"Er hat niemals die Tasten eines PCs angerührt"
Konrad Zuses erste Rechenapparate aus den 1930er Jahren weisen "eine unglaublich hohe logische Ähnlichkeit mit modernen PCs" auf, sagt sein Sohn Horst. Doch gemocht habe er die modernen PCs nie. Zuse wäre am 22. Juni 100 Jahre alt geworden.
Katrin Heise: Aus Abneigung gegen statische Berechnungen erfand der damalige Bauingenieur Konrad Zuse Ende der 30er-Jahre das Konzept des Computers. Bis zum ersten Computer war es dann natürlich noch ein weiter, steiniger Weg, erst war es ein mechanisch arbeitendes Gerät, dann eins mit Telefonrelais und schließlich der Z3, der erste programmierbare, binär, also mit 0 und 1 arbeitende Computer. Das Patentgericht erkannte Konrad Zuse nicht als den Erfinder des Computers an, und wenn man heute mal rumfragt, wo und von wem der erdacht wurde, dann bekommt man meist die USA als Antwort, manchmal sogar Bill Gates. Morgen wäre der Pionier des Computers 100 Jahre alt geworden und aus diesem Anlass grüße ich seinen Sohn Horst Zuse, selber Professor für Informatik, sehr herzlich als Gast hier im "Radiofeuilleton", schönen guten Tag, Herr Zuse!
Horst Zuse: Guten Tag!
Heise: Legendär sind ja die Tüfteleien Ihres Vaters, schon im Hause seiner Eltern, heißt es, mit Alltagsgegenständen wie zum Beispiel dem Staubsauger, der hat ja wohl auch den ersten Rechner angetrieben. War Ihr Vater also durch und durch so ein Bastler, immer bereit, irgendwo rumzuschrauben?
Zuse: Er war mehr als ein Bastler. Natürlich, als er die Maschine gebaut hat, die Z1 1936, das kann man schon als Bastelei bezeichnen. Er war aber gleichzeitig ein sehr gut ausgebildeter Ingenieur, er hatte gleichzeitig ein sehr wohl definiertes abstraktes Denken und Visionen. Und das hört sich immer so an, als wenn er die Maschinen gebastelt hat. Das stimmt, aber er hat auch den mathematischen Hintergrund für seine Maschinen geliefert und er hat Visionen gehabt ganz eindeutig. Und das ist eine Gabe, die eigentlich relativ selten ist, verbunden noch mit einer Kunstrichtung. Also er hat die ...
Heise: ... denn er hat auch noch gemalt ...
Zuse: ... ja, er hat ja dann die letzten 40 Jahre sehr viele Bilder in Öl gemalt und ich denke, dass die Eleganz seiner Maschinen damit auch zusammenhängt. Denn wenn man malt, muss es optisch schön sein.
Heise: Wie war er zu Hause, also im Familienhaushalt, hat er da jetzt über große Erfindungen mal, also davon mal abgesehen, hat er da eigentlich auch immer so sein Talent eingesetzt, gab es da viele erleichternde Maschinen?
Zuse: Nein. Er hat in seinem Sessel gesessen und hat viele wissenschaftliche Zeitungen, Zeitschriften gelesen und wenn man immer denkt, er hätte sofort einen PC benutzt, als der auf den Markt kam: Nein! Er hat niemals die Tasten eines PCs angerührt.
Heise: Warum denn?
Zuse: Niemals. Ich weiß nicht genau, warum. Ich denke, er hat seine eigenen Maschinen mehr geliebt als diesen PC 1994, '95, und das war ja auch noch nicht so berauschend. Es gibt ein schönes Foto, wo er also die ausgestreckte Zunge einem PC zeigt, und das zeigt seine Abneigung gegenüber diesen Maschinen.
Heise: Aber Abneigung, aber er hat ihnen getraut, oder? Denn ich meine, sie sind in seinem Geist entstanden?
Zuse: Ja richtig, wenn man die Architektur der Zuse-Maschinen mit heutigen modernen PCs vergleicht, ist es wirklich erstaunlich, dass die eine unglaublich hohe logische Ähnlichkeit mit modernen PCs haben, also seine ersten Rechner. Ich glaube, das ist auch ein Grund für seine Berühmtheit heute und dass er geehrt wird, weil er 1936 wirklich, ich sag mal salopp, den richtigen Riecher hatte, wie solche Maschinen eigentlich aussehen müssen. Aber er mochte ihn nicht, den PC, nein er mochte ihn nicht!
Heise: Wenn Sie von ihm sprechen und eben auch so ein bisschen weiter gefasst geschildert haben, wie Ihr Vater war, also was sich da alles in ihm vereinigte, nun lassen Sie uns doch noch mehr so hinterblicken, was für ein Mensch war er, was für ein Charakter?
Zuse: Ach, er war sehr in sich gekehrt, er war kreativ, er hat eine Besessenheit gehabt, er war Visionär, ein ausgezeichnetes räumliches Denken war bei ihm vorhanden. Und ja was er nicht mochte, war Smalltalk, das konnte er nicht, und was er auch nicht konnte, das kann ich ruhig offen sagen: Also wenn die Kinder, wir waren ja fünf, in der Schule Probleme hatten, also das hat er nicht verstanden.
Heise: Das heißt also, Ihr Vater hat nicht unbedingt jetzt mit viel Interesse zu Hause den Weg seiner Kinder verfolgt und ihnen da immer wieder die Basis, das Interesse am Rechner, am Rechnen oder am eben Tüfteln mitgegeben?
Zuse: Also den Kindern, Rechner und Rechnen zu Hause, das hat er nicht vermittelt. Natürlich hat er gemerkt wegen der vielen berühmten Leute, die uns ständig besucht haben, dass er ein besonderer Mensch ist. Eigentlich habe ich davon am meisten profitiert, weil ich ab 1949 immer mit in die Zuse KG gehen durfte, und das war eine Firma, die an der Forschungsfront gearbeitet hat. Und die Mitarbeiter haben mir gezeigt, wie das geht mit den Relais und Transistoren und Röhren und was alles.
Heise: Wie alt waren Sie damals?
Zuse: Da war ich so fünf, sechs Jahre alt. Und mein Vater hat die Anweisung an den Leiter des Lagers, Herrn Druppe, gegeben: Alles, was wir nicht brauchen, packen Sie in mein Auto für meinen Sohn!
Heise: Damit der herumschrauben kann ...
Zuse: ... und da war die Garage halbvoll und damit habe ich meine Märklin-Eisenbahn programmgesteuert damals als Zwölfjähriger.
Heise: Sie haben, wenn Sie das so beschreiben, doch eine ganze Menge profitiert von diesem ...
Zuse: ... ja ...
Heise: ... von diesem Tüftelnwollen, Ihr Vater, wo Sie damals in der Nähe von Fulda wohnten, hat das insofern gefallen, dass er also auch noch gesagt hat, Richtung Informatik und dann TU Berlin hat er Sie empfohlen. Wie war das eigentlich für Sie selber, als Sohn des berühmten Konrad Zuse, war das immer so ein Schatten, der da auch ein bisschen schwer auf Ihnen lastete?
Zuse: Man muss mit dem Schatten eines berühmten Vaters umgehen können. Ich glaube, ich habe es richtig gemacht, weil erst mal war ich weg, weit weg von zu Hause, also Berlin – Hünfeld, also 600 Kilometer, damals acht Stunden Fahrt. Und dann müssen Sie zeigen, was Sie im Kopf haben. Sie dürfen nie etwas machen wie mit einem berühmten Namen Karriere machen zu wollen, das dürfen Sie nie! Also habe ich gezeigt, was ich selbst kann, habe Bücher geschrieben, Veröffentlichungen gemacht, Softwaresysteme gebaut und so weiter, und so weiter.
Heise: Zu Gast im "Radiofeuilleton" der Informatiker Horst Zuse, sein Vater Konrad Zuse gilt als Pionier der Computertechnik und er wäre morgen 100 Jahre alt geworden. Ihr Vater, Herr Zuse, wurde ja vom Patentgericht nicht als der Erfinder des Computers anerkannt. Hat ihn das eigentlich schwer getroffen?
Zuse: Na ja, er hat das Patent auf seine Z3 nicht bekommen, das Patentgericht hat nicht gesagt, dass er nicht der Erfinder – man muss immer dazu sagen: Erfinder und Konstrukteur – der ersten programmgesteuerten Rechenmaschine ist. Sie haben ihm die Neuheit anerkannt und den Fortschritt anerkannt, aber sie haben ihm die Erfindungshöhe nicht anerkannt. Das ist übel für einen Erfinder, weil er dann eigentlich nichts erfunden hat. Man kann es vielleicht so interpretieren, dass die Patentrichter sagten, er hat eigentlich nichts Neues entwickelt, weil es Telefonrelais, Schrittschalter, Lochstreifen, Lampendrähte alles schon gab; nur dass dieser Konrad Zuse das zu einer vollkommen neuen Maschine zusammengebaut hat, das war anscheinend nicht patentwürdig damals.
Heise: 1936 war das, als er diese Z1 beziehungsweise dann die beiden Nachfolgemodelle dann auch in den kommenden Jahren erfunden, konstruiert, gebaut hat. Während des Krieges war er ein gefragter Mann, die Hitler-Waffenindustrie interessierte sich beispielsweise dafür. Wieweit war Ihr Vater ein Nutznießer der Nazis?
Zuse: Ach, die Hitler-Waffenindustrie hat sich gar nicht so sehr für ihn interessiert. Ganz wichtig ist erst mal zu sagen, die Z1, also die erste von 1936 war weder ein Auftrag der Nazis, noch ein Auftrag der Henschel-Flugzeugwerke, es war eine private Idee. Ganz schlicht und einfach privat und privat finanziert. So, dann hat er natürlich seine Heimat bei den Henschel-Flugzeugwerken gehabt, wo er ja auch bis 1935 eine Stelle hatte, die er dann gekündigt hat, und das war natürlich irgendwie seine Heimat. Und die Herren dort haben sich natürlich für seine Rechenmaschine interessiert. Das Interesse der Nationalsozialisten hielt sich aus meiner Sicht - und ich denke das ist ziemlich jetzt sicher - in Grenzen. Es haben zwar die Henschel-Flugzeugwerke die Maschine 4, also die Z4 bestellt, die vierte in der Reihe 1941, aber wenn man überlegt, die Förderung war so schlecht, dass er die bis 1945 überhaupt nicht fertig stellen konnte.
Heise: Wie stand Ihr Vater zu den Nationalsozialisten?
Zuse: Na, er war kein Widerstandskämpfer, er war, ich würde mal sagen, eine Art Mitläufer, der in seinem Keller saß und besessen war, seine Maschinen zu bauen. Und ansonsten na ja war er halt natürlich integriert in diese Regierung, er war unabkömmlich gestellt, klar, sonst wäre er an der Ostfront gewesen und ja so würde ich das sehen, also ...
Heise: Der Weg Ihres Vaters war insgesamt auch nicht so ganz einfach. Also später hat er ein Werk gehabt, ein Rechnerwerk, das ist dann allerdings in den 60er-Jahren pleitegegangen. Was bedeutete das für die Familie, auch für ihn persönlich? War das so ein Versagen?
Zuse: Ja also diese Zuse KG, von der Sie sprechen, 1949 gegründet, war ja zuerst eigentlich sehr erfolgreich und das ist ja ein Phänomen eigentlich in dieser Zeit, vier Jahre nach dem Krieg eine solche Firma zu gründen mit der besessenen Vision, ich will Computer bauen und will sie auch noch verkaufen! Und er hat seinem Doktorvater geschrieben, ich werde meine Promotion nicht zu Ende führen 1948, ich habe eine Firma gegründet, will Computer bauen und die verkaufen. Also das müssen Sie sich mal überlegen, das ist schon abenteuerlich! Das war natürlich ein Riesenschock für ihn, das ist klar. 1200 Mitarbeiter saßen zwar nicht auf der Straße, aber es war ein Schock und es war ein ganz schlechtes Jahrzehnt für ihn, das ist gar keine Frage. Also wenn Sie so ein Unternehmen verlieren, wo Sie Visionen hatten ... Und die hat er ja gehabt und er hat ja über 300 Computer produzieren lassen.
Heise: Wie ist er aus dieser Krise wieder herausgekommen?
Zuse: Ach er war in sich gekehrt und hat zum Pinsel gegriffen und hat gemalt. Das war das, wie er aus der Krise herausgekommen ist, ja. Ich kann mich da gut dran entsinnen, so ist er aus der Krise herausgekommen.
Heise: Sagt Horst Zuse, Sohn von Konrad Zuse und selber Informatikprofessor. Herr Zuse, vielen Dank für dieses Gespräch!
Zuse: Gerne!
Heise: Wer sich weiter informieren will, dem sei aus der großen Anzahl von Ausstellungen zu Konrad Zuse, dem seien nur zwei Empfehlungen gegeben: Zum Beispiel im Konrad-Zuse-Museum in Hünfeld nahe Fulda oder im Deutschen Technikmuseum hier in Berlin laufen Ausstellungen zum Leben und Werk Konrad Zuses. Außerdem gibt es heute Nachmittag im "Radiofeuilleton" noch in den elektronischen Welten um zehn vor fünf Informationen.
Horst Zuse: Guten Tag!
Heise: Legendär sind ja die Tüfteleien Ihres Vaters, schon im Hause seiner Eltern, heißt es, mit Alltagsgegenständen wie zum Beispiel dem Staubsauger, der hat ja wohl auch den ersten Rechner angetrieben. War Ihr Vater also durch und durch so ein Bastler, immer bereit, irgendwo rumzuschrauben?
Zuse: Er war mehr als ein Bastler. Natürlich, als er die Maschine gebaut hat, die Z1 1936, das kann man schon als Bastelei bezeichnen. Er war aber gleichzeitig ein sehr gut ausgebildeter Ingenieur, er hatte gleichzeitig ein sehr wohl definiertes abstraktes Denken und Visionen. Und das hört sich immer so an, als wenn er die Maschinen gebastelt hat. Das stimmt, aber er hat auch den mathematischen Hintergrund für seine Maschinen geliefert und er hat Visionen gehabt ganz eindeutig. Und das ist eine Gabe, die eigentlich relativ selten ist, verbunden noch mit einer Kunstrichtung. Also er hat die ...
Heise: ... denn er hat auch noch gemalt ...
Zuse: ... ja, er hat ja dann die letzten 40 Jahre sehr viele Bilder in Öl gemalt und ich denke, dass die Eleganz seiner Maschinen damit auch zusammenhängt. Denn wenn man malt, muss es optisch schön sein.
Heise: Wie war er zu Hause, also im Familienhaushalt, hat er da jetzt über große Erfindungen mal, also davon mal abgesehen, hat er da eigentlich auch immer so sein Talent eingesetzt, gab es da viele erleichternde Maschinen?
Zuse: Nein. Er hat in seinem Sessel gesessen und hat viele wissenschaftliche Zeitungen, Zeitschriften gelesen und wenn man immer denkt, er hätte sofort einen PC benutzt, als der auf den Markt kam: Nein! Er hat niemals die Tasten eines PCs angerührt.
Heise: Warum denn?
Zuse: Niemals. Ich weiß nicht genau, warum. Ich denke, er hat seine eigenen Maschinen mehr geliebt als diesen PC 1994, '95, und das war ja auch noch nicht so berauschend. Es gibt ein schönes Foto, wo er also die ausgestreckte Zunge einem PC zeigt, und das zeigt seine Abneigung gegenüber diesen Maschinen.
Heise: Aber Abneigung, aber er hat ihnen getraut, oder? Denn ich meine, sie sind in seinem Geist entstanden?
Zuse: Ja richtig, wenn man die Architektur der Zuse-Maschinen mit heutigen modernen PCs vergleicht, ist es wirklich erstaunlich, dass die eine unglaublich hohe logische Ähnlichkeit mit modernen PCs haben, also seine ersten Rechner. Ich glaube, das ist auch ein Grund für seine Berühmtheit heute und dass er geehrt wird, weil er 1936 wirklich, ich sag mal salopp, den richtigen Riecher hatte, wie solche Maschinen eigentlich aussehen müssen. Aber er mochte ihn nicht, den PC, nein er mochte ihn nicht!
Heise: Wenn Sie von ihm sprechen und eben auch so ein bisschen weiter gefasst geschildert haben, wie Ihr Vater war, also was sich da alles in ihm vereinigte, nun lassen Sie uns doch noch mehr so hinterblicken, was für ein Mensch war er, was für ein Charakter?
Zuse: Ach, er war sehr in sich gekehrt, er war kreativ, er hat eine Besessenheit gehabt, er war Visionär, ein ausgezeichnetes räumliches Denken war bei ihm vorhanden. Und ja was er nicht mochte, war Smalltalk, das konnte er nicht, und was er auch nicht konnte, das kann ich ruhig offen sagen: Also wenn die Kinder, wir waren ja fünf, in der Schule Probleme hatten, also das hat er nicht verstanden.
Heise: Das heißt also, Ihr Vater hat nicht unbedingt jetzt mit viel Interesse zu Hause den Weg seiner Kinder verfolgt und ihnen da immer wieder die Basis, das Interesse am Rechner, am Rechnen oder am eben Tüfteln mitgegeben?
Zuse: Also den Kindern, Rechner und Rechnen zu Hause, das hat er nicht vermittelt. Natürlich hat er gemerkt wegen der vielen berühmten Leute, die uns ständig besucht haben, dass er ein besonderer Mensch ist. Eigentlich habe ich davon am meisten profitiert, weil ich ab 1949 immer mit in die Zuse KG gehen durfte, und das war eine Firma, die an der Forschungsfront gearbeitet hat. Und die Mitarbeiter haben mir gezeigt, wie das geht mit den Relais und Transistoren und Röhren und was alles.
Heise: Wie alt waren Sie damals?
Zuse: Da war ich so fünf, sechs Jahre alt. Und mein Vater hat die Anweisung an den Leiter des Lagers, Herrn Druppe, gegeben: Alles, was wir nicht brauchen, packen Sie in mein Auto für meinen Sohn!
Heise: Damit der herumschrauben kann ...
Zuse: ... und da war die Garage halbvoll und damit habe ich meine Märklin-Eisenbahn programmgesteuert damals als Zwölfjähriger.
Heise: Sie haben, wenn Sie das so beschreiben, doch eine ganze Menge profitiert von diesem ...
Zuse: ... ja ...
Heise: ... von diesem Tüftelnwollen, Ihr Vater, wo Sie damals in der Nähe von Fulda wohnten, hat das insofern gefallen, dass er also auch noch gesagt hat, Richtung Informatik und dann TU Berlin hat er Sie empfohlen. Wie war das eigentlich für Sie selber, als Sohn des berühmten Konrad Zuse, war das immer so ein Schatten, der da auch ein bisschen schwer auf Ihnen lastete?
Zuse: Man muss mit dem Schatten eines berühmten Vaters umgehen können. Ich glaube, ich habe es richtig gemacht, weil erst mal war ich weg, weit weg von zu Hause, also Berlin – Hünfeld, also 600 Kilometer, damals acht Stunden Fahrt. Und dann müssen Sie zeigen, was Sie im Kopf haben. Sie dürfen nie etwas machen wie mit einem berühmten Namen Karriere machen zu wollen, das dürfen Sie nie! Also habe ich gezeigt, was ich selbst kann, habe Bücher geschrieben, Veröffentlichungen gemacht, Softwaresysteme gebaut und so weiter, und so weiter.
Heise: Zu Gast im "Radiofeuilleton" der Informatiker Horst Zuse, sein Vater Konrad Zuse gilt als Pionier der Computertechnik und er wäre morgen 100 Jahre alt geworden. Ihr Vater, Herr Zuse, wurde ja vom Patentgericht nicht als der Erfinder des Computers anerkannt. Hat ihn das eigentlich schwer getroffen?
Zuse: Na ja, er hat das Patent auf seine Z3 nicht bekommen, das Patentgericht hat nicht gesagt, dass er nicht der Erfinder – man muss immer dazu sagen: Erfinder und Konstrukteur – der ersten programmgesteuerten Rechenmaschine ist. Sie haben ihm die Neuheit anerkannt und den Fortschritt anerkannt, aber sie haben ihm die Erfindungshöhe nicht anerkannt. Das ist übel für einen Erfinder, weil er dann eigentlich nichts erfunden hat. Man kann es vielleicht so interpretieren, dass die Patentrichter sagten, er hat eigentlich nichts Neues entwickelt, weil es Telefonrelais, Schrittschalter, Lochstreifen, Lampendrähte alles schon gab; nur dass dieser Konrad Zuse das zu einer vollkommen neuen Maschine zusammengebaut hat, das war anscheinend nicht patentwürdig damals.
Heise: 1936 war das, als er diese Z1 beziehungsweise dann die beiden Nachfolgemodelle dann auch in den kommenden Jahren erfunden, konstruiert, gebaut hat. Während des Krieges war er ein gefragter Mann, die Hitler-Waffenindustrie interessierte sich beispielsweise dafür. Wieweit war Ihr Vater ein Nutznießer der Nazis?
Zuse: Ach, die Hitler-Waffenindustrie hat sich gar nicht so sehr für ihn interessiert. Ganz wichtig ist erst mal zu sagen, die Z1, also die erste von 1936 war weder ein Auftrag der Nazis, noch ein Auftrag der Henschel-Flugzeugwerke, es war eine private Idee. Ganz schlicht und einfach privat und privat finanziert. So, dann hat er natürlich seine Heimat bei den Henschel-Flugzeugwerken gehabt, wo er ja auch bis 1935 eine Stelle hatte, die er dann gekündigt hat, und das war natürlich irgendwie seine Heimat. Und die Herren dort haben sich natürlich für seine Rechenmaschine interessiert. Das Interesse der Nationalsozialisten hielt sich aus meiner Sicht - und ich denke das ist ziemlich jetzt sicher - in Grenzen. Es haben zwar die Henschel-Flugzeugwerke die Maschine 4, also die Z4 bestellt, die vierte in der Reihe 1941, aber wenn man überlegt, die Förderung war so schlecht, dass er die bis 1945 überhaupt nicht fertig stellen konnte.
Heise: Wie stand Ihr Vater zu den Nationalsozialisten?
Zuse: Na, er war kein Widerstandskämpfer, er war, ich würde mal sagen, eine Art Mitläufer, der in seinem Keller saß und besessen war, seine Maschinen zu bauen. Und ansonsten na ja war er halt natürlich integriert in diese Regierung, er war unabkömmlich gestellt, klar, sonst wäre er an der Ostfront gewesen und ja so würde ich das sehen, also ...
Heise: Der Weg Ihres Vaters war insgesamt auch nicht so ganz einfach. Also später hat er ein Werk gehabt, ein Rechnerwerk, das ist dann allerdings in den 60er-Jahren pleitegegangen. Was bedeutete das für die Familie, auch für ihn persönlich? War das so ein Versagen?
Zuse: Ja also diese Zuse KG, von der Sie sprechen, 1949 gegründet, war ja zuerst eigentlich sehr erfolgreich und das ist ja ein Phänomen eigentlich in dieser Zeit, vier Jahre nach dem Krieg eine solche Firma zu gründen mit der besessenen Vision, ich will Computer bauen und will sie auch noch verkaufen! Und er hat seinem Doktorvater geschrieben, ich werde meine Promotion nicht zu Ende führen 1948, ich habe eine Firma gegründet, will Computer bauen und die verkaufen. Also das müssen Sie sich mal überlegen, das ist schon abenteuerlich! Das war natürlich ein Riesenschock für ihn, das ist klar. 1200 Mitarbeiter saßen zwar nicht auf der Straße, aber es war ein Schock und es war ein ganz schlechtes Jahrzehnt für ihn, das ist gar keine Frage. Also wenn Sie so ein Unternehmen verlieren, wo Sie Visionen hatten ... Und die hat er ja gehabt und er hat ja über 300 Computer produzieren lassen.
Heise: Wie ist er aus dieser Krise wieder herausgekommen?
Zuse: Ach er war in sich gekehrt und hat zum Pinsel gegriffen und hat gemalt. Das war das, wie er aus der Krise herausgekommen ist, ja. Ich kann mich da gut dran entsinnen, so ist er aus der Krise herausgekommen.
Heise: Sagt Horst Zuse, Sohn von Konrad Zuse und selber Informatikprofessor. Herr Zuse, vielen Dank für dieses Gespräch!
Zuse: Gerne!
Heise: Wer sich weiter informieren will, dem sei aus der großen Anzahl von Ausstellungen zu Konrad Zuse, dem seien nur zwei Empfehlungen gegeben: Zum Beispiel im Konrad-Zuse-Museum in Hünfeld nahe Fulda oder im Deutschen Technikmuseum hier in Berlin laufen Ausstellungen zum Leben und Werk Konrad Zuses. Außerdem gibt es heute Nachmittag im "Radiofeuilleton" noch in den elektronischen Welten um zehn vor fünf Informationen.