Podcast über Amoklauf in Erfurt
In dem Gutenberg-Gymnasium in Erfurt arbeit auch 20 Jahre nach dem Amoklauf noch derselbe Hausmeister. Auch er ist im Podcast "71 Schüsse" zu hören. © imago / Eckehard Schulz
Wie das Leben weiterging
10:57 Minuten
20 Jahre nach dem Amoklauf von Erfurt hat sich der ehemalige Schüler Marcel Laskus auf Spurensuche gemacht. Der Journalist der Süddeutschen Zeitung hat seine Recherche in einer siebenteiligen Podcast-Serie verarbeitet.
Am 26. April 2002 erschießt ein ehemaliger Schüler am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt 16 Menschen. Der damals zwölfjährige Marcel Laskus sitzt während des Amoklaufs in einem Klassenzimmer, als Schüler der 6b.
Heute ist er Redakteur der Süddeutschen Zeitung. Zwanzig Jahre später ist Laskus an seine ehemalige Schule zurückgekehrt. Wie hat die Tat die Überlebenden geprägt, die Angehörigen – und ihn selbst?
Aus der Recherche hat der Journalist eine siebenteilige Podcastreihe gemacht: „71 Schüsse – Mein Leben nach dem Schulamoklauf in Erfurt“.
"Die Erinnerungen wurden blasser"
Bis zum Versuch der Aufarbeitung musste viel Zeit vergehen: Lange habe er sich nicht mit dem Geschehen befassen wollen, sagt Laskus.
Er habe damals Glück gehabt: Keinen der Morde habe er direkt mit ansehen müssen, sagt der Journalist. Laskus wechselte die Schule, bekam neue Lehrer: „So ging das Leben weiter, die Erinnerungen wurden blasser.“
Den einen Grund gibt es nicht
Einer großen Anzahl seiner Mitschülerinnen und Mitschüler erging es anders: Über hundert befanden sich noch ein Jahr nach der Tat in psychologischer Behandlung. Und viele könnten selbst heute noch nicht über den Tag und die Folgen sprechen, sagt Laskus.
Die augenfälligste Erklärung für den Amoklauf sei Perspektivlosigkeit, meint er: Der Täter Robert S., 19 Jahre alt, war von der Schule verwiesen worden und hatte keinen Abschluss. „Aber sicher gab es noch viele andere Gründe“, so Laskus.
Die fragwürdige Rolle der Medien
Auch mit der fragwürdigen Rolle der Medien beschäftigt sich Laskus in dem Podcast: Um sich exklusive Bilder zu sichern, sollen Journalisten damals Fotos vom Gedenkort entfernt haben.
Andere sollen sich als Seelsorger ausgegeben haben, um mit Zeugen zu sprechen: „Das ist wirklich das Schlimmste, was man machen kann als Journalist“, sagt Laskus.
Der Umgang der Medien mit solchen Taten habe sich jedoch in den vergangenen 20 Jahren verändert: Heute würden auch die Geschichten der Opfer erzählt und nicht nur auf den Täter geschaut.