Die Autokonzerne kommen ungeschoren davon
Der Großen Koalition fehlt der Mut, die Dieselkrise beherzt anzugehen: Sie wird die Autohersteller nicht zur Nachrüstung zwingen. Das beschlossene Maßnahmenpaket verlangt den Autoherstellern kaum etwas ab, bemängelt Gerhard Schröder.
Wer wissen will, wer der große Gewinner des nächtlichen Koalitionsgipfels war, sollte einen Blick auf die Börse werfen. An einem Tag, an dem die Aktienkurse auf breiter Front sackten, konnten allein die Autowerte zulegen. Und das aus gutem Grund: BMW, Daimler und Volkswagen kamen weitgehend ungeschoren davon.
Das großangekündigte Maßnahmenpaket, mit dem die Bundesregierung die Luft in den Städten verbessern und großflächtige Fahrverbote für Dieselautos verhindern will, verlangt den Autokonzernen kaum etwas ab. Kein Wunder, dass die Analysten begeistert sind.
Leidtragende der nächtlichen Krisensitzung sind dagegen die Autofahrer und die Bewohner in den Innenstädten. Sie müssen weiter mit der schlechten Luft leben. Und können wohl demnächst nicht mehr mit ihren Autos in die Innenstädte fahren.
Wenn Verkehrsminister Andreas Scheuer gleichwohl von einem "sehr, sehr großen Schritt" spricht, dann verwundert das nicht. Die Bundesregierung steht unter großem Druck. In Bayern und Hessen stehen wichtige Landtagswahlen an. Da ist es gut, wenn man so zumindest so tut, als hätte man eine Lösung parat.
Drohende Fahrverbote verhindert
So tun als ob. Zu mehr reicht es bei dieser Bundesregierung offenbar nicht mehr. Statt dafür zu sorgen, dass dreckige Dieselautos von den Straßen verschwinden, will die Bundesregierung die Grenzwerte für Euro-5-Fahrzeuge lockern, um drohende Fahrverbote zu umgehen. Das dürfte kaum helfen, die Luft in den Städten zu verbessern.
Hilfreicher könnte es da schon sein, wenn die Autohersteller ihren Kunden großzügige Rabatte anbieten, damit sie ihre alten Dreckschleudern gegen neue, saubere Fahrzeuge eintauschen. Das aber tun die Autokonzerne ohnehin schon, um den Absatz anzukurbeln. Als politische politische Großtat kann die Bundesregierung das kaum verkaufen.
Ohnehin stellt sich die Frage, was mit denen ist, die sich kein neues Auto leisten können. Die können ihre Fahrzeuge nachrüsten, sagt die Bundesregierung. Das wäre ohne Zweifel die wirksamste Maßnahme, um die Autos sauberer zu machen und damit Fahrverbote zu verhindern.
Der ADAC hat das getestet. Ergebnis: Die Stickoxid-Emissionen sinken um über 90 Prozent, wenn alte Dieselfahrzeuge mit einem SCR-Katalysator nachgerüstet werden. Kostenpunkt: Etwa 2000 bis 3000 Euro.
Zur großflächigen Nachrüstung wird es nicht kommen
Das wäre ohne Zweifel der Königsweg, um die Dieselkrise zu lösen. Und eine politische Großtat wäre es, wenn die Bundesregierung diejenigen dafür zahlen ließe, die die Misere verursacht haben: nämlich die großen Autokonzerne. Die waren es, die die Abgassäuberungen in den Fahrzeugen manipuliert und so dafür gesorgt haben, dass vielmehr giftige Stickoxide in die Luft geblasen werden, als eigentlich gesetzlich vorgesehen ist.
Doch zur großflächigen Nachrüstung wird es nicht kommen: Die großen Autokonzerne machen da nicht mit. Und der Bundesregierung fehlt der Mut und die Entschlossenheit, sie zur Nachrüstung der alten Dieselflotte zu zwingen. Technisch nicht machbar, sagt BMW. Zu teuer, sagen VW und Daimler. Es gibt noch Meinungsverschiedenheiten, räumt kleinlaut der Bundesverkehrsminister ein.
Für große Herausforderungen braucht man Große Koalitionen. So hieß es früher einmal. Insofern war es eine große Chance, die sich CDU, CSU und SPD bot. Sie hätten zeigen können, dass sie zur Lösung großer Probleme in der Lage sind.
Sie sind an dieser Bewährungsprobe in der vergangenen Nacht kläglich gescheitert.