Altkanzler siegt gegen Buchautor
Der Autor Heribert Schwan darf in seinem Bestseller über Helmut Kohl die meisten der 115 umstrittenen Zitate des Altkanzlers nicht mehr verwenden. Das hat das Landgericht Köln entschieden. Der Heyne-Verlag darf das Buch "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle" nicht mehr ausliefern, hat dagegen aber bereits Berufung eingelegt.
Es war wohl die längste Urteilsverkündung, die Richter Martin Köpsel in seiner bisherigen Laufbahn verlesen hat. Weit über hundert Zitate von Helmut Kohl, in denen der Altkanzler mit großer Kreativität seine politischen Freunde und Feinde im In- und Ausland kritisiert, beleidigt oder seine Späßchen über sie macht.
Maggie Thatcher und Lady Di kommen genauso an die Reihe wie Ex-Kanzler Gerhard Schröder oder Angela Merkel. Es geht um Tischmanieren, um schlafende Regierungschefinnen auf Staatsgipfeln und um vermeintliche Versager aller Art, über die Helmut Kohl sich in seinen Gesprächen mit dem Journalisten Heribert Schwan ausließ.
Gemeinsam mit seinem Co-Autor Tilman Jens hat Schwan daraus einen Bestseller verfasst. Vor gut einem Monat ist das Buch mit dem Titel "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle" erschienenen, doch die umstrittenen Zitate dürfen ab sofort nicht weiter veröffentlicht werden. Das hat die 14. Zivilkammer am Kölner Landgericht heute entschieden – ein klarer Sieg für Helmut Kohl. Sein Anwalt Thomas Hermes zeigte sich zufrieden nach der Verkündung und gab dem Beklagten noch einmal folgendes mit auf den Weg:
"Heribert Schwan ist ein Verräter, er ist ein Dieb geistigen Eigentums, er hat moralisch extrem unanständig und schäbig gehandelt. Er hat juristisch gesehen einen eklatanten Vertragsverstoß begangen und die Persönlichkeitsrechte von Helmut Kohl in schwerem Umfang verletzt. Dies hat das Landgericht Köln uns heute bestätigt, und deshalb sind wir mit dem heutigen Urteil sehr zufrieden."
Heribert Schwan war nicht vor Gericht erschienen
Heribert Schwan revanchierte sich umgehend mit nicht weniger drastischen Worten. Der Anwalt von Helmut Kohl sei ein "Winkeladvokat, dessen Diffamierungen er wohl ertragen" müsse, so äußerte sich Schwan nach der Verhandlung gegenüber unserem Programm, vor Gericht war er zuvor nicht erschienen.
Längst ist aus den gleich mehrfachen Rechtsstreitigkeiten eine persönliche Abrechnung zweier machtbewusster Männer geworden. Noch vor zwölf, 13 Jahren verstanden sie sich so gut, dass sie in den Jahren 2001 und 2002 stundenlang in Oggersheim beisammen saßen und Gespräche führten, die Heribert Schwan auf Tonband aufnahm.
Auf Basis dieser Tonbänder wollte der Journalist als Ghostwriter die Memoiren von Helmut Kohl veröffentlichen, doch dann kam es zum Zerwürfnis. 2009 kündigte der Altkanzler die Zusammenarbeit mit Schwan auf. Eigenmächtig hat der vermeintliche Ghostwriter zwischenzeitlich nun das Buch mit den jetzt verbotenen Zitaten verfasst. Das hätte er nicht tun dürfen, denn aus den Verträgen, die beide Seiten mit Buchverlag geschlossen hatten, sei eine "Geheimhaltungsabrede" herauszulesen, so heißt es in der heutigen Urteilsbegründung:
"Gerade bei Herrn Schwan war entscheidend, dass hier ein Vertrag mit Herrn Kohl vorlag. Und dieser Vertrag gab letztendlich den Ausschlag, dass hier ein Unterlassungs-Anspruch in weitaus größerem Umfang bestand als dass gegenüber dem Verlag und dem anderen Mit-Autor der Fall war."
Was wiegt mehr, die Persönlichkeitsrecht oder die Pressefreiheit?
Erklärt Christian Hoppe, Sprecher am Landgericht Köln. Entscheidend, das wurde heute im Gericht immer wieder deutlich, ist die Frage, was mehr wiegt. Die Persönlichkeitsrechte von Helmut Kohl oder die Presse- und Meinungsfreiheit, auf die sich Heribert Schwan beruft. Diese Begründung sei jedoch nicht ausreichend, meint der Gerichtssprecher:
"Er hatte darauf vertraglich verzichtet, als Autor benannt zu werden und damit auch als Ghostwriter sich in die Rolle begeben, als derjenige, der eben nicht nach außen in Erscheinung tritt."
Helmut Kohl, so sagte Richter Martin Köpsel heute, habe sich nur deshalb so unbefangen etwa über die Tischmanieren einer führenden deutschen Politikerin geäußert, weil er, der Altkanzler gedacht habe, alles unter Kontrolle zu haben, also angenommen habe, dass seine vertraulichen Bemerkungen so nicht nach draußen dringen.
Das sind sie nun doch und aufgrund ihres deftigen Charakters stoßen sie auf riesiges Interesse bei Politik, Medien und Öffentlichkeit. Jene Buchexemplare, die schon in den Geschäften ausliegen, sind vom Verbot nicht betroffen, es dürfen nur keine weiteren Exemplare ausgeliefert werden und die Zitate nicht mehr zitiert werden.
Heribert Schwan will jetzt in Berufung gehen, während die Anwälte von Helmut Kohl ihrerseits schon einmal Schadenersatz-Forderungen ankündigen. Mit seinem Versuch, das ganze Buch von Schwan verbieten zu lassen, war der Altkanzler zuvor allerdings gescheitert. Gestritten wird aber weiterhin noch über die Herausgabe der Tonbänder und deren Kopien. Das Duell Kohl-Schwan ist noch längst nicht beendet.