Emojis sind ein kultureller Rückschritt
Der Schriftgestalter und Autor Erik Spiekermann ist bekennender Emoji-Hasser. Er hält die kleinen Grins-, Zwinker- oder Heul-Gesichter für einen Rückfall in "die Bronzezeit der Sprache": Statt Verbindlichkeit und Komplexität produzierten sie Oberflächlichkeit und Missverständnisse.
*Winke-winke* – *Grins* – *Küsschen* – die meisten Smartphone-Besitzer lieben Emojis und benutzen sie regelmäßig. Früher hießen sie schlicht Smileys, waren in ihren Ausdrucksmöglichkeiten sehr begrenzt und zierten zum Beispiel Anti-Atomkraft-Plaketten. Heute wird sogar die Bibel mit Emojis nacherzählt.
Erik Spiekermann schaudert's - er ist bekennender Emoji-Hasser und betrachtet deren Verwendung in SMS, WhatsApp-Nachrichten und Mails als "Überschreiten der Verdummungsgrenze nach unten". Spiekermann, Honorarprofessor an der Hochschule der Künste in Bremen, kritisiert:
"Man legt sich damit nicht fest. Und die Vorteile einer präzisen Sprachen sind damit komplett hin."
Denn Emojis würden Missverständnisse und Oberflächlichkeit produzieren, wo eigentlich konkrete Inhalte gefragt seien.
Es sei eine kulturelle Errungenschaft, ein Alphabet mit 26 Buchstaben geschaffen zu haben, mit dem sich hochkomplexe Inhalte ausdrücken ließen. Darum würden die Mitteleuropäer von Chinesen oder Japanern beneidet, deren Sprachen sich aus über 8000 Schriftzeichen zusammensetzten. Die Emojis seien vor diesem Hintergrund ein kultureller Rückschritt.
"Wir gehen damit zurück in die Bronzezeit, mehr oder weniger, wo man solche Emojis ja an die Höhlen gemalt hat: Also, Mann mit Speer erledigt Hirsch."
Hilfe im internationalen Sprachgewirr?
Es sei zwar etwas dran an dem Argument, dass die Emojis im internationalen Kontext hilfreich seien - wenn man nämlich, mangels einer gemeinsamen Sprache, auf Emojis als Verständigungshilfe zurückgreifen könne. Doch spätestens, wenn man auf kulturelle Unterschiede stoße, seien auch Emojis wenig hilfreich. So sei es in den USA zum Beispiel üblich, alles und jeden zu lieben. In Deutschland dagegen würde wohl kaum jemand einer lediglich sympathischen Person ein "Ich liebe dich"-Emoji schicken - es sei denn, es sei wirklich Liebe oder Verliebtheit im Spiel.
Spiekermann vergleicht die Nutzung oder Nicht-Nutzung von Emojis mit jemandem, der per SMS mitteilt "Ich will mich von dir trennen" - oder dies dann doch lieber im persönlichen Gespräch tut. Er prophezeit eine Spaltung wie bei der U- under der E-Musik: Demnach würden die - aus Spiekermanns Sicht unreifen und unverbindlichen - U-Schreiber reichlich Emojis benutzen, die E-Schreiber, als Verfasser seriöser Texte, dagegen nicht.