Erinnerung an eine Revolution
Der Verlust des politischen Auftrags als sinnstiftendes Element: Das ist die Verbindung zwischen Énards Roman und Müllers Text. Der Regisseur Nuran David Calis verknüpft in seiner Inszenierung in Stuttgart beide Teile. Er halbiert Müllers Stück und umrahmt es mit Énards "Zone".
Eigentlich ist der Roman von Mathias Ènard nicht für die Bühne geeignet. Auf 600 Seiten ist der Leser mit einem inneren Monolog ohne Punkt und Komma konfrontiert, Assoziationen, Beichten, Berichten eines Mannes, der die vergangenen Jahrzehnte über an den verschiedenen Bürgerkriegsbrennpunkten als Vertreter verschiedener Geheimdienste aktiv war - und viel Schuld auf sich geladen hat.
Nuran David Calis hat sich als Einstiegsbrücke für den Theaterbesucher eine zusätzliche Handlung ausgedacht: Der junge Mann ist seiner Verbrechen angeklagt, sitzt vor Gericht, und so findet auf der Bühne erst einmal das statt, was man von Filmen her kennt, die von Gerichtsverhandlungen handeln. Das entspricht in keiner Weise Énards Buch - und ist anfangs entsprechend dröge.
Aber Calis beherrscht alle Mittel der Dramatisierung. Schriftzüge an der Wand, Videoeinblendungen, Livevideoaufnahmen des Bühnengeschehens entwickeln alsbald einen Sog, der der Romanvorlage durchaus entspricht. Sukzessive werden wir Zeugen der Erlebnisse - und der Erkenntnis, dass der Protagonist letztlich in einer langen Familientradition steht, in deren Verlauf alle Schuld auf sich geladen haben.
Das allein hätte als abendfüllendes Stück durchaus gereicht, Calis aber verband es mit Heiner Müllers Stück "Der Auftrag", einem typischen Müller-Text, in dem sich Zeitebenen - Französische Revolution, kafkaeske Gegenwart - mischen. Calis verknüpft beide Teile des Abends raffiniert, indem er Müllers Stück halbiert und mit den Teilen Énards "Zone" umrahmt.
Aber Müllers geschichtsphilosophische Thesen lassen sich nur vage mit den zum Teil sehr realistischen Szenen Énards verbinden. So wäre es sinnvoller gewesen, beide Stücke zu getrennten Theaterabenden zu verarbeiten, Stoff dafür hätten beide hinreichend gehabt.
Links bei dradio.de:
Spiel mit Brüchen
"Schattenkinder" von Nuran David Calis im Deutschen Theater Berlin
In die Welt gevögelt, ohne fliegen zu können
Nuran David Calis: "Der Mond ist unsere Sonne", S. Fischer, 2011
Parabel über die Abenteuerlust
Neues Stück "Frey!" von Jan Neumann in Stuttgart
Nuran David Calis hat sich als Einstiegsbrücke für den Theaterbesucher eine zusätzliche Handlung ausgedacht: Der junge Mann ist seiner Verbrechen angeklagt, sitzt vor Gericht, und so findet auf der Bühne erst einmal das statt, was man von Filmen her kennt, die von Gerichtsverhandlungen handeln. Das entspricht in keiner Weise Énards Buch - und ist anfangs entsprechend dröge.
Aber Calis beherrscht alle Mittel der Dramatisierung. Schriftzüge an der Wand, Videoeinblendungen, Livevideoaufnahmen des Bühnengeschehens entwickeln alsbald einen Sog, der der Romanvorlage durchaus entspricht. Sukzessive werden wir Zeugen der Erlebnisse - und der Erkenntnis, dass der Protagonist letztlich in einer langen Familientradition steht, in deren Verlauf alle Schuld auf sich geladen haben.
Das allein hätte als abendfüllendes Stück durchaus gereicht, Calis aber verband es mit Heiner Müllers Stück "Der Auftrag", einem typischen Müller-Text, in dem sich Zeitebenen - Französische Revolution, kafkaeske Gegenwart - mischen. Calis verknüpft beide Teile des Abends raffiniert, indem er Müllers Stück halbiert und mit den Teilen Énards "Zone" umrahmt.
Aber Müllers geschichtsphilosophische Thesen lassen sich nur vage mit den zum Teil sehr realistischen Szenen Énards verbinden. So wäre es sinnvoller gewesen, beide Stücke zu getrennten Theaterabenden zu verarbeiten, Stoff dafür hätten beide hinreichend gehabt.
Links bei dradio.de:
Spiel mit Brüchen
"Schattenkinder" von Nuran David Calis im Deutschen Theater Berlin
In die Welt gevögelt, ohne fliegen zu können
Nuran David Calis: "Der Mond ist unsere Sonne", S. Fischer, 2011
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Neues Stück "Frey!" von Jan Neumann in Stuttgart