"Er wollte Träume umsetzen"
Der Filmemacher Rosa von Praunheim hat den verstorbenen Theater- und Filmregisseur Werner Schroeter als großen Poeten und Ästheten gewürdigt. Er habe mit seinen Filmen nicht nur Geschichten erzählen, sondern auch "Schönheit bannen" wollen, so der Lebenspartner in Jugendjahren und langjährige Freund.
Ulrike Timm: Viele kannten ihn als den Mann mit dem schwarzen Hut, der eine weiße Rose in der Hand hielt. Heute*) ist der deutsche Film- und Theaterregisseur Werner Schroeter im Alter von 65 Jahren nach langer Krankheit gestorben. Schroeter gehörte wie Rainer Werner Fassbinder, Volker Schlöndorff, Werner Herzog oder Wim Wenders zu den großen Regisseuren des Neuen Deutschen Films und er war bekannt für seine hochstilisierte Kunstsprache und seinen Hang zum Melodram. Wir sprechen über Werner Schroeter mit einem, der ihm fachlich und menschlich sehr nahe war, mit seinem Freund und langjährigen Lebenspartner, mit Rosa von Praunheim. Ich grüße Sie!
Rosa von Praunheim: Ja, hallo!
Timm: Herr von Praunheim, was wird Ihnen ganz besonders von Werner Schroeter in Erinnerung bleiben?
von Praunheim: Ja natürlich seine Filme, das ist das Wichtigste. Er hat ja sehr, sehr viele Filme gedreht, sehr viel Preise bekommen, hat unendlich viele Theaterstücke inszeniert. Es ist seine Produktivität, seine Lust an der Arbeit. Und er hat ungewöhnliche Dinge gemacht, er war ein großer Poet und Ästhet. Und das ist in der heutigen Zeit nicht sehr gefragt, also es ist nicht sehr kommerziell, da wo "Polizeiruf" und "Tatort" sozusagen den Ton angeben in der Fernsehlandschaft und indem die Filmregisseure meistens sehr realistische Filme machen. Und dieses Poetische und Überhöhte, dieses Leidenschaftliche, das, glaube ich, wird auch wieder eine neue Generation entdecken.
Timm: Worin genau lag diese Poesie der Bilder, die Werner Schroeter fürs Kino erfand, für Sie?
von Praunheim: Ja, er wollte nicht einfach nur Geschichten erzählen, sondern er wollte Träume umsetzen, er wollte Schönheit bannen, er wollte von einer Welt reden, die jenseits unserer ist, zu denen er eine große Sehnsucht hatte, besonders durch die Oper, durch die Musik. Er hat ja die Callas sehr verehrt, er wusste sehr viel über Musik, hat auch sehr viel Opern inszeniert, und das übertrug er dann auf den Film. Am Anfang auch mit Opernparodien, "Eika Katappa" von 1969, bei dem ich ihm mithelfen durfte. Wir sind da nach Italien gefahren, und er hat große Arien in der Natur inszeniert mit seinen Superstars. Das war zum Teil sehr komisch, aber auch von großer Liebe zur Musik und zur Oper.
Timm: Die Maria Callas war sein Vorbild, seit er ein kleiner Junge war, und er hat die Musik, die er erlebte, besonders die Opernmusik, auch richtiggehend in seine Bilder gepackt in seinen Filmen. Würden Sie das so beschreiben wollen?
von Praunheim: Na ja, es ist vor allen Dingen auch die Musik zu seinen Filmen, wie er die ausgewählt hat, wie die Musik große Gefühle unterstützt hat mit seinen Bildern. Da war er ein großer Meister, und das hat uns immer wieder sehr, sehr berührt.
Timm: Sein bekanntester Film war wohl doch "Malina" nach Ingeborg Bachmann, vielfach ausgezeichnet, aber schon eine ganze Weile her, und Werner Schroeter gehörte eigentlich zu den viel Gerühmten, von denen man letztlich dann doch nicht so viel, zumindest in Deutschland, im Kino gesehen hat. Kritiker warfen seiner opulenten Filmsprache – die Sie uns eben noch mal beschrieben haben, Herr von Praunheim – Kritiker warfen dem Manierismus vor. Er war ein Berühmter, mit dem man nicht so recht warm wurde. Hat ihn das eigentlich gekränkt?
von Praunheim: Na, das war nur in Deutschland so, und auch in der letzten Zeit erst so. In Frankreich und in Italien war er ein Kultstar, wurde er von der Presse sehr hoch verehrt, und er war ja in der ganzen Welt beschäftigt. Er hat überall inszeniert und hat sich große Freunde gemacht, aber sicher immer mehr, je kommerzieller die Zeiten wurden, umso mehr kam er in eine Nische. Und da gab es große Verehrer, aber sicher auch viele, die sehr eben mit seiner Sache nicht so viel anfangen konnten, die da sehr ignorant waren. Denn er hat auch sehr, sehr schöne Dokumentarfilme gemacht. Er hat einen wunderbaren Film "Abfallprodukte der Liebe" über große Operndiven gemacht. Er hat über Marianne Hoppe, die er sehr verehrte, die große Schauspielerin, einen sehr, sehr schönen Film mit dem Titel "Die Königin" gemacht. Also er war sehr, sehr vielseitig und aber es passte nicht mehr so in die sehr kommerzielle Zeit.
Timm: Auch sein letzter Film hat gleich einen französischen Titel, "Nuit", die Nacht, ist, wenn ich es richtig weiß, gar nicht nach Deutschland gekommen. Ist das auch ein Kennzeichen für den Weltbürger Werner Schroeter, dass er, ja, zunehmend von Deutschland nach Europa und dann in alle Welt gegangen ist und dass man ihn hier vielleicht auch deshalb weniger wahrnahm?
von Praunheim: Ja, ich meine, er hatte das Glück, wie gesagt, dass er in anderen Ländern sehr viel Zuspruch fand, und insofern konnte er überall arbeiten auf der ganzen Welt. Ich meine, ich erinnere mich, wie er da mit seinen schwarzen seidenen Hemden und Anzügen und seinem großen Hut und einer kleinen Plastiktüte durch die Welt zog, alle paar Tage irgendwo anders, und wie er sich wohlfühlte auch, so ein Reisender zu sein, und dann sehr, sehr konzentriert immer wieder gearbeitet hat, und das ständig.
Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton". Wir würdigen im Gespräch mit seinem langjährigen Freund und Lebenspartner Rosa von Praunheim den heute*) verstorbenen Film-, Theater- und Opernregisseur Werner Schroeter. Er wurde 65 Jahre alt und starb nach langer Krebserkrankung. Herr von Praunheim, der Krebstod von Werner Schroeter kam ja nicht unerwartet, aber dann letztlich wieder plötzlich. Er hat vor ein paar Tagen noch ein kurzes Interview gegeben und wirkte da sehr ausgesöhnt, sehr ausgesöhnt mit sich, mit seiner Krankheit, mit seinem Leben, sagte, ich bin ein positiver Mensch – war das so oder war das alles Selbstbeherrschung?
von Praunheim: Also er hatte sehr viel Schmerzen zum Schluss, aber einen ungeheuren Lebenswillen, und er hat ja sehr viel in der letzten Zeit gemacht. Es war sehr schön, dass er in Venedig noch 2008 also einen großen Preis für sein Lebenswerk bekam. Er hat erst vor ein paar Wochen den Murnau-Preis zusammen mit der Kamerafrau Elfi Mikesch bekommen. Es gibt eine große Ausstellung über ihn, die er auch gesehen hat, aber zur Eröffnung leider nicht dabei sein konnte, im Schwulen Museum in Berlin, am Mehringdamm 61, die noch bis zum Juni läuft und die sehr zu empfehlen ist, mit vielen Fotos über sein Werk. Und er hat noch eine Inszenierung an der Volksbühne gemacht in Berlin. Also er hat bis zum Schluss gearbeitet.
Timm: Die Homosexualität, die Sie eben ansprachen, die hat Werner Schroeter Zeit seines Lebens ganz offen gelebt, teilweise – ja, Sie waren langjährig sein Lebenspartner, Rosa von Praunheim – hat er für viele den Weg geöffnet, nicht nur durch seine Filme, sondern auch durch seine Lebensweise.
von Praunheim: Das weiß ich nicht, er war ja nicht so ein politischer Mensch wie ich. Wir haben uns ja auch nur, waren ja nur in den ersten Jahren, in unseren Jugendjahren sozusagen zusammen, wo wir gemeinsam uns assistiert haben bei den Filmen und uns auch gegenseitig sehr inspiriert haben, das war so Ende der 60er-Jahre, und haben uns dann immer wieder gesehen. Und wir waren uns dann doch fremd. Ich meine, ich verstehe überhaupt nichts von Musik, und er war eben der große Musikexperte, und es waren immer wieder Filme, die mir gefallen haben, aber zu anderen hatte ich auch nicht so einen Zugang. Und trotzdem, ich habe ihn manchmal zu Unrecht kritisiert, und dann war das so Wunderbare, dass er nie mit Aggressionen geantwortet hat. Er hat mich trotzdem geliebt, so wie ich war, in meiner sehr provozierenden, kontroversen Haltung, und hat immer wieder einen Weg gefunden, dass wir miteinander was anfangen konnten, bis zuletzt. Und dafür bin ich ihm sehr dankbar, denn ich habe es ihm manchmal sehr schwer gemacht, so wie das halt in einem langen Leben ist, das man durchschreitet mit unterschiedlichen Arbeiten.
Timm: War es die Großzügigkeit, die den Menschen Werner Schroeter sehr ausgezeichnet hat, die menschliche Großzügigkeit?
von Praunheim: Ja, ja. Er war, das war es, also er wurde sehr geliebt von seinen Schauspielern, vom Team, weil er einfach unheimlich viel wusste, weil er ein großartiges Gedächtnis hatte, weil er, kulturell konnte er so viel über Musik erzählen, über Kunst, und das war faszinierend, ihm zuzuhören. Und man spürte sofort, dass er ein großer Geist ist, dass er jemand Besonderes ist. Und das haben fast alle, die mit ihm gearbeitet haben, gespürt.
Timm: Und er wollte schon als Fünfjähriger Filmregisseur werden, nicht Filmstar, nicht Schauspieler, sondern Filmregisseur. Das ist ein ganz ungewöhnlicher Wunsch für einen kleinen Jungen. Haben sich da wirklich schon so früh, ja, die Wurzeln gelegt?
von Praunheim: Ja, das weiß ich nicht. Ich meine, ich weiß nur, dass er sehr behütet in Heidelberg aufgewachsen ist. Seine Mutter hat ihn sehr gefördert, sein Vater hatte ihm eine kleine Filmkamera gekauft, mit der wir dann zusammen Filme gemacht haben. Er war ja auf der Filmakademie in München, in der Filmschule in München aufgenommen worden, aber als wir uns kennenlernten, hat er das sausen lassen nach drei Wochen und ist zu mir nach Berlin gekommen und da in einen Kreis von sehr witzigen, fantasievollen Menschen, und wir haben gemeinsam dann uns assistiert bei unseren Filmen. Das war eine sehr wilde, verrückte Welt, die ihm sehr gefallen hat. Und da hat er dann auch seinen Stil entwickelt, einen Stil der großen Gesten, der auch am Anfang nicht so verstanden wurde, aber der sich dann immer mehr durchgesetzt hat, vor allen Dingen, weil er da ganz unbeirrt war in dem, was er wollte. Er hat seine Gefühle offengelegt, und das ist in Deutschland sehr selten, ich meine, wo Gefühle abgelöst werden so von Logik und Verstand und Realismus.
Timm: Rosa von Praunheim, welche Filme von Werner Schroeter meinen Sie werden dauerhaft im Gedächtnis bleiben?
von Praunheim: Ach, es gibt so viele. Ich meine, ich mag besonders "Die Generalprobe", das war ein wunderbarer Film über ein Theaterfestival. Ich mag den "Rosenkönig" sehr, dem er mit seiner Protagonistin Magdalena Montezuma, die er immer wieder in seinen Filmen verwendet hat, eine sehr außergewöhnliche, großartige Frau, die dann auch kurz danach so wie er jetzt an Krebs verstarb. Das sind wunderbare Filme. Ich hoffe, dass sein Werk, es gibt ja jetzt schon einige Filme auf DVD, aber ich hoffe, dass bald alle Filme auf DVD zugänglich sind und dass man die dann wirklich sehr intensiv betrachten kann.
Timm: Heute*) ist der Film-, Theater- und Opernregisseur Werner Schroeter im Alter von 65 Jahren gestorben. Wir würdigten ihn zusammen mit einem Weggefährten, mit Rosa von Praunheim. Und auch bei "Fazit", in unserer abendlichen Kultursendung, hören Sie natürlich einen Nachruf auf Werner Schroeter. Herr von Praunheim, ich danke Ihnen sehr herzlich!
von Praunheim: Danke auch!
*) Anmerkung der Redaktion: Werner Schroeter verstarb am 12.4.2010.
Rosa von Praunheim: Ja, hallo!
Timm: Herr von Praunheim, was wird Ihnen ganz besonders von Werner Schroeter in Erinnerung bleiben?
von Praunheim: Ja natürlich seine Filme, das ist das Wichtigste. Er hat ja sehr, sehr viele Filme gedreht, sehr viel Preise bekommen, hat unendlich viele Theaterstücke inszeniert. Es ist seine Produktivität, seine Lust an der Arbeit. Und er hat ungewöhnliche Dinge gemacht, er war ein großer Poet und Ästhet. Und das ist in der heutigen Zeit nicht sehr gefragt, also es ist nicht sehr kommerziell, da wo "Polizeiruf" und "Tatort" sozusagen den Ton angeben in der Fernsehlandschaft und indem die Filmregisseure meistens sehr realistische Filme machen. Und dieses Poetische und Überhöhte, dieses Leidenschaftliche, das, glaube ich, wird auch wieder eine neue Generation entdecken.
Timm: Worin genau lag diese Poesie der Bilder, die Werner Schroeter fürs Kino erfand, für Sie?
von Praunheim: Ja, er wollte nicht einfach nur Geschichten erzählen, sondern er wollte Träume umsetzen, er wollte Schönheit bannen, er wollte von einer Welt reden, die jenseits unserer ist, zu denen er eine große Sehnsucht hatte, besonders durch die Oper, durch die Musik. Er hat ja die Callas sehr verehrt, er wusste sehr viel über Musik, hat auch sehr viel Opern inszeniert, und das übertrug er dann auf den Film. Am Anfang auch mit Opernparodien, "Eika Katappa" von 1969, bei dem ich ihm mithelfen durfte. Wir sind da nach Italien gefahren, und er hat große Arien in der Natur inszeniert mit seinen Superstars. Das war zum Teil sehr komisch, aber auch von großer Liebe zur Musik und zur Oper.
Timm: Die Maria Callas war sein Vorbild, seit er ein kleiner Junge war, und er hat die Musik, die er erlebte, besonders die Opernmusik, auch richtiggehend in seine Bilder gepackt in seinen Filmen. Würden Sie das so beschreiben wollen?
von Praunheim: Na ja, es ist vor allen Dingen auch die Musik zu seinen Filmen, wie er die ausgewählt hat, wie die Musik große Gefühle unterstützt hat mit seinen Bildern. Da war er ein großer Meister, und das hat uns immer wieder sehr, sehr berührt.
Timm: Sein bekanntester Film war wohl doch "Malina" nach Ingeborg Bachmann, vielfach ausgezeichnet, aber schon eine ganze Weile her, und Werner Schroeter gehörte eigentlich zu den viel Gerühmten, von denen man letztlich dann doch nicht so viel, zumindest in Deutschland, im Kino gesehen hat. Kritiker warfen seiner opulenten Filmsprache – die Sie uns eben noch mal beschrieben haben, Herr von Praunheim – Kritiker warfen dem Manierismus vor. Er war ein Berühmter, mit dem man nicht so recht warm wurde. Hat ihn das eigentlich gekränkt?
von Praunheim: Na, das war nur in Deutschland so, und auch in der letzten Zeit erst so. In Frankreich und in Italien war er ein Kultstar, wurde er von der Presse sehr hoch verehrt, und er war ja in der ganzen Welt beschäftigt. Er hat überall inszeniert und hat sich große Freunde gemacht, aber sicher immer mehr, je kommerzieller die Zeiten wurden, umso mehr kam er in eine Nische. Und da gab es große Verehrer, aber sicher auch viele, die sehr eben mit seiner Sache nicht so viel anfangen konnten, die da sehr ignorant waren. Denn er hat auch sehr, sehr schöne Dokumentarfilme gemacht. Er hat einen wunderbaren Film "Abfallprodukte der Liebe" über große Operndiven gemacht. Er hat über Marianne Hoppe, die er sehr verehrte, die große Schauspielerin, einen sehr, sehr schönen Film mit dem Titel "Die Königin" gemacht. Also er war sehr, sehr vielseitig und aber es passte nicht mehr so in die sehr kommerzielle Zeit.
Timm: Auch sein letzter Film hat gleich einen französischen Titel, "Nuit", die Nacht, ist, wenn ich es richtig weiß, gar nicht nach Deutschland gekommen. Ist das auch ein Kennzeichen für den Weltbürger Werner Schroeter, dass er, ja, zunehmend von Deutschland nach Europa und dann in alle Welt gegangen ist und dass man ihn hier vielleicht auch deshalb weniger wahrnahm?
von Praunheim: Ja, ich meine, er hatte das Glück, wie gesagt, dass er in anderen Ländern sehr viel Zuspruch fand, und insofern konnte er überall arbeiten auf der ganzen Welt. Ich meine, ich erinnere mich, wie er da mit seinen schwarzen seidenen Hemden und Anzügen und seinem großen Hut und einer kleinen Plastiktüte durch die Welt zog, alle paar Tage irgendwo anders, und wie er sich wohlfühlte auch, so ein Reisender zu sein, und dann sehr, sehr konzentriert immer wieder gearbeitet hat, und das ständig.
Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton". Wir würdigen im Gespräch mit seinem langjährigen Freund und Lebenspartner Rosa von Praunheim den heute*) verstorbenen Film-, Theater- und Opernregisseur Werner Schroeter. Er wurde 65 Jahre alt und starb nach langer Krebserkrankung. Herr von Praunheim, der Krebstod von Werner Schroeter kam ja nicht unerwartet, aber dann letztlich wieder plötzlich. Er hat vor ein paar Tagen noch ein kurzes Interview gegeben und wirkte da sehr ausgesöhnt, sehr ausgesöhnt mit sich, mit seiner Krankheit, mit seinem Leben, sagte, ich bin ein positiver Mensch – war das so oder war das alles Selbstbeherrschung?
von Praunheim: Also er hatte sehr viel Schmerzen zum Schluss, aber einen ungeheuren Lebenswillen, und er hat ja sehr viel in der letzten Zeit gemacht. Es war sehr schön, dass er in Venedig noch 2008 also einen großen Preis für sein Lebenswerk bekam. Er hat erst vor ein paar Wochen den Murnau-Preis zusammen mit der Kamerafrau Elfi Mikesch bekommen. Es gibt eine große Ausstellung über ihn, die er auch gesehen hat, aber zur Eröffnung leider nicht dabei sein konnte, im Schwulen Museum in Berlin, am Mehringdamm 61, die noch bis zum Juni läuft und die sehr zu empfehlen ist, mit vielen Fotos über sein Werk. Und er hat noch eine Inszenierung an der Volksbühne gemacht in Berlin. Also er hat bis zum Schluss gearbeitet.
Timm: Die Homosexualität, die Sie eben ansprachen, die hat Werner Schroeter Zeit seines Lebens ganz offen gelebt, teilweise – ja, Sie waren langjährig sein Lebenspartner, Rosa von Praunheim – hat er für viele den Weg geöffnet, nicht nur durch seine Filme, sondern auch durch seine Lebensweise.
von Praunheim: Das weiß ich nicht, er war ja nicht so ein politischer Mensch wie ich. Wir haben uns ja auch nur, waren ja nur in den ersten Jahren, in unseren Jugendjahren sozusagen zusammen, wo wir gemeinsam uns assistiert haben bei den Filmen und uns auch gegenseitig sehr inspiriert haben, das war so Ende der 60er-Jahre, und haben uns dann immer wieder gesehen. Und wir waren uns dann doch fremd. Ich meine, ich verstehe überhaupt nichts von Musik, und er war eben der große Musikexperte, und es waren immer wieder Filme, die mir gefallen haben, aber zu anderen hatte ich auch nicht so einen Zugang. Und trotzdem, ich habe ihn manchmal zu Unrecht kritisiert, und dann war das so Wunderbare, dass er nie mit Aggressionen geantwortet hat. Er hat mich trotzdem geliebt, so wie ich war, in meiner sehr provozierenden, kontroversen Haltung, und hat immer wieder einen Weg gefunden, dass wir miteinander was anfangen konnten, bis zuletzt. Und dafür bin ich ihm sehr dankbar, denn ich habe es ihm manchmal sehr schwer gemacht, so wie das halt in einem langen Leben ist, das man durchschreitet mit unterschiedlichen Arbeiten.
Timm: War es die Großzügigkeit, die den Menschen Werner Schroeter sehr ausgezeichnet hat, die menschliche Großzügigkeit?
von Praunheim: Ja, ja. Er war, das war es, also er wurde sehr geliebt von seinen Schauspielern, vom Team, weil er einfach unheimlich viel wusste, weil er ein großartiges Gedächtnis hatte, weil er, kulturell konnte er so viel über Musik erzählen, über Kunst, und das war faszinierend, ihm zuzuhören. Und man spürte sofort, dass er ein großer Geist ist, dass er jemand Besonderes ist. Und das haben fast alle, die mit ihm gearbeitet haben, gespürt.
Timm: Und er wollte schon als Fünfjähriger Filmregisseur werden, nicht Filmstar, nicht Schauspieler, sondern Filmregisseur. Das ist ein ganz ungewöhnlicher Wunsch für einen kleinen Jungen. Haben sich da wirklich schon so früh, ja, die Wurzeln gelegt?
von Praunheim: Ja, das weiß ich nicht. Ich meine, ich weiß nur, dass er sehr behütet in Heidelberg aufgewachsen ist. Seine Mutter hat ihn sehr gefördert, sein Vater hatte ihm eine kleine Filmkamera gekauft, mit der wir dann zusammen Filme gemacht haben. Er war ja auf der Filmakademie in München, in der Filmschule in München aufgenommen worden, aber als wir uns kennenlernten, hat er das sausen lassen nach drei Wochen und ist zu mir nach Berlin gekommen und da in einen Kreis von sehr witzigen, fantasievollen Menschen, und wir haben gemeinsam dann uns assistiert bei unseren Filmen. Das war eine sehr wilde, verrückte Welt, die ihm sehr gefallen hat. Und da hat er dann auch seinen Stil entwickelt, einen Stil der großen Gesten, der auch am Anfang nicht so verstanden wurde, aber der sich dann immer mehr durchgesetzt hat, vor allen Dingen, weil er da ganz unbeirrt war in dem, was er wollte. Er hat seine Gefühle offengelegt, und das ist in Deutschland sehr selten, ich meine, wo Gefühle abgelöst werden so von Logik und Verstand und Realismus.
Timm: Rosa von Praunheim, welche Filme von Werner Schroeter meinen Sie werden dauerhaft im Gedächtnis bleiben?
von Praunheim: Ach, es gibt so viele. Ich meine, ich mag besonders "Die Generalprobe", das war ein wunderbarer Film über ein Theaterfestival. Ich mag den "Rosenkönig" sehr, dem er mit seiner Protagonistin Magdalena Montezuma, die er immer wieder in seinen Filmen verwendet hat, eine sehr außergewöhnliche, großartige Frau, die dann auch kurz danach so wie er jetzt an Krebs verstarb. Das sind wunderbare Filme. Ich hoffe, dass sein Werk, es gibt ja jetzt schon einige Filme auf DVD, aber ich hoffe, dass bald alle Filme auf DVD zugänglich sind und dass man die dann wirklich sehr intensiv betrachten kann.
Timm: Heute*) ist der Film-, Theater- und Opernregisseur Werner Schroeter im Alter von 65 Jahren gestorben. Wir würdigten ihn zusammen mit einem Weggefährten, mit Rosa von Praunheim. Und auch bei "Fazit", in unserer abendlichen Kultursendung, hören Sie natürlich einen Nachruf auf Werner Schroeter. Herr von Praunheim, ich danke Ihnen sehr herzlich!
von Praunheim: Danke auch!
*) Anmerkung der Redaktion: Werner Schroeter verstarb am 12.4.2010.