Psychedelika
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Kreativität im Rausch: Eine Reise durch die Kulturgeschichte
05:36 Minuten
Erika Dyck
Übersetzt von Wiebke Krabbe
Rausch. Eine Kulturgeschichte der PsychedelikaS. Haupt-Verlag, Bern 2024224 Seiten
36,00 Euro
In den 1960ern wurde LSD zum Symbol kreativer Bewusstseinserweiterung – von Huxley bis zu den Beatles. Erika Dycks Bildband untersucht, wie Psychedelika Kunst, Musik und die Hippiekultur prägten und beleuchtet ihre kulturellen Auswirkungen.
Schamanen, Hippies, Künstler, Psychologen und Chemiker haben das Potential psychoaktiver Substanzen immer wieder neu entdeckt. Zu allen Zeiten sind Menschen abgetaucht in bunte Phantasiewelten. Die Spuren der Psychedelika lassen sich überall in der Kultur nachweisen: In Bildern, Musik und Literatur.
Treibstoff für Kreative
Als Kulturhistorikerin interessiert sich Erika Dyck nicht für gesundheitliche oder gesellschaftliche Folgen des Drogenkonsums. Ihr geht es ausschließlich, um den Einfluss psychoaktiver Substanzen auf die Kultur. Sie bleibt sachlich und verlässt nie ihre Position als neutrale Beobachterin.
Verbreitete suchterzeugende Drogen wie Heroin, Kokain, Cannabis oder Alkohol lässt sie außen vor. Im Mittelpunkt ihres Bildbandes stehen Psychedelika, die Halluzinationen hervorrufen, wie Psilobin-Pilze, Peyote, Meskalin oder LSD.
Geister, Götter und Gelehrte
Seit Jahrtausenden nutzen Schamanen, Priester oder Heilerinnen pflanzliche Substanzen, um eine Verbindung zur Geisterwelt oder zu den Göttern herzustellen. Meist waren nur wenige auserwählt, um diesen Weg zu beschreiten. In Ägypten durfte nur der Pharao bestimmte Pilze zu sich nehmen. In der Wissenschaft beschäftigten sich zunächst nur wenige Ethnobotaniker mit den hochwirksamen Substanzen. Die Psychiatrie wurde erst aufmerksam, nachdem der Schweizer Chemiker Albert Hofmann 1938 das hoch wirksame LSD im Labor synthetisierte.
Eine Zeitlang erprobten seriöse Psychologen die Wirkung unterschiedlicher psychogener Substanzen, doch in klinischen Studien konnten die Psychedelika nicht überzeugen. Sie wirkten immer wieder anders, je nach Persönlichkeit der Probanden und den Umständen der Therapie.
Die wilden Sechziger
Immer wieder wurden Intellektuelle wie Aldous Huxley oder Timothy Leary auf die Wirkung der Psychedelika aufmerksam. Sie wollten ihr eigenes Bewusstsein erweitern und ihre Kreativität steigern. Zum popkulturellen Phänomen wurden LSD und co. jedoch erst Ende der 1960er Jahre.
Bands mit psychedelischer Musik wie Grateful Dead oder Jefferson Airplane füllten nicht nur in ihrer Heimat Kalifornien große Hallen. Auch Weltstars wie die Beatles oder die Rolling Stones suchten nach Bewusstseinserweiterung und durchlebten eine psychedelische Phase.
Keine Macht den Drogen
Das Buch von Erika Dyck zeigt eindeutig, wie Psychedelika und Hippiekultur zusammenhängen. Die besondere Kreativität der späten 1960er ist zwar nicht allein auf berauschende Substanzen zurückzuführen, aber LSD und Co. prägten viele kulturelle Erscheinungen und waren letztlich auch für den Niedergang der Blumenkinder verantwortlich.
Die Gegenbewegung wurde immer stärker, mit der Forderung: Keine Macht den Drogen. Erst nach der Jahrtausendwende begann eine vorsichtige Renaissance der Psychedelika in Kultur, Medizin und Wissenschaft.
Im Rausch der Bilder
Der Bildband liefert einen reichhaltigen Überblick von jahrtausendealten Ritualen bis zur modernen Pop-Kultur. Die Texte bleiben sachlich. Beeindruckend sind die hervorragend ausgewählten Bilder. Wie beim Schweizer Haupt-Verlag üblich, passen sie genau zu den Texten. Sie präsentieren die kulturelle Vielfalt und laden ein zum genaueren Hinschauen.
Wer sich auf Bilder und Bildunterschriften beschränkt, erhält im Schnelldurchgang die wichtigsten Hintergrundinformationen, die auch im Text vorkommen. Die letzten Jahrzehnte kommen leider etwas zu kurz. Die Techno-Zeit mit ihren synthetischen „Party-Drogen“ wie MDMA fehlt nahezu ganz.