Erdogan-Besuch in Brüssel

EU und Türkei verhandeln über Flüchtlingshilfe

Flüchtlinge aus dem Nahen Osten in Bodrum (Türkei)
Flüchtlinge aus dem Nahen Osten in Bodrum (Türkei): Erdogan kritisiert, dass EU-Hilfe bisher ausgeblieben sei. © dpa / picture alliance / Sergey Stroitelev
Von Thomas Otto |
Etwa zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien versorgt die Türkei - nach offizieller Darstellung - in ihrem Land. Eine Zusammenarbeit mit der EU in dieser Frage klappt aber bisher nicht. Ein Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Brüssel soll das ändern.
Es ist eine ganze Liste an Themen, die der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit Kommissionspräsident Juncker, Ratspräsident Tusk und Parlamentspräsident Schulz besprechen dürfte. Eine offizielle Agenda wurde zwar nicht veröffentlicht. Wie die EU-Kommission unserem Studio in Brüssel bestätigte, gibt es aber einen Aktionsplan, der heute diskutiert werden soll. Damit soll unter anderem ein Kernziel erfüllt werden, dass Bundeskanzlerin Merkel beim Sondergipfel vor zwei Wochen so formulierte:
"Der Schutz der Außengrenze zwischen Griechenland und der Türkei wird nicht gehen, ohne dass die Türkei nicht auch hier als Partner gewonnen wird."
Griechische und türkische Küstenwache sollen gemeinsam in der Ägäis patrouillieren und Flüchtlinge in die Türkei zurückbringen. Dafür sollen dort neue Flüchtlingscamps entstehen, in denen insgesamt zwei Millionen Menschen aufgenommen werden können. Außerdem soll die Türkei ihren Arbeitsmarkt öffnen, um Flüchtlingen eine Perspektive zu bieten.
Erdoğan erwartet finanzielle Hilfe für Flüchtlinge in der Türkei
Viele Wünsche an die Türkei, für die Präsident Erdoğan auch ein Entgegenkommen verlangt. So beschwerte sich der türkische Staatschef bereits Anfang September beim Besuch von EU-Ratspräsident Donald Tusk über fehlende Solidarität der EU:
"In diesem Prozess hat unser Land leider nicht genug finanzielle Unterstützung erhalten von der EU und der internationalen Gemeinschaft. Wir haben bisher 6,5 Milliarden Dollar für die Flüchtlinge ausgegeben. Nur 417 Millionen Dollar wurden von anderen Ländern gezahlt. So kann es nicht weitergehen."
Erdoğans Ruf wurde mittlerweile auch in der EU gehört. Laut Aktionsplan könnte sich die EU verpflichten, bis zu einer halben Million Menschen aufzunehmen, die so nach Europa umgesiedelt werden, ohne den gefährlichen Weg über das Mittelmeer nehmen zu müssen. Außerdem sollen auch die neuen Camps in der Türkei von der EU mitfinanziert werden - wie Parlamentspräsident Martin Schulz vergangene Woche schon angedeutet hatte:
"Wir werden mit Herrn Erdogan auch über das Follow-Up des europäischen Rates von der vergangenen Woche reden. Vergangene Woche ist im Europäischen Rat eine Milliarde zusätzlicher Mittel für die Türkei beschlossen worden, die ausgezahlt werden sollen, um der Türkei dabei zu helfen, die Situation in den großen Flüchtlingslagern in der Türkei selbst - wo es ja einen großen Anteil an syrischen Flüchtlingen gibt - um die Lage dort zu stabilisieren in der Türkei."
Gehört die Türkei auf die EU-Liste sicherer Herkunftsstaaten?
Laut EU-Kommission könnte diese Summe auch noch weiter aufgestockt werden. Außerdem könnte die EU der Türkei in der Frage nach Visa-Erleichterungen entgegenkommen. Ein weiterer Diskussionspunkt dürfte heute das Thema sichere Herkunftsstaaten sein. Die EU-Mitgliedsstaaten konnten sich bisher nicht darauf einigen, die Türkei auf die neue, EU-weite Liste sicherer Herkunftsstaaten zu setzen.
"Grundsätzlich ist es so, dass ein Land, das ein Beitrittskandidat zur Europäischen Union ist, ein sicheres Drittland sein muss. Aber ganz sicher ist es so, dass wir die Frage beantworten müssen: Gibt es individuelle Verfolgung in der Türkei?", fordert Parlamentspräsident Martin Schulz.
Am Nachmittag soll Erdoğan in Brüssel begrüßt werden. Danach sind Vieraugengespräche mit den drei Präsidenten der großen EU-Institutionen geplant. Am Abend soll es dann ein gemeinsames Abendessen geben.
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