"Er ist unverbiegbar"
Johanna Henkel-Waidhofer hat ein Buch über den Grünen-Politiker Winfried Kretschmann geschrieben, der heute zum Regierungschef in Baden-Württemberg gewählt werden soll. Im Interview spricht sie über Kretschmanns Charakter, seinen Politikstil und das grüne Schwaben-Gen.
Nana Brink: Angeblich, so werden Freunde des wohl ersten grünen Ministerpräsidenten zitiert, sei er der anständigste Mensch, der je Regierungschef wurde. Wenn alles klar geht, wird Winfried Kretschmann heute grüner Landeschef in Baden-Württemberg. Ob seine Freunde recht haben, wird sich zeigen. Zumindest repräsentiert Kretschmann einen anderen Politikertypus, vor allem für die Grünen.
Gerade ist eine Biografie über Kretschmann erschienen, und geschrieben hat sie Johanna Henkel-Waidhofer, zusammen mit ihrem Mann Peter Henkel. Einen schönen guten Tag, Frau Henkel-Waidhofer.
Johanna Henkel-Waidhofer: Guten Tag!
Brink: Sie kennen Winfried Kretschmann seit 30 Jahren. Was sind die drei wesentlichen Charaktereigenschaften, die ihn auszeichnen?
Henkel-Waidhofer: Er war immer sehr geerdet, und zwar sowohl in der eigenen Partei. Er war immer eine sehr auffällige Figur, wenn er sich öffentlich bewegt hat, zum Beispiel schon '83 auf einer Ministerpräsidentenkonferenz, auf einem Empfang, als Grüner ja ungewöhnlich. Aber er war immer sehr beißig. Er ist sicher sehr, sehr ehrlich. Er ist manchmal bis zur Grenze der fehlenden Strategie ehrlich und ich glaube, dass er zum richtigen Zeitpunkt auch mal auf den Tisch hauen kann. Jetzt wird sich weisen im Regierungsalltag, ob er diesen Zeitpunkt nicht durch die höhere Schlagzahl und durch den größeren Stress manchmal verpasst.
Brink: Winfried Kretschmann bedient ja nicht gerade das grüne Klischee, auch privat nicht.
Henkel-Waidhofer: Das ist wahr. Er ist seit vielen, vielen Jahren mit seiner Frau Gerlinde verheiratet. Sie sind sehr glücklich. Sie erinnern mich manchmal an Erwin Teufel und seine Frau Edeltraud. Erwin Teufel auf großen Reisen, wenn seine Frau dabei war, hätte auch nie irgendeinen Termin ohne seine Frau gemacht, er hätte nie übersehen, wo sie ist, ob es ihr gut geht. Und Kretschmanns sind ähnlich: sie haben drei erwachsene Kinder, sie wohnen in einem Bauernhaus, in einem alten Gasthaus, in dem er wirklich jedes Teil, jede Sitzbank, jeden Fensterstock selber bearbeitet hat. Sein Lieblingshandwerkszeug ist die Stichsäge, weil die so variabel einsatzfähig ist.
Brink: Das verwundert einen schon. – Glauben Sie denn, dass er sozusagen auch als Mensch privat, wie Sie ihn kennen, der gleiche bleiben wird?
Henkel-Waidhofer: Das wird sicher schwierig. Ich glaube aber schon, dass Winfried Kretschmann nur als dieser Winfried Kretschmann, den wir kennen, die, die ihn lange kennen, die Partei, die ihn gut kennt, nur als dieser Winfried Kretschmann auch im Amt des Regierungschefs zu haben ist. Er ist unverbiegbar und ich glaube, dass das ihm manchmal auch große Schwierigkeiten machen wird, aber trotzdem ist er unverbiegbar.
Brink: Hat er sich denn geändert in den 30 Jahren, in denen Sie ihn schon beobachten?
Henkel-Waidhofer: Er hat sich natürlich angepasst. Er ist natürlich auch ein anderer geworden, er hat einen anderen Haarschnitt, er hat ein anderes Outfit, er geht gerne im dunklen Anzug mit weißem Hemd und grüner Krawatte, er ist auf eine Art und Weise in den Politikbetrieb hineingewachsen, das ist klar. Aber er ist sicher ganz vererdet und er ist ein sehr die anderen betrachtender Mensch geblieben, und das ist ja für einen Politiker nicht die schlechteste Eigenschaft.
Brink: Sie haben da ein interessantes Kapitel in Ihrem Buch, das heißt "Im Praxistest – eine Politik des gehört werdens". Werden wir da auch einen anderen Politikstil sehen?
Henkel-Waidhofer: Wir werden sicher einen anderen Politikstil sehen. Er möchte gerne Baden-Württemberg nicht zur größten Quatschbude, sagt er ja selber, der Republik jetzt machen, oder Mitteleuropas machen. Er möchte aber Prozesse so gestalten, dass die, die am Ende unterliegen, zum Beispiel weil ein Speicherkraftwerk gebaut werden muss aus Klimaschutzgründen, er möchte, dass die, die unterliegen, das Gefühl bekommen, in einem fairen Prozess unterlegen zu sein. Dann sind sie auch noch immer die Minderheitsmeinung, aber das Verfahren war ein anderes.
Brink: Sie haben es in Ihrem Buch auch sehr oft beschrieben, dass er ja auch mit seiner Grünen-Partei gehadert hat. Wir haben das schon erwähnt: er ist ja ein Konservativer, einer, der nicht so dem gängigen Klischee entspricht. Hat er wirklich sehr gehadert mit dieser Partei?
Henkel-Waidhofer: Ja das war weniger ein Links-Rechts-Problem oder Konservativ-Links-Problem. Er hat vor allem in der Partei auch gehadert, wenn sich so Machtstrategen und so machiavellistische Züge an der Partei gezeigt haben und wenn so herumgeschoben wurde, Parteiteile wie auf dem Schachbrett. Das wollte er nicht, das wollte er nie und das hat ihn oft sehr, sehr geärgert. Er kann wahnsinnig poltern, er ist oft sehr aus sich herausgegangen auf Parteitagen. Dieses Konservativ-Linke war natürlich Ende der 80er zum Beispiel ein Riesenthema bei den Grünen, aber das hat sich ja abgekieselt, das hat sich ja insgesamt auch abgekieselt.
Brink: Ein Erfolg, der für eine Person wie Kretschmann auch nur in Baden-Württemberg möglich gewesen ist? Gibt es so ein Schwaben-Gen auch für Grüne?
Henkel-Waidhofer: Genau. Es ist sowohl als auch. Es ist sicher Winfried Kretschmann der, der hier herpasst. Wenn Sie zum Beispiel daran denken, auf den Tag genau der Landtagswahl, 27. März vor 20 Jahren, ist in Baden-Württemberg der erste grüne Bürgermeister gewählt worden, in Oberschwaben. Also das Land ist schon auch grün! Erwin Teufel hat mal in seinem CDU-Landesverband eine grüne Charta in Auftrag gegeben, oder die wurde geschrieben. Jeder kann sich vorstellen, dass Renate Künast, oder Jürgen Trittin nicht nach Baden-Württemberg passen würden. Es sind schon zwei zusammengekommen, das Land und Winfried Kretschmann, und jetzt werden wir sehen, wie sie zusammen bleiben und wie sich das weiter vernetzt und verwebt.
Brink: Johanna Henkel-Waidhofer, sie hat zusammen mit ihrem Mann eine Biografie über Winfried Kretschmann geschrieben, der erste grüne Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Schönen Dank für das Gespräch.
Henkel-Waidhofer: Danke!
Gerade ist eine Biografie über Kretschmann erschienen, und geschrieben hat sie Johanna Henkel-Waidhofer, zusammen mit ihrem Mann Peter Henkel. Einen schönen guten Tag, Frau Henkel-Waidhofer.
Johanna Henkel-Waidhofer: Guten Tag!
Brink: Sie kennen Winfried Kretschmann seit 30 Jahren. Was sind die drei wesentlichen Charaktereigenschaften, die ihn auszeichnen?
Henkel-Waidhofer: Er war immer sehr geerdet, und zwar sowohl in der eigenen Partei. Er war immer eine sehr auffällige Figur, wenn er sich öffentlich bewegt hat, zum Beispiel schon '83 auf einer Ministerpräsidentenkonferenz, auf einem Empfang, als Grüner ja ungewöhnlich. Aber er war immer sehr beißig. Er ist sicher sehr, sehr ehrlich. Er ist manchmal bis zur Grenze der fehlenden Strategie ehrlich und ich glaube, dass er zum richtigen Zeitpunkt auch mal auf den Tisch hauen kann. Jetzt wird sich weisen im Regierungsalltag, ob er diesen Zeitpunkt nicht durch die höhere Schlagzahl und durch den größeren Stress manchmal verpasst.
Brink: Winfried Kretschmann bedient ja nicht gerade das grüne Klischee, auch privat nicht.
Henkel-Waidhofer: Das ist wahr. Er ist seit vielen, vielen Jahren mit seiner Frau Gerlinde verheiratet. Sie sind sehr glücklich. Sie erinnern mich manchmal an Erwin Teufel und seine Frau Edeltraud. Erwin Teufel auf großen Reisen, wenn seine Frau dabei war, hätte auch nie irgendeinen Termin ohne seine Frau gemacht, er hätte nie übersehen, wo sie ist, ob es ihr gut geht. Und Kretschmanns sind ähnlich: sie haben drei erwachsene Kinder, sie wohnen in einem Bauernhaus, in einem alten Gasthaus, in dem er wirklich jedes Teil, jede Sitzbank, jeden Fensterstock selber bearbeitet hat. Sein Lieblingshandwerkszeug ist die Stichsäge, weil die so variabel einsatzfähig ist.
Brink: Das verwundert einen schon. – Glauben Sie denn, dass er sozusagen auch als Mensch privat, wie Sie ihn kennen, der gleiche bleiben wird?
Henkel-Waidhofer: Das wird sicher schwierig. Ich glaube aber schon, dass Winfried Kretschmann nur als dieser Winfried Kretschmann, den wir kennen, die, die ihn lange kennen, die Partei, die ihn gut kennt, nur als dieser Winfried Kretschmann auch im Amt des Regierungschefs zu haben ist. Er ist unverbiegbar und ich glaube, dass das ihm manchmal auch große Schwierigkeiten machen wird, aber trotzdem ist er unverbiegbar.
Brink: Hat er sich denn geändert in den 30 Jahren, in denen Sie ihn schon beobachten?
Henkel-Waidhofer: Er hat sich natürlich angepasst. Er ist natürlich auch ein anderer geworden, er hat einen anderen Haarschnitt, er hat ein anderes Outfit, er geht gerne im dunklen Anzug mit weißem Hemd und grüner Krawatte, er ist auf eine Art und Weise in den Politikbetrieb hineingewachsen, das ist klar. Aber er ist sicher ganz vererdet und er ist ein sehr die anderen betrachtender Mensch geblieben, und das ist ja für einen Politiker nicht die schlechteste Eigenschaft.
Brink: Sie haben da ein interessantes Kapitel in Ihrem Buch, das heißt "Im Praxistest – eine Politik des gehört werdens". Werden wir da auch einen anderen Politikstil sehen?
Henkel-Waidhofer: Wir werden sicher einen anderen Politikstil sehen. Er möchte gerne Baden-Württemberg nicht zur größten Quatschbude, sagt er ja selber, der Republik jetzt machen, oder Mitteleuropas machen. Er möchte aber Prozesse so gestalten, dass die, die am Ende unterliegen, zum Beispiel weil ein Speicherkraftwerk gebaut werden muss aus Klimaschutzgründen, er möchte, dass die, die unterliegen, das Gefühl bekommen, in einem fairen Prozess unterlegen zu sein. Dann sind sie auch noch immer die Minderheitsmeinung, aber das Verfahren war ein anderes.
Brink: Sie haben es in Ihrem Buch auch sehr oft beschrieben, dass er ja auch mit seiner Grünen-Partei gehadert hat. Wir haben das schon erwähnt: er ist ja ein Konservativer, einer, der nicht so dem gängigen Klischee entspricht. Hat er wirklich sehr gehadert mit dieser Partei?
Henkel-Waidhofer: Ja das war weniger ein Links-Rechts-Problem oder Konservativ-Links-Problem. Er hat vor allem in der Partei auch gehadert, wenn sich so Machtstrategen und so machiavellistische Züge an der Partei gezeigt haben und wenn so herumgeschoben wurde, Parteiteile wie auf dem Schachbrett. Das wollte er nicht, das wollte er nie und das hat ihn oft sehr, sehr geärgert. Er kann wahnsinnig poltern, er ist oft sehr aus sich herausgegangen auf Parteitagen. Dieses Konservativ-Linke war natürlich Ende der 80er zum Beispiel ein Riesenthema bei den Grünen, aber das hat sich ja abgekieselt, das hat sich ja insgesamt auch abgekieselt.
Brink: Ein Erfolg, der für eine Person wie Kretschmann auch nur in Baden-Württemberg möglich gewesen ist? Gibt es so ein Schwaben-Gen auch für Grüne?
Henkel-Waidhofer: Genau. Es ist sowohl als auch. Es ist sicher Winfried Kretschmann der, der hier herpasst. Wenn Sie zum Beispiel daran denken, auf den Tag genau der Landtagswahl, 27. März vor 20 Jahren, ist in Baden-Württemberg der erste grüne Bürgermeister gewählt worden, in Oberschwaben. Also das Land ist schon auch grün! Erwin Teufel hat mal in seinem CDU-Landesverband eine grüne Charta in Auftrag gegeben, oder die wurde geschrieben. Jeder kann sich vorstellen, dass Renate Künast, oder Jürgen Trittin nicht nach Baden-Württemberg passen würden. Es sind schon zwei zusammengekommen, das Land und Winfried Kretschmann, und jetzt werden wir sehen, wie sie zusammen bleiben und wie sich das weiter vernetzt und verwebt.
Brink: Johanna Henkel-Waidhofer, sie hat zusammen mit ihrem Mann eine Biografie über Winfried Kretschmann geschrieben, der erste grüne Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Schönen Dank für das Gespräch.
Henkel-Waidhofer: Danke!