Adolphe Sax und seine Tröte

Sanft wie ein Holzblasinstrument und laut wie eine Trompete – so sollte es sein, das Instrument seiner Träume. Doch kaum jemand dankte Adolphe Sax die Erfindung des Saxofons. Jedenfalls nicht zu seinen Lebzeiten.
Neu erfundene Instrumente sind selten in der Musikgeschichte, und vor der Erfindung der Transistoren gab es meist nur süffisante Weiterentwicklungen von archaischen Tröten und Fluten.
Und das hatte einen Sinn, denn zum traditionellen Selbstverständnis einer bewaffneten Nation, die sich gegebenenfalls gegen böse Aggressoren verteidigen muss, gehörte das scheppernde, ebenfalls klappernde und vor laut durchdringende Hufftata der Militärkapellen.
Sanfte Instrumente hingehen, die den lieblichen Fluss des Baches nachspielen konnten wie die Klarinette oder die Oboe - waren unmännliche Erfindungen für den zierlichen Einsatz in schöngeistigen Salons.
Adolphe Sax nun, der belgische Klarinetten-Fachmann, dem das Leben unschön mitgespielt hat, versuchte den Coup seines Lebens zu landen, in dem er – diese sanften Holzblasinstrumente lauter machte, damit sie gegen den schmetternden Wust und Pomp der Trompeten und Hörner ansingen konnten.
Das Dumme war nur, dass sich dies neue Instrument nicht exakt unterordnen ließ: weder ins Hufftata der Militärkapellen - noch in den geordneten Wohlklang des Sinfonieorchesters. Das Saxofon erfordert, wenn man es ernst nimmt, den Willen des Spielers zum Ausdruck, sonst klingt es – grässlich. Und diese Spielhaltung war für Orchester – irgendwie zu individuell.
Andererseits war es auch nicht dazu da, den Untertanen oder anderen Weicheiern so richtig geradeaus den Marsch zu blasen: Stattdessen blies das Saxophon den Zuhörern mal so richtig die Gefühle: Es lud ja förmlich ein zu lamentieren. Zu säuseln, zu schnattern und zu schreie. Und all das in ein und demselben Stück.
Ein Bastard aus der Gosse
Ein Bastard aus der Gosse war dieses Instrument, offensichtlich - wie irgendwie ja auch sein Erfinder: Adolphe Sax - das erste von elf Kindern eines verarmten Instrumentenbauers, überlebt nur knapp einen Treppensturz, verschluckt eine Nadel, verbrennt sich schwer am Ofen und vergeht fast an einer Vitriol-Vergiftung.
Sein Saxofon wurde dann zunächst begeistert von ein paar zeitgenössischen und nicht dem Hufftata verpflichteten Komponisten wie Berlioz bejubelt, die aber dann auch nicht viel Musik für dieses Instrument schrieben - wahrscheinlich, weil es kaum Musiker gab, die dieses Instrument lernen wollten.
Das Saxofon hatte einen derart schlechten Ruf, dass Orchestermusiker protestierten, Instrumentenbauer dem Erfinder seine Entwürfe vernichteten, sie bezichtigten ihn sogar der Geisteskrankheit und brachten Prozesse auf den Weg. Adolphe Saxens Firma ging folgerichtig bankrott, Adolphe verarmte, und als er 1894 starb, erschien - ein einziger kleiner Nachruf in einer Zeitung für Instrumentenbau.
Es dauerte tatsächlich beinahe hundert Jahre, bis der Jazz dieses Wundergerät entdeckte - als multikompatibles Ausdrucksmittel wie sonst nur die menschliche Stimme - eine liberale Musik im wahrsten Sinne des Wortes, die stets nach Ausdruck suchte.
Und zuletzt konnte das hässliche Enlein mit dem quietschigen sogar richtig Geld verdienen – als sanft säuselndes Sandmännchen für gefühlsduselige einsame Damen.
Um dann auf der gegenüberliegenden Seite, bei den Kuschel-Verweigerer - als Instrument gewordenes Maschinengewehr gegen die bürgerliche Bequemlichkeit im Ohr.