"Er gehört zur Seele des Engländers"
Der Landschaftsmaler John Constable, der 1776 in Suffolk zur Welt kam und 1837 in London als einer der berühmtesten englischen Maler starb, ist erstmals in einer Einzelausstellung in Deutschland zu sehen.
Die Kathedrale von Salisbury, Hampstead Heath, Stonehenge, vor allem aber die kleinen verträumten Flusstäler unter einem oft dramatischen Wolkenhimmel - kein Wunder, dass John Constable einer der populärsten Maler Englands ist, dessen Popularität sich keineswegs nur auf die Museen beschränkt, so der Direktor der Stuttgarter Staatsgalerie, der Brite Sean Rainbird:
"Man kann die Popularität von John Constable in England gar nicht übertreiben. Vor ein paar Jahren gab es bei der National Gallery eine Auswahl von Objekten - so ist es am besten gesagt -, die mit ihm zu tun haben, also die ganzen Schokoladentafeln, die mit Constable-Bildern überzogen sind, oder Teebeutel, oder alles, was man sich vorstellen kann von Kitschobjekten bis zu Nutzobjekten. Er gehört zur Seele des Engländers, und es sind alles Eigenschaften des Urengländers, könnte man sagen."
Und auch für den deutschen Besucher, der nicht ein ausgesprochener England-Fan ist, können diese Landschaften reizvoll sein, denn Constable gelingt es, dem Wesen der Natur auf die Spur zu kommen, daher verzichtet er auch weitgehend auf die zu seiner Zeit übliche Staffage von arbeitenden Bauern oder müßigen Spaziergängern. Christofer Conrad, der die Ausstellung in Stuttgart betreut:
"Constable ist sicher ein Maler, der wie kein zweiter zum Wesen der Dinge und zum Wesen der Natur vordringt. Das teilt sich auch dem modernen Betrachter ganz unmittelbar mit. Ich hatte jetzt die Gelegenheit, mit einigen Menschen zu sprechen, die keine Constable-Kenner sind, die den Namen nicht einmal kannten, und nachdem sie nur wenige seiner Werke gesehen haben, sind sie hingerissen von diesen Bildern, und ich hoffe, dass viele unserer Besucher hingerissen sein werden, nachdem sie diese Ausstellung. Es ist große Naturmalerei, es ist aber vor allen Dingen ganz große Ölmalerei in der besten Tradition, die wir im Abendland zu bieten haben. Als Ahnherren sind wirklich Tizian, Tintoretto und Rubens zu nennen."
Dieses Wesen der Natur aber, und das mag wie ein Widerspruch klingen, erfasste er, indem er Details wegließ. Constable fing zwar noch als Maler des 18. Jahrhunderts an, studierte Gainsborough, und glaubte, seinen verehrten Vorgänger in jedem Baum wieder zu erkennen, aber zunehmend beschränkte er sich auf Andeutungen, gerade in dem Metier, das er zur Vollendung bringen sollte, der Ölskizze. Natürlich skizzierte auch er mit Bleistift oder Feder, aber immer häufiger mit Ölfarbe. Das Resultat: Bereits die Skizze, in der Natur entstanden, ist ein vollgültiges Bild.
"Er steht in der Nachfolge aller großen Skizzenmaler von Tintoretto über Rubens bis hin zu Tiepolo. Seine Skizzen sind für uns fertige Kunstwerke, was natürlich mit einem Paradigmenwechsel im 19. Jahrhundert zu tun hat, das besonders durch die Seherfahrung mit den Werken der französischen Impressionisten dem Unfertigen einen weitaus höheren Stellenwert zugebilligt hat, als das zuvor überhaupt möglich war."
Genau dieses Unfertige, das Kurator Christofer Conrad anspricht, lässt diesen Maler, der noch ganz in der Tradition des 18. Jahrhunderts verwurzelt ist, aus heutiger Sicht geradezu modern wirken. Wenn Constable einen kleinen Bach unter einer Brücke hervorsprudeln lässt, dann malt er nicht das fließende Wasser, dann begnügt er sich mit ein paar Farbtupfern. Das ist kein detailliertes Porträt dessen, was er vor sich sah, sondern ein Bild, das mit dem Mittel der Andeutung entstanden ist. Dadurch wirken seine Bilder oft auch grob, alles andere als fein mit dem Pinselstrich auf die Leinwand gebracht. Das trug ihm von seinen Zeitgenossen durchaus Kritik ein, bringt ihn uns heute aber sehr nahe.
Zum Beispiel seine große Ölskizze zum Gemälde "Das Springende Pferd" - "The Leaping Horse". Die Stuttgarter Ausstellung zeigt das fertige Gemälde und daneben die gleichgroße, kurz zuvor entstandene Ölskizze, wobei man sich scheut, hier von Skizze zu reden bei einem Format von 1,40 mal 1,80! Aber während auf dem fertigen Bild alles perfekt gemalt ist, lebt die Skizze von jenen Andeutungen mit dem groben Pinsel.
"Die Skizze vom 'Leaping horse' ist für mich eine Art Giacommetti-Gemälde. Es geht überhaupt nicht um Vollendung, es geht um den malerischen Prozess. Dagegen ist das fertige Bild immer noch faszinierend, allerdings fehlt die Prozesshaftigkeit, die die Vorstudie so spannend macht - dem Maler sozusagen zuzusehen beim Ringen um das Sujet. Ich denke, der Vergleich von größengleicher Skizze und ausgeführtem Ausstellungsbild macht deutlich, dass Skizzieren Constables eigentliches Idiom war."
Constable brauchte gleichwohl die fertigen Gemälde, denn nur ein fertiges Bild war zu seiner Zeit in einer Ausstellung präsentabel. Hierin war er noch ganz der Ästhetik seiner Zeit verhaftet, aber die Skizze ist ungleich lebendig, und sie zeigt den eigentlichen Constable. Das sieht man vor allem an seinen Himmelsszenen. Seine Wolkenbilder sind hochdramatische Szenen, da braucht er kaum noch die Landschaft darunter, da wirkt er manchmal fast schon abstrakt. So zeigt die Ausstellung, gerade weil sie "nur" die Ölskizzen präsentiert, den eigentlichen Constable, und der müsste gerade deswegen auch ein deutsches Publikum ansprechen.
Informationen der Staatsgalerie Stuttgart zur Ausstellung "John Constable - Maler der Natur"
"Man kann die Popularität von John Constable in England gar nicht übertreiben. Vor ein paar Jahren gab es bei der National Gallery eine Auswahl von Objekten - so ist es am besten gesagt -, die mit ihm zu tun haben, also die ganzen Schokoladentafeln, die mit Constable-Bildern überzogen sind, oder Teebeutel, oder alles, was man sich vorstellen kann von Kitschobjekten bis zu Nutzobjekten. Er gehört zur Seele des Engländers, und es sind alles Eigenschaften des Urengländers, könnte man sagen."
Und auch für den deutschen Besucher, der nicht ein ausgesprochener England-Fan ist, können diese Landschaften reizvoll sein, denn Constable gelingt es, dem Wesen der Natur auf die Spur zu kommen, daher verzichtet er auch weitgehend auf die zu seiner Zeit übliche Staffage von arbeitenden Bauern oder müßigen Spaziergängern. Christofer Conrad, der die Ausstellung in Stuttgart betreut:
"Constable ist sicher ein Maler, der wie kein zweiter zum Wesen der Dinge und zum Wesen der Natur vordringt. Das teilt sich auch dem modernen Betrachter ganz unmittelbar mit. Ich hatte jetzt die Gelegenheit, mit einigen Menschen zu sprechen, die keine Constable-Kenner sind, die den Namen nicht einmal kannten, und nachdem sie nur wenige seiner Werke gesehen haben, sind sie hingerissen von diesen Bildern, und ich hoffe, dass viele unserer Besucher hingerissen sein werden, nachdem sie diese Ausstellung. Es ist große Naturmalerei, es ist aber vor allen Dingen ganz große Ölmalerei in der besten Tradition, die wir im Abendland zu bieten haben. Als Ahnherren sind wirklich Tizian, Tintoretto und Rubens zu nennen."
Dieses Wesen der Natur aber, und das mag wie ein Widerspruch klingen, erfasste er, indem er Details wegließ. Constable fing zwar noch als Maler des 18. Jahrhunderts an, studierte Gainsborough, und glaubte, seinen verehrten Vorgänger in jedem Baum wieder zu erkennen, aber zunehmend beschränkte er sich auf Andeutungen, gerade in dem Metier, das er zur Vollendung bringen sollte, der Ölskizze. Natürlich skizzierte auch er mit Bleistift oder Feder, aber immer häufiger mit Ölfarbe. Das Resultat: Bereits die Skizze, in der Natur entstanden, ist ein vollgültiges Bild.
"Er steht in der Nachfolge aller großen Skizzenmaler von Tintoretto über Rubens bis hin zu Tiepolo. Seine Skizzen sind für uns fertige Kunstwerke, was natürlich mit einem Paradigmenwechsel im 19. Jahrhundert zu tun hat, das besonders durch die Seherfahrung mit den Werken der französischen Impressionisten dem Unfertigen einen weitaus höheren Stellenwert zugebilligt hat, als das zuvor überhaupt möglich war."
Genau dieses Unfertige, das Kurator Christofer Conrad anspricht, lässt diesen Maler, der noch ganz in der Tradition des 18. Jahrhunderts verwurzelt ist, aus heutiger Sicht geradezu modern wirken. Wenn Constable einen kleinen Bach unter einer Brücke hervorsprudeln lässt, dann malt er nicht das fließende Wasser, dann begnügt er sich mit ein paar Farbtupfern. Das ist kein detailliertes Porträt dessen, was er vor sich sah, sondern ein Bild, das mit dem Mittel der Andeutung entstanden ist. Dadurch wirken seine Bilder oft auch grob, alles andere als fein mit dem Pinselstrich auf die Leinwand gebracht. Das trug ihm von seinen Zeitgenossen durchaus Kritik ein, bringt ihn uns heute aber sehr nahe.
Zum Beispiel seine große Ölskizze zum Gemälde "Das Springende Pferd" - "The Leaping Horse". Die Stuttgarter Ausstellung zeigt das fertige Gemälde und daneben die gleichgroße, kurz zuvor entstandene Ölskizze, wobei man sich scheut, hier von Skizze zu reden bei einem Format von 1,40 mal 1,80! Aber während auf dem fertigen Bild alles perfekt gemalt ist, lebt die Skizze von jenen Andeutungen mit dem groben Pinsel.
"Die Skizze vom 'Leaping horse' ist für mich eine Art Giacommetti-Gemälde. Es geht überhaupt nicht um Vollendung, es geht um den malerischen Prozess. Dagegen ist das fertige Bild immer noch faszinierend, allerdings fehlt die Prozesshaftigkeit, die die Vorstudie so spannend macht - dem Maler sozusagen zuzusehen beim Ringen um das Sujet. Ich denke, der Vergleich von größengleicher Skizze und ausgeführtem Ausstellungsbild macht deutlich, dass Skizzieren Constables eigentliches Idiom war."
Constable brauchte gleichwohl die fertigen Gemälde, denn nur ein fertiges Bild war zu seiner Zeit in einer Ausstellung präsentabel. Hierin war er noch ganz der Ästhetik seiner Zeit verhaftet, aber die Skizze ist ungleich lebendig, und sie zeigt den eigentlichen Constable. Das sieht man vor allem an seinen Himmelsszenen. Seine Wolkenbilder sind hochdramatische Szenen, da braucht er kaum noch die Landschaft darunter, da wirkt er manchmal fast schon abstrakt. So zeigt die Ausstellung, gerade weil sie "nur" die Ölskizzen präsentiert, den eigentlichen Constable, und der müsste gerade deswegen auch ein deutsches Publikum ansprechen.
Informationen der Staatsgalerie Stuttgart zur Ausstellung "John Constable - Maler der Natur"