"Er hat die Sache über die Person gestellt"

Peter Altmaier im Gespräch mit Gabi Wuttke |
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, hat den schnellen Rücktritt des früheren Verteidigungsministers Franz-Josef Jung gelobt. Jung habe die Sache über die Person gestellt, sagte Altmaier.
Gabi Wuttke: Chapeau, riefen Union und FDP, nachdem Franz Josef Jung gestern seinen Hut genommen hatte. Von Verantwortung war die Rede, von Kollegialität, von Mitgefühl mit dem ehemaligen Verteidigungsminister wohlgemerkt, nicht mit den Opfern der Bombardierung in Kundus.

Am Telefon ist jetzt der Christdemokrat Peter Altmaier, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag. Guten Morgen, Herr Altmaier!

Peter Altmaier: Guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Zunächst hatte Franz Josef Jung ja noch versucht sich zu halten – brauchte es große Überredungskunst, ihn vom Gegenteil zu überzeugen?

Altmaier: Nein, ich glaube, dass Franz Josef Jung am Ende gesehen hat, dass er mit seinem Rücktritt Schaden auch von der Bundeswehr und ihren Soldaten abwenden kann. Er hat also die Sache über die Person gestellt, und das verdient großen Respekt.

Wuttke: Das Ende war das Gespräch mit Angela Merkel?

Altmaier: Ja, und ich glaube, dass es auch richtig war, dass es keine tage- und wochenlangen Personaldiskussionen und -debatten gegeben hat. Wir sind in einer ganz schwierigen Situation, wir wollen in der nächsten Woche das Mandat für Afghanistan verlängern. Wir brauchen auch für diesen wichtigen und schwierigen Einsatz, der unter kriegsähnlichen Bedingungen stattfindet, eine breite parlamentarische Mehrheit, und deshalb ist es ganz wichtig, dass wir jetzt nach vorne schauen, dass wir aber auch deutlich machen, dass es uns an einer vollständigen Aufklärung und Transparenz gelegen ist.

Es muss geklärt werden, wie es zu den Informationspannen und möglicherweise auch Unkorrektheiten gekommen ist, und das hat, glaube ich, der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gestern sehr eindrucksvoll. Und das ist aus meiner Sicht auch eine gute Basis dafür, dass wir den parteiübergreifenden Konsens in dieser Frage aufrechterhalten können.

Wuttke: Aber Herr Altmaier, diese Bundesregierung braucht doch in vielerlei Hinsicht jetzt Ruhe im Karton, nicht nur was das Thema Afghanistan anbelangt. Nun wird es eine bundespolitisch völlig unbeleckte hessische Politikerin als neue Familienministerin geben. Gerade weil auch die Kanzlerin nicht so richtig weiß, wie sie sich beim Betreuungsgeld aufstellen soll, ist doch eine Strategin in diesem Ressort gefragt, sonst wird sie doch von Horst Seehofer zum Frühstück gegessen?

Altmaier: Ich habe mir heute Morgen mal die Pressereaktionen angeschaut, und ich muss sagen, da ist überwiegend Respekt davor, wie Angela Merkel diese Situation schnell gemeistert hat. Wir können uns auf gar keinen Fall erlauben, tage- oder wochenlange Ungewissheit über die Frage, wer für welchen Politikbereich verantwortlich ist. Es gibt großen Respekt dafür, dass Ursula von der Leyen nun das wichtigste Sozial…, das wichtige Sozialressort übernommen hat …

Wuttke: Was sie eigentlich auch gar nicht wollte.

Altmaier: Und ich kenne Kristina Köhler aus vier Jahren im Innenausschuss, wo ich Staatssekretär im Innenministerium war, und ich weiß, dass sie eine sehr engagierte, sehr kompetente Abgeordnete ist, die im Übrigen auch in verschiedenen Funktionen bereits gezeigt hat, dass sie mit neuen Erfahrungen umgehen kann. Ich bin überzeugt, dass Kristina Köhler diese Aufgabe meistern wird.

Wuttke: Aber das Meistern in der Not ist doch keine wirkliche Strategie.

Altmaier: Nein, die Strategie, die muss ja politisch von der Regierungsspitze, von der Fraktion gemeinsam erarbeitet werden, dafür haben wir den Koalitionsvertrag als Grundlage, und wir werden in den nächsten Monaten vor der Aufgabe stehen, zu priorisieren, das heißt zu bestimmen, welche Aufgaben vorrangig angegangen werden müssen.

Sie wissen, dass wir das Wachstumsbeschleunigungsgesetz bereits im Bundestag eingebracht haben, das soll und wird auch am 1. Januar in Kraft treten. Und dann müssen wir sehr schnell überzeugend klarmachen, in welcher Reihenfolge wir uns die nächsten Schritte vorstellen. Ich bin überzeugt, dass wir dann auch das notwendige Vertrauen in die Regierungsarbeit darstellen können, weil die Menschen sehen, dass wir über ein klares Konzept verfügen und …

Wuttke: Herr Altmaier, wenn ich Sie kurz unterbrechen darf: Das, was die Menschen im Augenblick sehen, ist doch, dass zwei Parteien regieren, die sich aneinander vor langer Zeit versprochen haben, aber anders als in einer Vernunftehe bislang keine politische gemeinsame Vision entwickeln konnten.

Altmaier: Ich denke, dass diese Vision sichtbar werden wird im neuen Jahr. Es gibt und gab in den letzten Wochen Schwierigkeiten, wie es sie auch übrigens in dem letzten Jahr der Großen Koalition gegeben hat. Und ich glaube, das hängt auch damit zusammen, dass wir uns in der schwersten Wirtschaftskrise befinden, die diese Republik je erlebt hat. Und das bedeutet, dass wir an allen Ecken und Enden vor schwierigen Herausforderungen und Entscheidungen stehen.

Wolfgang Schäuble hat angekündigt, dass wir ab 2011 jedes Jahr etwa zehn Milliarden DM konsolidieren müssen – es ist eine gewaltige Summe –, und deshalb ist es ganz klar, dass sich eine solche neue Koalition auch zusammenraufen muss. Ich bin als Parlamentarischer Geschäftsführer mit meinem Kollegen von der FDP mir völlig einig, dass wir diese Koalition auch auf eine emotionale politische Basis stellen müssen in der Zusammenarbeit der Beteiligten, denn die Menschen erwarten von uns zurecht Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit.

Wuttke: Aber jenseits der Wirtschaftskrise wird Wolfgang Schäuble doch konterkariert, wenn am Tag nach dem Rücktritt von Franz Josef Jung es sich der Bundesgesundheitsminister von der FDP nicht klemmen kann, darauf hinzuweisen, dass die Krankenversicherung teurer wird und darüber nachdenkt, ob die Praxisgebühr abgeschafft werden soll. Da wird doch die Union am Nasenring geführt.

Altmaier: Nein, die Union ist in den letzten vier Jahren in der Großen Koalition nicht am Nasenring geführt worden, und es wird nach meiner festen Überzeugung auch künftig nicht vorkommen. Wir haben ganz klare Absprachen in der Koalitionsvereinbarung, daran fühlen wir uns gebunden und werden auch darauf bestehen, dass sich andere daran gebunden fühlen.

Im Übrigen ist es so, dass wir uns im Augenblick in einer Phase befinden, wo die Politik auf Sicht fahren muss, weil niemand weiß, wann wir die Krise überwunden haben, wann die positiven Entwicklungen beim Wachstum auch durchschlagen auf die Staatseinnahmen …

Wuttke: Aber da muss ich Sie jetzt noch mal unterbrechen, denn wir sind bei einem Thema jenseits der Wirtschaftskrise, und die Frage ist: Wie stehen Sie dazu, dass Philipp Rösler jetzt damit kommt, dass die Krankenversicherung teurer wird und die Praxisgebühr infrage gestellt wird - das kann Ihnen doch als Unionspolitiker nicht passen?

Altmaier: Nun, wir haben … Philipp Rösler ist verantwortlich für seinen Bereich der Gesundheitspolitik, aber die Frage der Abschaffung der Kassengebühr ist im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen, und ich habe ihn auch nicht so verstanden, dass er sich diese, so eine kurzfristige Maßnahme wünscht.

Wuttke: Im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion Peter Altmaier zum Zustand der Bundesregierung im Allgemeinen und Speziellen. Herr Altmaier, vielen Dank für dieses Gespräch und ein schönes Wochenende!

Altmaier: Ich danke Ihnen, Frau Wuttke!