeber und der diktiert die Konditionen."

Home-Office scheitert oft am Netz

Der Deutsche Landfrauenverband zählt rund 500.000 Mitglieder und vertritt die Interessen der Frauen im ländlichen Raum. Vielerorts sei die Kinderbetreuung nur schlecht ausgebaut oder weit entfernt. Zudem erschwere der schlechte Breitbandausbau auf dem Land das Arbeiten im Homeoffice, so der LandFrauenverband.
Seit mehreren Jahren schickt er "Equal Pay"-Beraterinnen durch die Republik. So wie Freya Matthießen, die an diesem Vormittag in die Stadtbücherei von Heide an der Schleswig-Holsteinischen Westküste gekommen ist.
"Und was man auch wissen muss: Hier in Deutschland gilt man nach vier Jahren, die man vom Arbeitsmarkt weg, ist als ungelernte Kraft. Ungelernt! Das heißt: Als wenn ich überhaupt keine Ausbildung hab!"

Die finanzielle Falle droht

Die 57-Jährige möchte die Frauen wachrütteln. Freya Matthießen will ihnen zeigen, dass sie schnell in eine finanzielle Falle tappen können und durch Arbeit in Teilzeit oder Minijobs die Altersarmut sehr wahrscheinlich wird:
"Man muss auch 'n bisschen aufgeschreckt werden mit einem Gefühl, ja, ich muss aufpassen, ich muss was tun, und ich kann auch was tun – das ist schon mein Ansinnen."
Etwa 20 Frauen sind zu dem Vortrag gekommen. Und ein Mann: Hans Otto-Umlandt, Kreisvorsitzender des Sozialverbands Dithmarschen.
"Und ich glaube, es ist auch noch 'n gesellschaftliches Thema, dass auf dem Land man einfach noch viel verhafteter in den alten Rollenbildern ist. Und Frauen auch nicht aufstehen und sagen: Ich will das anderes machen!"

Das männliche Rollenverständnis

Bis zur Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern sei es noch ein weiter Weg, glaubt er. Doch die Vorträge der Equal-Pay-Beraterinnen seien ein Schritt dahin. Und auch für Männer eine sehr wichtige Veranstaltung.
"Wo man sich auch als Mann immer wieder hinterfragen muss, wie ist eigentlich mein Rollenbild oder mein Rollenverständnis?"
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