Wenn der Weihnachtsmann seinen Bart abnimmt
Was macht der Weihnachtsmann nach dem Fest der Liebe? Erich Kästner ist dieser Frage bereits 1949 nachgegangen. "Interview mit dem Weihnachtsmann" erscheint jetzt zusammen mit weiteren Geschichten und Gedichten als Hörbuch.
"Oh, der eilige Nikolaus"
"Der heilige, wenn ich bitten darf, mit 'H'"
"Der heilige, wenn ich bitten darf, mit 'H'"
Es klang ein wenig pikiert.
"Als Junge hab ich Sie immer den eiligen Nikolaus genannt, ich fand's plausibler."
"Sie waren das?"
"Erinnern Sie sich noch daran?"
"Ja, natürlich."
"Erinnern Sie sich noch daran?"
"Ja, natürlich."
Boris Aljinovic spricht in verteilten Rollen, sehr schön, mit genau dem richtigen Timing. Der Nikolaus bekommt Kaffee, isst vier Stück Rosinenstollen und erzählt nach einer Zigarre, was er den Rest des Jahres macht:
"Im Januar mach ich dann die Bilanz, Weihnachten wird von Jahrhundert zu Jahrhundert teurer, dann lese ich die Dezemberpost, vor allem die Kinderbriefe, hält kolossal auf, ist aber nötig, sonst verliert man den Kontakt mit der Kundschaft, Anfang Februar lass ich mir den Bart abnehmen."
Geldbeutel, Zigarren, sogar das goldene Feuerzeug ist fort
Später kann der Gastgeber so einige Dinge nicht mehr wieder finden, die - das ist sofort klar - eigentlich nur der bärtige Besucher mitgenommen haben kann: Geldbeutel, Zigarren, sogar das goldene Feuerzeug ist fort. Ein Glück:
"Feuer zu haben, aber nichts zu rauchen im Haus, das könnte mir den ganzen Abend verderben."
Auf dieses ganz wundervolle Interview aus dem Jahr 1949, folgen Geschichten und Gedichte, die Ende der 20er-, Anfang der 30er-Jahre erschienen.
So wird für Tante Olga in der Ferne – das gab es wirklich – ein "Sprechbrief" aufgenommen, eine Schallplatte. Die sich die Tante dann beim Bürgermeister, der ein Grammophon hat, anhört:
Man saß im großen Kreis rund um den Apparat, die Nadel schnarrte und dann begann die Platte zu sprechen:
"Einen Vorzug hat diese Art Glück zu wünschen schon, man braucht der alten Schraube dabei nicht ins Gesicht zu sehen."
"Aber es ist deine Tante nicht meine."
"Na los, sag was Nettes!"
"Was denn? Vielleicht ob sie hundert Jahre alt werden will? Sitzt in der Provinz auf ihrem Geld, diese knausrige Person."
Wenn die Deutsche Bank Gott das Konto sperrt
Kästner, der Satiriker. Zu hören ist auch der genaue Beobachter und Kritiker seiner Zeit. Wenn Gott etwa selbst auf Erden kommt und dann zynischerweise zuerst Geschenke für die Kinder der Reichen kauft, bis ihm das Geld aus geht und die Deutsche Bank ihm das Konto sperrt.
"Und so konnte er nichts weiter schenken, Gott ist gut, und weiß es, und wahrscheinlich war ihm die Geschichte äußerst peinlich, deshalb sprach er etwa zehn Minuten, zu drei sozialistisch eingestellten Journalisten, die ihn interviewten, von der Welt, als bester aller Welten. Und die Armen müssten nichts entbehren, wenn es nur nicht so sehr viele wären."
Auf dem Hörbuch findet sich auch Kästners Lebensthema, das auch in seinen Kinderbüchern immer wieder auftaucht: Der Junge aus einfachen Verhältnissen, der seine Mutter bedingungslos liebt.
"Hast du deine Mutter sehr lieb?"
Der Junge nickte selig und flüsterte: "Mächtig und grüßen Sie bitte Ihre Mutter auch vielmals von mir."
"Das geht leider nicht mein Junge, denn sie ist seit drei Jahren tot."
Der Junge nickte selig und flüsterte: "Mächtig und grüßen Sie bitte Ihre Mutter auch vielmals von mir."
"Das geht leider nicht mein Junge, denn sie ist seit drei Jahren tot."
Nicht alle Geschichten und Gedichte auf einem Niveau
Und so kommen hier ganz unterschiedliche Stimmungen zum klingen, auch wenn nicht alle Geschichten und Gedichte den Witz und den Charme des titelgebenden "Interviews mit dem Weihnachtsmann" haben. Dafür hat Kästner noch einen zeitlosen Rat für den Jahreswechsel, an dem man sich besser halten sollte, so eindringlich wie ihn Mechthild Großman zitiert:
"Man soll das Jahr nicht mit Programmen
beladen wie ein krankes Pferd.
beladen wie ein krankes Pferd.
Wenn man es allzu sehr beschwert,
bricht es zu guter letzt zusammen.
Je üppiger die Pläne blühen, umso verzwickter wird die Tat.
Man nimmt sich vor, sich zu bemühen
und schließlich hat man den Salat.
Es nützt nicht viel, sich rot zu schämen,
es nützt nichts und es schadet bloß,
sich tausend Dinge vorzunehmen.
Lasst das Programm und bessert auch drauf los."
bricht es zu guter letzt zusammen.
Je üppiger die Pläne blühen, umso verzwickter wird die Tat.
Man nimmt sich vor, sich zu bemühen
und schließlich hat man den Salat.
Es nützt nicht viel, sich rot zu schämen,
es nützt nichts und es schadet bloß,
sich tausend Dinge vorzunehmen.
Lasst das Programm und bessert auch drauf los."