Cigdem Akyol, Erdogan: Die Biographie, Herder-Verlag, 24,99 Euro.
Leisere Töne nach den Anschlägen in der Türkei
Schon als Kind wurde der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die "Koran-Nachtigall" genannt, weil er so gerne rede, sagt die Journalistin Cigdem Akyol. Sie hat die erste deutschsprachige Biographie über Erdogan veröffentlicht.
"In den letzten Tagen habe ich tatsächlich eher einen untypischen Erdogan erlebt", sagte die Journalistin Cigdem Akyol im Deutschlandradio Kultur. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sei sonst nach Anschlägen immer sehr nationalistisch und hetzerisch aufgetreten. Er habe die Bevölkerung immer regelrecht angeheizt. "Diesmal ist er für seine Verhältnisse doch eher etwas ruhiger aufgetreten." Erdogan habe zwar die Terroristen beschimpft, aber diesmal nicht gegen Journalisten und Vertreter der Zivilgesellschaft gehetzt. Die Veränderung zeige, dass diese Anschlagserie in der Türkei offenbar auch einem Staatspräsidenten Angst mache, sagte Akyol, die gerade die erste deutschsprachige Biografie über Erdogan veröffentlicht hat.
Vor Neuwahlen keine diplomatische Politik
Dennoch sei es sehr unwahrscheinlich, dass sich Erdogan grundsätzlich ändere und zu einem friedlichen Diplomaten wandle. "Wenn man sich Erdogans Vita anschaut, dieses Anheizen, Einheizen, dieses Nationalistische – das ist ganz tief in ihm drin", sagte Akyol. "Er wurde als Kind auch die Koran-Nachtigall genannt, weil er so gerne vorträgt." Das werde er beibehalten, zumal die Türkei auf Neuwahlen zusteuere und eine diplomatische Politik nicht gefragt sei. "Da geht es darum, die Stimmen der Nationalisten zu bekommen."
Kein Erdogan-Interview
Trotz mehrfacher Anfragen habe sie für ihre Biografie kein Gespräch mit Erdogan führen können. Stattdessen habe sie rund 50 Gegner, Freunde und Weggefährten interviewt und im vergangenen Jahr die Wahlkampfverhandlungen Erdogans verfolgt.