"Er frisst halt dann die Bäume kahl"
Rasant verbreitet sich in Deutschland ein Tier, das Menschen juckende Pusteln zufügt und ganze Wälder entlaubt: Der Eichenprozessionsspinner. Für den bayerischen Waldschutz-Chef Ralf Petercord ist dieses Phänomen eine Folge der Erderwärmung.
Marietta Schwarz: Nicht Ameisen, nicht Zecken, nicht Mücken sind es, die in diesem Sommer bei vielen Wanderern, Campern oder Fahrradfahrern juckende Pusteln auf der Haut hinterlassen, sondern der Eichenprozessionsspinner. Wer ihn noch nicht zu spüren bekam, hat ihn vielleicht schon gesehen beziehungsweise die Spuren, die er hinterlässt: Alleen, die um diese Jahreszeit wunderschön aussehen sollten, kahl gefressen von den Raupen, ganze Abschnitte in Eichenwäldern, Winterstimmung mitten im Sommer.
Der Eichenprozessionsspinner eine Gefahr für den Menschen? Ja, aber eben auch für den Baumbestand. Als Chef für den Waldschutz in Bayern beschäftigt sich Ralf Petercord schon länger mit dem Eichenprozessionsspinner, denn neu, Herr Petercord, ist dieser Schädling ja gar nicht.
Ralf Petercord: Ja, Frau Schwarz, das stimmt. Neu ist er nicht. Er ist eine einheimische Art und die kam immer vor, hat auch schon mal auf den Roten Listen gestanden als ganz seltene Art – das glaubt man heute gar nicht mehr. Und wir erleben jetzt, dass seit Mitte der 90er-Jahre die Verbreitung deutlich zunimmt, und dieses Jahr hat es doch jetzt große Teile des Landes erfasst. Von Hamburg bis nach Niederbayern, überall kommt die Art jetzt vor. Es gibt natürlich auch Bereiche, wo noch nichts ist, in Thüringen oder in Sachsen, aber wir sehen doch eine deutliche Verbreitung.
Schwarz: Und warum hat er sich gerade jetzt so vermehrt?
Petercord: Das hat sicherlich was mit dem Klimawandel zu tun. Also es ist schon so, dass einfach die warmen Temperaturen ihm sehr nutzen, die Nahrungssituation wird für ihn besser. Die Eiche treibt früher aus, der Mai, die Frühjahrsmonate sind nicht mehr so kalt, das wirkt alles positiv auf ihn und so sehen wir schon, dass er größere Areale jetzt erobern kann, und genau mit den Auswirkungen, die Sie beschrieben haben: Er frisst halt dann die Bäume kahl.
Schwarz: Und viele Menschen klagen jetzt über Hautreizung, weil sie unter einem Baum saßen oder Ähnliches. Wie kommen die denn zu Stande?
Petercord: Die Larven produzieren solche Brennhaare, das ist natürliche Abwehr. Die fressen zusammen im Familienverband und werden immer größer und damit natürlich interessant für irgendwelche Räuber, Vögel als Nahrung, und da muss sich so eine Art natürlich was einfallen lassen. Die Evolution war da klug und hat Brennhaare produziert, und so sind die in der Lage, ab einer gewissen Größe – das ist das dritte Larvenstadium, so ab Mitte Mai – Brennhaare zu entwickeln, in denen ein Protein drinsitzt, und dieses Protein löst halt beim Menschen oder auch bei anderen Tieren allergische Reaktionen aus.
Schwarz: Sie sagen, Herr Petercord, der Klimawandel macht es möglich. Es gibt ja immer noch Leute, die behaupten, diesen Klimawandel gibt es gar nicht. Jetzt sieht man, dass da sich ein Tier vermehrt, was sich früher nicht vermehrt hat. Wie kann man dem denn jetzt Herr werden? Es geht ja um die deutsche Eiche…
Petercord: Die Eiche wird sich schon entsprechend anpassen, die lebt schon lange mit der Art und die Art hat es nicht geschafft, die auszurotten. Es ist auch nicht die Idee des Eichenprozessionsspinners, jetzt die Eiche niederzumachen.
Schwarz: Sondern?
Petercord: Aber ich kann Ihnen wirklich sagen, der Klimawandel ist ein Faktum. Wir sehen es nicht nur beim Eichenprozessionsspinner, sondern auch bei anderen Arten. Beim Eichenprozessionsspinner, sage ich mal, ist die Bevölkerung auch stärker betroffen. Wenn ein Borkenkäfer sich stärker vermehrt oder irgendein anderer Schmetterling, das fällt der Bevölkerung nicht so auf. Hier ist jetzt wirklich die Bevölkerung auch tatsächlich mal Opfer des Klimawandels, auch wenn es vielleicht nur ein harmloses Opfer ist. Wenn Sie an andere Auswirkungen denken, sind wir da sicherlich noch auf der glücklichen Seite. Aber der Klimawandel ist so ein Faktor und wir müssen uns einfach anpassen, und das gilt eben auch bei der Eiche. Das heißt, die Bevölkerung muss sich einfach dieser Gefahr bewusst werden, man muss ein bisschen Vermeidungsstrategien entwickeln und es gibt natürlich auch Bekämpfungsmöglichkeiten.
Schwarz: Aber Sie würden sagen, diese Bäume, die man jetzt im Sommer in einem ganz traurigen Anblick sieht, die Alleen mit den Bäumen, die fast keine Blätter mehr haben, die erholen sich da auf jeden Fall, wir müssen uns nicht fürchten darum?
Petercord: Ein Großteil der Bäume erholt sich auf jeden Fall. Es kommen noch andere Faktoren dazu. Ich sage jetzt mal, ein Alleebaum, der dann noch durch Sommertrockenheit getroffen wird, der ohnehin einen schlechten Wachstumsraum hat, einen schlechten Standort hat, der hat sicherlich größere Probleme, diese Schäden wieder auszugleichen. Aber in der Regel schafft der Baum das ganz gut. Der fängt dann an, adventiv neue Blätter zu bilden, Adventivknospen auszutreiben, und dann ist es eigentlich für den Baum kein Problem, wenn nicht noch andere Schadfaktoren dazukommen. Das erleben wir auch, zum Beispiel Mehltaubefall oder noch andere Schmetterlinge, die dann fressen. Dann kann es natürlich mal für die Eichen auch kritisch werden und dann müsste man eben auch Waldschutz- oder Pflanzenschutzmaßnahmen ergreifen, um die Pflanze zu schützen.
Schwarz: Was ja auch schon der Fall ist.
Petercord: Was auch schon der Fall ist. Wenn es ganz hart auf hart ist und wir sehen, die Vitalität der Bäume lässt dramatisch nach, dann greifen wir schon mal ein und versuchen, diese Bäume zu retten.
Schwarz: Ralf Petercord, Chef für den Waldschutz in Bayern, auch dort gibt es Regionen, die vom Eichenprozessionsspinner befallen sind. Herr Petercord, danke für das Gespräch!
Petercord: Ich danke fürs Gespräch! Auf Wiederhören, Frau Schwarz.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Informationen der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft zum Eichenprozessionsspinner
Der Eichenprozessionsspinner eine Gefahr für den Menschen? Ja, aber eben auch für den Baumbestand. Als Chef für den Waldschutz in Bayern beschäftigt sich Ralf Petercord schon länger mit dem Eichenprozessionsspinner, denn neu, Herr Petercord, ist dieser Schädling ja gar nicht.
Ralf Petercord: Ja, Frau Schwarz, das stimmt. Neu ist er nicht. Er ist eine einheimische Art und die kam immer vor, hat auch schon mal auf den Roten Listen gestanden als ganz seltene Art – das glaubt man heute gar nicht mehr. Und wir erleben jetzt, dass seit Mitte der 90er-Jahre die Verbreitung deutlich zunimmt, und dieses Jahr hat es doch jetzt große Teile des Landes erfasst. Von Hamburg bis nach Niederbayern, überall kommt die Art jetzt vor. Es gibt natürlich auch Bereiche, wo noch nichts ist, in Thüringen oder in Sachsen, aber wir sehen doch eine deutliche Verbreitung.
Schwarz: Und warum hat er sich gerade jetzt so vermehrt?
Petercord: Das hat sicherlich was mit dem Klimawandel zu tun. Also es ist schon so, dass einfach die warmen Temperaturen ihm sehr nutzen, die Nahrungssituation wird für ihn besser. Die Eiche treibt früher aus, der Mai, die Frühjahrsmonate sind nicht mehr so kalt, das wirkt alles positiv auf ihn und so sehen wir schon, dass er größere Areale jetzt erobern kann, und genau mit den Auswirkungen, die Sie beschrieben haben: Er frisst halt dann die Bäume kahl.
Schwarz: Und viele Menschen klagen jetzt über Hautreizung, weil sie unter einem Baum saßen oder Ähnliches. Wie kommen die denn zu Stande?
Petercord: Die Larven produzieren solche Brennhaare, das ist natürliche Abwehr. Die fressen zusammen im Familienverband und werden immer größer und damit natürlich interessant für irgendwelche Räuber, Vögel als Nahrung, und da muss sich so eine Art natürlich was einfallen lassen. Die Evolution war da klug und hat Brennhaare produziert, und so sind die in der Lage, ab einer gewissen Größe – das ist das dritte Larvenstadium, so ab Mitte Mai – Brennhaare zu entwickeln, in denen ein Protein drinsitzt, und dieses Protein löst halt beim Menschen oder auch bei anderen Tieren allergische Reaktionen aus.
Schwarz: Sie sagen, Herr Petercord, der Klimawandel macht es möglich. Es gibt ja immer noch Leute, die behaupten, diesen Klimawandel gibt es gar nicht. Jetzt sieht man, dass da sich ein Tier vermehrt, was sich früher nicht vermehrt hat. Wie kann man dem denn jetzt Herr werden? Es geht ja um die deutsche Eiche…
Petercord: Die Eiche wird sich schon entsprechend anpassen, die lebt schon lange mit der Art und die Art hat es nicht geschafft, die auszurotten. Es ist auch nicht die Idee des Eichenprozessionsspinners, jetzt die Eiche niederzumachen.
Schwarz: Sondern?
Petercord: Aber ich kann Ihnen wirklich sagen, der Klimawandel ist ein Faktum. Wir sehen es nicht nur beim Eichenprozessionsspinner, sondern auch bei anderen Arten. Beim Eichenprozessionsspinner, sage ich mal, ist die Bevölkerung auch stärker betroffen. Wenn ein Borkenkäfer sich stärker vermehrt oder irgendein anderer Schmetterling, das fällt der Bevölkerung nicht so auf. Hier ist jetzt wirklich die Bevölkerung auch tatsächlich mal Opfer des Klimawandels, auch wenn es vielleicht nur ein harmloses Opfer ist. Wenn Sie an andere Auswirkungen denken, sind wir da sicherlich noch auf der glücklichen Seite. Aber der Klimawandel ist so ein Faktor und wir müssen uns einfach anpassen, und das gilt eben auch bei der Eiche. Das heißt, die Bevölkerung muss sich einfach dieser Gefahr bewusst werden, man muss ein bisschen Vermeidungsstrategien entwickeln und es gibt natürlich auch Bekämpfungsmöglichkeiten.
Schwarz: Aber Sie würden sagen, diese Bäume, die man jetzt im Sommer in einem ganz traurigen Anblick sieht, die Alleen mit den Bäumen, die fast keine Blätter mehr haben, die erholen sich da auf jeden Fall, wir müssen uns nicht fürchten darum?
Petercord: Ein Großteil der Bäume erholt sich auf jeden Fall. Es kommen noch andere Faktoren dazu. Ich sage jetzt mal, ein Alleebaum, der dann noch durch Sommertrockenheit getroffen wird, der ohnehin einen schlechten Wachstumsraum hat, einen schlechten Standort hat, der hat sicherlich größere Probleme, diese Schäden wieder auszugleichen. Aber in der Regel schafft der Baum das ganz gut. Der fängt dann an, adventiv neue Blätter zu bilden, Adventivknospen auszutreiben, und dann ist es eigentlich für den Baum kein Problem, wenn nicht noch andere Schadfaktoren dazukommen. Das erleben wir auch, zum Beispiel Mehltaubefall oder noch andere Schmetterlinge, die dann fressen. Dann kann es natürlich mal für die Eichen auch kritisch werden und dann müsste man eben auch Waldschutz- oder Pflanzenschutzmaßnahmen ergreifen, um die Pflanze zu schützen.
Schwarz: Was ja auch schon der Fall ist.
Petercord: Was auch schon der Fall ist. Wenn es ganz hart auf hart ist und wir sehen, die Vitalität der Bäume lässt dramatisch nach, dann greifen wir schon mal ein und versuchen, diese Bäume zu retten.
Schwarz: Ralf Petercord, Chef für den Waldschutz in Bayern, auch dort gibt es Regionen, die vom Eichenprozessionsspinner befallen sind. Herr Petercord, danke für das Gespräch!
Petercord: Ich danke fürs Gespräch! Auf Wiederhören, Frau Schwarz.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Informationen der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft zum Eichenprozessionsspinner