Erik Kriek: "In the Pines – 5 Murder Novels" Graphic Novel, avant-verlag 136 Seiten inkl. CD, 24,95 Euro
Uramerikanische Grausamkeiten
"Die Murder Ballads" sind fester Bestandteil der amerikanischen Musikszene und schon oft interpretiert worden. Einige der grausamen Erzählungen, die sich zumeist auf den Wilden Westen beziehen, fügt der niederländische Zeichner Erik Kriek in "In the Pines – 5 Murder Ballads" zu einer Graphic Novel zusammen.
Nur drei Tage lang währt die kurze Liebe zwischen der hübschen jungen Frau und dem ausgebrochenen Sträfling im Duett von Nick Cave und Kylie Minogue. Erst erklärt er sie zum Schönsten, was er jemals gesehen hat, dann macht er ihr Avancen und nennt sie seine Wilde Rose und schließlich zerschmettert er dem ahnungslosen Mädchen beim Rendezvous am Fluss den Schädel. Warum er das tut? Unklar.
"On the last Day I took her where the wild Roses grow/As she lay on the Bank, the Wind light as a Thief/As I kissed her goodbye, I said "All Beauty must die"/And lent down and planted a Rose between her Teeth."
Den nihilistischen Satz "Alle Schönheit muss sterben" hat der niederländische Zeichner Erik Kriek als Motiv nicht gelten lassen. In seiner Comic-Version dieses uralten Traditionals, das vermutlich von irischen Siedlern in den wilden Westen mitgebracht wurde, hat es der Mörder auf das Geld des Mädchens abgesehen.
Keine Opferrolle mehr für "Wilde Rose"
Doch das Blatt wendet sich: Die junge Schönheit ahnt, dass der Sträfling Böses im Schilde führt und hat deshalb gleich eine Waffe mit zum Rendezvous gebracht. Es kommt zum Show-Down, und am Ende ist der Schurke tot.
"They called me the Wild Rose, but my name was Elisa Day."
Erik Kriek hat das Mädchen für dieses Mal aus der Opfer-Rolle befreit und verzichtet sogar auf den für dieses Genre sonst obligatorischen Mord. Sonst geht es in seinen fünf Geschichten sehr klassisch zu. Genau wie bei ihrem deutsche Pendant , den "Moritaten", handeln diese ur-amerikanischen Bänkelgesänge von schaurigen Taten, die nie ungesühnt bleiben. Am Ende siegt das Gute eben doch, und dem Mörder winken stets der Galgen oder wenigstens eine lebenslange Gefängnisstrafe.
Krieks spärlich kolorierte Zeichnungen erinnern an expressionistische Scherenschnitte. Wir sehen düster zerfurchte Gesichter, brutale Haudegen vor dunklen Wäldern und einem bleiernen Himmel. Und wir lernen einen Wilden Westen kennen, dessen Bewohner ihre Träume längst begraben haben. Krieks Mordgeschichten sind durchzogen von dem, was amerikanische Geschichte eben auch ausmacht: Rassismus und Gewalt gegen Frauen, religiös motivierte Moral auf der einen und das archaische Gesetz des Stärkeren auf der anderen Seite. Genau diesen Zwiespalt transportieren die Zeichnungen mit dunkler Wucht.
Fest verankert im US-Liederkanon
Die fünf Murder Ballads, die Erik Kriek als Vorlagen dienten, gehören fest zum amerikanischen Liederkanon und wurden von Musikern wie Johnny Cash, Steve Earl und x anderen immer wieder interpretiert. Auch Kriek selbst hat gemeinsam mit der befreundeten Band Bluegrass Boogiemen die fünf ideengebenden Songs eingespielt – im typischen Americana-Gewand, mit Banjo und großen Anleihen an die amerikanische Folkmusik.
Im Falle dieses Songs reicht Krieks Version allerdings nicht ganz an das ästhetische Spannungspotenzials des Original-Duetts heran. Zu bemerkenswert war die Paarung des Independent-Rockers Nick Cave mit dem ehemaligen Soap-Sternchen Kylie Minogue. Er schrieb düster-existentialistische Kultmusik, sie war das Produkt der glatten Mainstream-Produzenten Stock Aitken Watermann, die in den 80er Jahren "Produkte" wie Rick Astley oder Samantha Fox hervorgebracht hatten. Nick Cave und Kylie Minogue verkörperten mit diesem Song die Schöne und das Biest und wurden damit selbst zur perfekten Besetzung für eine klassische Mörderballade.