Erdogans Nein zur Yücel-Auslieferung

"Nicht so lange ich im Amt bin"

Demonstranten halten Schilder mit der Aufschrift "#FreeDeniz" in die Höhe.
Demonstranten fordern vor der Türkischen Botschaft in Berlin die Freilassung von Deniz Yücel. © dpa/Gregor Fischer
Von Sabine Adler |
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat eine Auslieferung des inhaftierten Journalisten Deniz Yücel an die Bundesrepublik ausgeschlossen. Deutschland verweigere die Auslieferung türkischer Staatsbürger, daher würden Deutsche auch nicht überstellt.
Für den türkischen Präsidenten ist im Endspurt des Wahlkampfes kein Thema tabu. Nach der Ankündigung, dass er direkt nach dem Verfassungsreferendum am Sonntag eine Abstimmung über die Wiedereinführung der Todesstrafe auf den Weg bringen wird, kam vergangene Nacht eine weitere unheilvolle Nachricht – vor allem für Deniz Yücel.
Der deutsch-türkische Journalist wird nicht ausgeliefert, sagte Recep Tayyip Erdogan. Das Schicksal des seit Februar in türkischer Untersuchungshaft sitzenden Autors der Tageszeitung "Die Welt" ist damit völlig ungewiss. Auf dem nationalen türkischen Nachrichtenkanal TGRT, der als regierungsnah gilt, schloss Erdogan eine Auslieferung aus. Er nannte Deniz Yücel nicht beim Namen, hob aber konkret auf seine Fall ab.
Einer der drei Journalisten, die den Präsidenten interviewten, bezog sich in seiner Frage zunächst auf türkische Diplomaten und Militärangehörige, die fürchten, aus EU-Ländern in ihr Heimatland zurückzukehren. Er fragte: "Ich habe gehört, dass 256 Personen in Deutschland und Griechenland um Asyl bitten. Sie haben nicht die Absicht, in die Türkei zurückzukommen. Der griechische Premierminister Tsipras hat der Türkei versprochen, diese Personen auszuliefern, hat es aber nicht getan."

"Er ist ein Spion, Terrorist"

Erdogan fällt dem Journalisten ins Wort und sagt: "In 15 bis 20 Tagen werden sie in der Türkei sein, wie Tsipras es versprochen hat." -Der Journalist weiter: "Was werden wir nun tun? Es scheint, dass die EU-Mitglieder die Fethullah-Gülen-Organisation schützt. Und parallel laufen Mitgliedsverhandlungen zwischen der EU und der Türkei. Wir als Mitglied der NATO - was werden wir tun?"
Erdogan antwortet: "Wir werden das tun, was sie tun. Das ist sehr einfach. Wenn jemand von ihnen in unseren Händen ist, werden wir ihn nicht ausliefern."
Der Journalist vergewissert sich: "Wir werden also niemanden zurückgeben." - Erdogan sagte: "Genau. Solange ich in diesem Amt bin - niemals. Hier ist jemand und jemand kam, der ihn haben wollte. Sie wissen, dass es ein deutsches Konsulat gibt, das ihn einen Monat lang beherbergte. Davon haben wir erfahren. Und da habe ich zu Merkel gesagt, wir können ihn nicht ausliefern. Zunächst muss ein Gericht über den Fall entscheiden. Wir haben Gerichte hier. Das Gericht entschied. Er ist jetzt in Haft. Wir haben Video-Kassetten."
Der Journalist fragt: "Hat er Beziehungen zur PKK?""Ja, er ist ein Spion, Terrorist. Journalisten beschäftigen sich nicht immer nur mit Journalismus – mit Ausnahme von Ihnen natürlich. Wir wissen alles, was Journalisten tun. Falls jemand in die Türkei für terroristische Aktivitäten kommt, dann tue ich, was nötig ist."

"Wir werden auf Europa nicht verzichten"

Die Ankündigung dürfte auch für Yücels Ehefrau ein Schlag sein, die beiden hatten unlängst im Gefängnis geheiratet. Ob Erdogan sich demnächst eines Besseren besinnt, ist ungewiss. Professor Huseyin Bagci von der Nahost-Universität in Ankara verweist auf einen Fall in jüngster Vergangenheit, der freilich eher politisch-diplomatischer Natur war. Es ging um Erdogans mehrfach vorgebrachte Vergleiche der Bundesregierung mit Nazis und Faschisten, die auch die niederländische Regierung zu hören bekommen hat.
"Vorgestern hatte ich einen europäischen Diplomaten getroffen. Mehmet Şimşek, der stellvertretende Ministerpräsident, hat alle Diplomaten der Europäischen Union getroffen und gesagt: Tut mir leid, dass wir so eine Rhetorik haben, das ist wirklich sehr schlecht. Aber wir wollen nicht auf Europa verzichten. Und was der Präsident in Izmir gesagt hat, ich zitiere: Wir werden auf Europa nicht verzichten, Europa ist für uns das allerwichtigste."
Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu kündigte an, das Ankara nach dem Referendum am Sonntag auf der Visa-Liberalisierung bestehen werde, die Teil des Flüchtlingsdeals zwischen der Türkei und der EU war. Die EU habe die Visa-Freiheit für Länder aufgehoben, mit denen anders als mit der Türkei nicht einmal EU-Beitrittsverhandlungen geführt würden. Die EU fordert Nachbesserungen in sieben von 72 Punkten, vor allem die Reform des türkischen Anti-Terrorgesetzes.
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