"Wie ein großer Bruder, der die verprügelt, die einen hänseln"
Recep Tayyip Erdogan bekommt auch unter in Deutschland lebenden Türken viel Zustimmung. Das liege vor allem daran, dass sich auch gut integrierte Türken noch irgendwie ausgeschlossen fühlen, meint der Soziologe Cüneyt Dinç. Für sie erfülle Erdogan eine besondere Rolle.
Die Frist, innerhalb derer mehr als 1,4 Millionen wahlberechtigte Türken in Deutschland über Erdogans Verfassungsreform abstimmen können, läuft ab. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will damit seine Macht in der Türkei ausbauen. Das Referendum in der Türkei findet am 16. April statt.
Es sei Erdogans Strategie gewesen, über Nazi-Vergleiche und nationalistische Gefühle die Wahlbeteiligung bei den Auslandstürken zu erhöhen, meint der in Deutschland lebende Soziologe Cüneyt Dinç - er sei damit aber gescheitert: Dinç erwartet eine geringere Wahlbeteiligung als bei den Parlamentswahlen im Jahr 2009. "Das Aktivierungspotenzial der AKP in Europa stößt mehr oder weniger an ihre Grenzen", sagt er.
Subjektiv eine Exklusion wahrgenommen
Trotzdem erfährt Erdogan auch unter in Deutschland lebenden Türken viel Zustimmung. Es wirkt wie ein Widerspruch, weil sie ja hier die Freiheit genießen, die Erdoğan in der Türkei einschränken möchte. Viele seien integriert, sprachlich und beruflich, meint Dinç. Trotzdem nähmen sie subjektiv eine Exklusion wahr. "Warum das so ist, müsste man untersuchen", der Wahlkampf habe ja viel Anschauungsmaterial geliefert.
Erdogans Erfolg liege auch darin, dass "da endlich mal jemand kommt, der ihnen sagt: Ihr gehört dazu, ihr seid Teil einer großen Nation." Hinzu komme, dass Erdogan es wagt, Deutschland und Europa die Stirn zu bieten. "Das gefällt den Erdogan-Anhängern. Erdogan ist dann wie ein großer Bruder, der die anderen verprügelt, die einen im Sandkasten hänseln."