Warum die Wasserbetriebe wieder den Berlinern gehören
Seit Dezember 2013 sind die Berliner Wasserbetriebe wieder vollständig im Besitz der Hauptstädter. Die erste komplette Rekommunalisierung eines Landesunternehmens konnte auf Druck der Einwohner erreicht werden - mit einem erfolgreichen Volksentscheid.
Vor einem winzigen Häuschen im Berliner Osten hebt Lars Asbeck von den Berliner Wasserbetrieben eine kleine Metallplatte im Bürgersteig an. Dann dreht er im Untergrund mit einem riesigen Metallschlüssel den Wasseranschluss zu. Der Anschluss gehört einem Rentner, der hinter dem Gartenzaun steht und fassungslos zusieht:
"Sie wissen ja, warum zu ist?"
"Ja, weil wir nicht bezahlen können."
"Überhaupt nicht?"
"Wie denn? Ich weiß nicht, wo ich das Geld hernehmen soll."
"Ja, weil wir nicht bezahlen können."
"Überhaupt nicht?"
"Wie denn? Ich weiß nicht, wo ich das Geld hernehmen soll."
Kurzsichtiger Anteilsverkauf Ende der 90er
In der Bundeshauptstadt sind die Einkünfte niedrig und die Wasserpreise hoch – obwohl die Berliner Wasserbetriebe seit Dezember 2013 nach einem Volksentscheid wieder den Berlinern gehören. Die erste komplette Rekommunalisierung eines Landesunternehmens.
1999 hatte Berlin 49,9 Prozent der Wasserbetrieb an RWE und Veolia für knapp 1,7 Milliarden Euro verkauft - hauptsächlich um das Haushaltsdefizit des Vorjahres auszugleichen. Damit hielt Berlin zwar noch die Hälfte der Anteile, konnte aber nicht mehr allein entscheiden. Kein guter Zustand, sagt Christian Gäbler von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung aus heutiger Sicht:
"Also der Volksentscheid war sicher noch mal eine Begleitung, dass das Thema Wasser in der Bevölkerung ein gewisses Interesse hat. Also dass da auch ein Bewusstsein für da ist und deshalb haben wir gesagt: Dann investieren wir lieber in den Rückkauf und sind dafür auch wieder Herr im eigenen Hause sozusagen."
Üppige Gewinngarantien für die Käufer
Zumal es für die privaten Anteilseigener RWE und Veolia in geheimen Verträgen üppige Gewinngarantien gab:
"Und diese Gewinngarantien müssen finanziert werden durch enorm hohe Wasserpreise."
Sagt Thomas Rudek von der Initiative Berliner Wassertisch. Die gründete sich 2007 und initiierte ein Volksbegehren. Die Unterstützung der Berliner war riesig, denn die Wasserpreise in der Stadt entwickelten sich zu den höchsten in Deutschland. Die Berliner ärgerten sich:
"Ich bin gegen diese Privatisierung auf jeden Fall von den Berliner Wasserbetrieben. / Wir haben in Berlin das teuerste Wasser wohl in Deutschland und das muss nicht sein. / Und dann geht es darum, dass Wasser ja ein hohes Gut ist und aus meiner Sicht in den Besitz des Staates und die Verwaltung des Staates gehört."
Schluss mit den Geheimverträgen
Das Volksbegehren des Berliner Wassertischs stand unter dem Motto: Schluss mit Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück. Es ging also nicht allein um die Preise, sondern auch um eine Rekommunalisierung, sagt Gerhard Seyfarth von der Bürgerinitiative:
"Ausgerechnet Wasser ist ja ein Grundnahrungsmittel und wird nicht nur für die Ernährung benutzt, sondern auch für die Hygiene und für die Sauberhaltung der Stadt. Von daher denken wir grundsätzlich, dass also mit dem Wasser keine Profite gemacht werden sollen, das ist eine Grundlage der menschlichen Existenz überhaupt."
Denn die Profite waren beträchtlich. Satte 270 Millionen Euro teilten sich das Land, RWE und Veolia zum Beispiel im Jahr 2010.
Überwältigende Mehrheit für den Rückkauf
2011 wurde abgestimmt. Die Wahlbeteiligung beim Volksbegehren betrug fast 30 Prozent und 98,2 Prozent Ja-Stimmen für die Offenlegung der Verträge und eine Rekommunalisierung. Der dritte Volksentscheid in der Geschichte Berlins und der erste erfolgreiche. Initiator Thomas Rudek am Abend der Entscheidung:
"Ich bin total überwältigt, glücklich. Aber es war sehr anstrengend. Der erste Volksentscheid in Berlin, finde ich einfach toll, bei dem hohen Quorum, das mit wenig Geld zu erreichen, aber mit vielen, vielen Menschen."
Für 618 Millionen Euro kaufte Berlin erst die Anteile von RWE und später für 590 Mio Euro die von Veolia zurück. 2013 waren die Wasserbetrieb wieder vollständig im Besitz des Landes. Der damalige Finanzsenator Ulrich Nussbaum:
"Ich bin der festen Auffassung, dass die Menschen auch in 1000 Jahren oder in 100 Jahren wenn Sie nicht so weit gucken wollen, Wasser trinken und brauchen werden, deshalb ist es ein langfristiges Investment. Und ein langfristiges Investment im Bereich Wasserversorgung halte ich auch wirtschaftlich für richtig."
Gewinnbringer trotz erzwungener Preissenkungen
Die Wasserpreise blieben jedoch erst mal so hoch wie sie waren, schließlich musste der Rückkauf finanziert werden. Nach einem Kartellamtsurteil mussten die Frischwasserpreise in Berlin allerdings um 14 Prozent gesenkt werden. Die Abwasserpreise sanken um 6 Prozent. Für jeden Berliner macht das jetzt 22 Euro weniger Wasserkosten im Jahr.
Geschadet hat das den Berliner Wasserbetrieben bis jetzt nicht. Fast 100 Millionen Euro führten sie im vergangenen Jahr, dem ersten nach der Rekommunalisierung, aus ihrem Gewinn an den Berliner Haushalt ab. Bis 2018 sollen die Wasserpreise in Berlin stabil bleiben.
Wer in Berlin den Wasserhahn aufdreht, sieht nun also - in gewisser Hinsicht – sein eigenes Wasser ins Waschbecken fließen – teuer bezahlt.