Erbarmungslos und hochsensibel
Im April 1979 hat sich Breece D’J Pancake mit einem Gewehr erschossen. Er war damals 26 Jahre alt und auf dem besten Weg, ein bewunderter Schriftsteller zu werden. Zwölf seiner eigentümlich schönen Erzählungen aus den Bergbaugebieten West Virginias erscheinen nun erstmals auf Deutsch.
Am 8. April 1979 hat sich Breece D’J Pancake mit einem Gewehr erschossen. Er war damals 26 Jahre alt und auf dem besten Weg, ein bewunderter Schriftsteller zu werden. Die Autorin Joyce Carol Oates hat ihm eine begeisterte Rezension gewidmet und die Short Stories von Breece Pancake mit dem Debüt von Ernest Hemingway verglichen. Kurt Vonnegut hat geschworen, Pancake sei der beste Autor, den er je gelesen habe. Nur zwölf Erzählungen sind von diesem jungen Autor geblieben, 1983 wurden sie in den USA veröffentlicht und nun zum ersten Mal auf Deutsch.
Die Short Stories von Breece Pancake sind tatsächlich ein Ereignis. Erbarmungslos und dabei hoch sensibel leuchten sie das Leben in den Bergbaugebieten West Virginias aus. Pancake ist dort groß geworden und nach dem Studium dorthin zurückgekehrt. Seine Geschichten sind so kraftvoll, weil Pancake diese arme Ecke Amerikas so genau kennt. Seine Helden sind Autoschlosser, Hilfsarbeiter und Bergleute, Trucker und Matrosen. Ein Diakon ist dabei, der Hahnenkämpfe veranstaltet, ein Schläger, der sich in aussichtslose Boxkämpfe treiben lässt. Es ist eine Männerwelt, eine Welt der Arbeit, in der geschraubt, gejagt, gesoffen und geschlagen wird. Frauen tauchen kaum auf, wenn, dann bekommen sie es mit der Gewalttätigkeit ihrer Gefährten zu tun. Diese Männer sind wie fest gekettet an ihr dürftiges Leben.
Ottie ist einer davon. Als junger Mann saß er in einem Auto, mit dem sein Freund Bus gegen einen Brückenpfeiler gerast ist. Beide sind knapp davongekommen, Ottie sollte schuld an diesem Unfall gewesen sein. Seitdem ist er als Trucker mehr auf der Flucht als am Leben. Jetzt kehrt er für einen Abend zu Bus und seiner Familie zurück, vielleicht hofft er auf eine Art Versöhnung oder Vergebung. Was er vorfindet, ist sein schwer kranker Jugendfreund, im Rollstuhl, und dessen Vater, der ihm vor die Füße spuckt und ihn zur Hölle wünscht. Eine Jugendliebe, die Ottie in diesem Haus wiedersieht, würde wohl mit ihm fortgehen. Doch Ottie sieht in dieser gealterten Frau nur noch die Traurigkeit. Am Ende ist er wieder in seinem Truck, wieder unterwegs und weg von allem.
"Bei dieser Trockenheit" heißt diese Geschichte, wie in den meisten der Stories von Breece Pancake ist hier das ganze stille Drama schon in den ersten Sätzen da. In einem schlanken, straffen Stil treibt Pancake das Geschehen voran. Er schaut ganz genau, aber ohne eine Spur von Sentimentalität auf seine Figuren. Seine Geschichten sind völlig unpathetische Tragödien, ganz kurz, ganz knapp gefasst. Ihr Geheimnis ist ihre eigentümliche Schönheit. Die liegt zuallererst in Breece Pancakes Sprache, in seinen dichten Sätzen, in seiner kondensierten Prosa. Ohne den Figuren psychologisch auf den Leib zu rücken, zoomt er sie ganz nahe heran. Ihr hartes Leben wird in Pancakes Erzählung zu einem Ereignis, das er mit ruhiger, eindringlicher Anteilnahme schildert. Es sind nur zwölf Geschichten in einem schmalen Buch, aber mit ihnen hat Breece Pancakes seine Welt aufbewahrt.
Besprochen von Frank Meyer
Breece D'J Pancake: Stories
Übersetzt von Katharina Böhmer
Verlag Weissbooks, Frankfurt am Main 2011
217 Seiten, 19,80 Euro
Die Short Stories von Breece Pancake sind tatsächlich ein Ereignis. Erbarmungslos und dabei hoch sensibel leuchten sie das Leben in den Bergbaugebieten West Virginias aus. Pancake ist dort groß geworden und nach dem Studium dorthin zurückgekehrt. Seine Geschichten sind so kraftvoll, weil Pancake diese arme Ecke Amerikas so genau kennt. Seine Helden sind Autoschlosser, Hilfsarbeiter und Bergleute, Trucker und Matrosen. Ein Diakon ist dabei, der Hahnenkämpfe veranstaltet, ein Schläger, der sich in aussichtslose Boxkämpfe treiben lässt. Es ist eine Männerwelt, eine Welt der Arbeit, in der geschraubt, gejagt, gesoffen und geschlagen wird. Frauen tauchen kaum auf, wenn, dann bekommen sie es mit der Gewalttätigkeit ihrer Gefährten zu tun. Diese Männer sind wie fest gekettet an ihr dürftiges Leben.
Ottie ist einer davon. Als junger Mann saß er in einem Auto, mit dem sein Freund Bus gegen einen Brückenpfeiler gerast ist. Beide sind knapp davongekommen, Ottie sollte schuld an diesem Unfall gewesen sein. Seitdem ist er als Trucker mehr auf der Flucht als am Leben. Jetzt kehrt er für einen Abend zu Bus und seiner Familie zurück, vielleicht hofft er auf eine Art Versöhnung oder Vergebung. Was er vorfindet, ist sein schwer kranker Jugendfreund, im Rollstuhl, und dessen Vater, der ihm vor die Füße spuckt und ihn zur Hölle wünscht. Eine Jugendliebe, die Ottie in diesem Haus wiedersieht, würde wohl mit ihm fortgehen. Doch Ottie sieht in dieser gealterten Frau nur noch die Traurigkeit. Am Ende ist er wieder in seinem Truck, wieder unterwegs und weg von allem.
"Bei dieser Trockenheit" heißt diese Geschichte, wie in den meisten der Stories von Breece Pancake ist hier das ganze stille Drama schon in den ersten Sätzen da. In einem schlanken, straffen Stil treibt Pancake das Geschehen voran. Er schaut ganz genau, aber ohne eine Spur von Sentimentalität auf seine Figuren. Seine Geschichten sind völlig unpathetische Tragödien, ganz kurz, ganz knapp gefasst. Ihr Geheimnis ist ihre eigentümliche Schönheit. Die liegt zuallererst in Breece Pancakes Sprache, in seinen dichten Sätzen, in seiner kondensierten Prosa. Ohne den Figuren psychologisch auf den Leib zu rücken, zoomt er sie ganz nahe heran. Ihr hartes Leben wird in Pancakes Erzählung zu einem Ereignis, das er mit ruhiger, eindringlicher Anteilnahme schildert. Es sind nur zwölf Geschichten in einem schmalen Buch, aber mit ihnen hat Breece Pancakes seine Welt aufbewahrt.
Besprochen von Frank Meyer
Breece D'J Pancake: Stories
Übersetzt von Katharina Böhmer
Verlag Weissbooks, Frankfurt am Main 2011
217 Seiten, 19,80 Euro