Erinnerung an Anschlag auf "Charlie Hebdo"

Eine kurze Zeit "verlogener Solidarität"

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Weltweit wurde an die ermodeten Satiriker von "Charlie Hebdo" erinnert. In Rotterdam hält jemand einen Stift und ein Transparent in die Luft.
Nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" gab es weltweit eine Welle der Solidarität. © picture-alliance/Hollandse Hoogte/Jan de Groen
Tim Wolff im Gespräch mit Dieter Kassel |
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Fünf Jahre nach dem Terroranschlag auf die Pariser Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" blickt der ehemalige "Titanic"-Chefredakteur Tim Wolff kritisch zurück. Es habe nur eine kurze Zeit "verlogener Solidarität" mit Satirikern gegeben.
Der Anschlag auf die französische Satirezeitung "Charlie Hebdo" jährt sich heute zum fünften Mal. Das Blatt erscheint dazu in einer Sonderausgabe. Erstmals seit dem Attentat treten mehrere Redaktionsmitglieder am Abend live im französischen Fernsehen und im Radio auf.
Schwer bewaffnete Islamisten hatten am 7. Januar 2015 die Pariser Redaktionsräume von "Charlie Hebdo" gestürmt und zwölf Menschen getötet, darunter einige der bekanntesten Karikaturisten Frankreichs. Die Satirezeitung hatte zuvor immer wieder Drohungen wegen Karikaturen des Propheten Mohammed erhalten. Unter dem Schlagwort "Je suis Charlie" (Ich bin Charlie) ging nach dem Anschlag eine Welle der Solidarität um die Welt.
Die Zeitung "Charlie Hebdo" im Verkaufsständer 
Die Zeitung "Charlie Hebdo" erscheint heute in Paris in einer Sonderausgabe. © picture-alliance/Hollandse Hoogte/Harold Versteeg
Es habe damals in Deutschland für eine kurze Zeit eine "verlogene Solidarität" mit Satirikern und Komik gegeben, urteilt der Satiriker Tim Wolff, der 2015 Chefredakteur der Satirezeitschrift "Titanic" war und an dem Tag rund hundert Interviews zu dem Anschlag auf die Pariser Kollegen gab.
"Sie wurden so nach vorne geschoben: Ihr verteidigt jetzt die Freiheit und wenn es sein muss mit dem Tod", erinnert sich Wolff. "Wenn Leute sterben, dann ist das immer schön heroisch."
Das habe aber nur zwei, drei Wochen angehalten. Denn in Wahrheit gebe es bei Islamisten und anderen Leuten mit einer Weltanschauung eine Art gemeinschaftliche Ablehnung gegen das Komische und Despektierliche. "Deshalb ist es jetzt eigentlich 'business as usual' wieder."

Veränderung durch soziale Medien

Dass heutzutage "harmlose Oma-Liedchen" zu Massenprotesten führten, sei vermutlich eher den sozialen Medien und der Beschleunigung der Kommunikation zuzuschreiben, so der Satiriker. Bei der "Titanic" habe die Redaktion schon immer vergleichbare Erfahrungen gemacht.
"Das, was man heute Shitstorm nennt, hatte die Titanic vorher schon oft genug und sei es in Leserbriefform." Deshalb habe man sich in der Redaktion abtrainiert, darüber nachzudenken, wie Reaktionen auf eine Veröffentlichung ausfallen könnten. Es lasse sich nicht vorhersagen, was einen Skandal auslöse und wie der dann aussehe.
Nach der Anzeigenparodie "Ich war eine Dose" hätten beispielsweise überraschend die Weißblechunternehmen gegen die Zeitschrift geklagt. "Das ahnt man vorher nicht."
(gem)
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