"Jeder einzelne Muskel ist gefordert"
Wie bereiten Schauspielschulen ihre Absolventen auf die Herausforderungen des Berufs vor? Zwei Studierende berichten über ihre Ausbildung in Berlin und Stuttgart – und sprechen über ihre Vorstellung vom Theater.
Das Theater will und muss zukunftsfähig sein, deshalb braucht es engagierten und kritischen künstlerischen Nachwuchs, der frischen Wind ins System bringt. Im Gespräch berichten Antonia Scharl, die im dritten Jahr an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin studiert, und Jannik Mühlenweg, der gerade seinen Abschluss an der staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart gemacht hat, aus der Sicht der Schauspielschüler.
Politische Haltung und Verantwortung
"Es ist sehr einnehmend und allumfassend", beschreibt Antonia Scharl ihr Studium. "Schauspielerin oder Schauspieler zu sein, ist etwas sehr Ganzheitliches. Man ist mit seinen Gedanken da drin, man ist mit seinem Körper da drin, mit seiner Seele, mit allem", sagt Scharl. "Alles ist gefordert, jeder einzelne Muskel. Und verändert man irgendwas, ist es komplett sichtbar auf der Bühne. Das ist das Besondere, und auch der Grund warum ich diesen Beruf so liebe und ihn machen möchte."
Heute, wo sich das Theater nicht nur mit neuen Spielformen beschäftigt, sondern auch wieder verstärkt als moralische Anstalt begreift, die auf die Gesellschaft einwirken will, wird es auch für junge Schauspielerinnen und Schauspieler immer wichtiger, mit einer klaren politischen Haltung auf die Bühne zu treten.
"Ich finde, eine Schauspielerin ist, wie jeder Mensch im besten Fall, politisch und bewusst und mündig. Deshalb freue ich mich darauf", sagt Antonia Scharl, "und fordere das auch, will auch selber solche Themen behandeln. Das Theater ist natürlich irgendwo ein öffentlicher Ort und hat dadurch noch mal eine andere Form von Verantwortung."
Wie steht es um die "moralische Anstalt" heute?
Jannik Mühlenweg stimmt durchaus zu, macht aber Einschränkungen: "Ich finde den Begriff der moralischen Anstalt total schwierig. Ich hätte jetzt privat gar keinen Bock, abends in eine moralische Anstalt zu gehen und mich irgendwie belehren zu lassen, wie ich zu leben habe. Ich finde es viel wichtiger, den Raum zu nehmen – als einen gemeinsamen, wo man zusammen über Dinge nachdenken kann."
Ab der nächsten Spielzeit gehört er selbst zum Ensemble des Schauspiel Stuttgarts, wo er bereits in Claus Peymanns "König Lear"-Inszenierung mitgewirkt hat. "Eine ganz tolle Erfahrung, für die ich sehr dankbar bin, aber auch eine wahnsinnig harte Schule, wo eben auch wirklich Theaterwelten aufeinander prallen. Eine Inszenierungsart, die ich so einfach noch nicht erlebt und gesehen habe. Im Endeffekt ist es, glaube ich, immer produktiv, wenn da Welten aufeinanderprallen, weil dann etwas Neues entsteht oder man auch im Kontrast zu jemandem, eine Rolle entwickeln kann."