Erinnerung an längst vergangene Zeiten
"Ist doch nicht so schlimm", sagt das Kind zum Vater, als er auf die Tischdecke kleckert. Der staunt und erinnert sich an eigene Kinderkaffeetafeln bei der Tante. So kommen mit dem eigenen Kind die Bilder aus längst vergangenen Zeiten zurück. David Wagner kehrt mit den Geschichten in die eigene Kindheit zurück.
"Ist doch nicht so schlimm, sagt das Kind" zum Vater, als er auf die Tischdecke kleckert. Der staunt und erinnert sich an eigene Kinderkaffeetafeln bei der Tante. Da gab es Frankfurter Kranz und die ewige Sorge, man könne auf die Tischdecke kleckern. Mit dem eigenen Kind kommen die Bilder aus längst vergangenen Zeiten zurück; aus dem Vater wird wieder ein Sohn, aus dem Erwachsenen ein Knabe. David Wagner erzählt vom Leben mit seiner Tochter und davon, wie sich erst durch ein eigenes Kind die Lebensgeschichte erfüllt.
Anfang der Dreißigerjahre schrieb Walter Benjamin "Berliner Kindheit um Neunzehnhundert" und widmete diesen Band seinem Sohn. Für den in Berlin lebenden (1971 geborenen) David Wagner steht dieses berühmte und berührende Erinnerungsbuch im Hintergrund seiner Skizzen und Betrachtungen, Beobachtungen und Gedanken.
Es ist jedoch - anders als bei Benjamin - nicht nur die eigene Kindheit, der melancholisch nachgespürt wird. Ein Vater beobachtet und bestaunt seine kleine Tochter, sieht und fühlt in ihr sich selber neu und kehrt durch sie zurück in die eigene Kinderzeit. Es geht um die Lust an den Buchstaben und an der Wiederholung, um Kinderbücher und Stofftiere, ums Sprechen lernen und Einschlafen, ums Wachsen und Staunen, - und um die alten Menschen, die in den jungen weiterleben und wiedererwachen, um Familien-Ähnlichkeiten, die über Generationen hinweg behauptet und manchmal sichtbar werden.
David Wagner hat ein im wahren Sinn des Wortes zauberhaftes Buch geschrieben über die Geheimnisse der Kindheit, über das Glück, ein Kind zu haben. Nicht die Schwierigkeiten, die Probleme stehen hier im Zentrum, es geht nicht um die mühsame Organisation der Betreuung oder fehlende Kindergartenplätze, stattdessen ist alles heiter, wenn die kleine Tochter nur da ist.
In ihr verborgen ist dem Vater und Autor der Stoff zum Träumen, zum Nachdenken und vor allem eben zum Erinnern. Mit ihr und durch sie kann er der Liebe zur eigenen, lange schon toten Mutter neu erleben, den alten Vater anders als behindert betrachten, – und immer wieder sieht er sich selber gleichsam als verdoppelte, als gewachsene Existenz: Nur als Vater kann man wirklich Sohn sein. Und wenn er seine Frau mit dem Kind sieht, erkennt er ein Strahlen, das vorher nicht da war. "Das alles gab es schon oft. Das ist doch schon so oft passiert. Über tausende Generationen hinweg. Immer wieder. Wir sind ja vielleicht doch nur dazu da, uns weiterzugeben."
Rezensiert von Manuela Reichart
David Wagner: Spricht das Kind
Literaturverlag Droschl, Graz-Wien, 2009,
144. Seiten, 18 Euro
Anfang der Dreißigerjahre schrieb Walter Benjamin "Berliner Kindheit um Neunzehnhundert" und widmete diesen Band seinem Sohn. Für den in Berlin lebenden (1971 geborenen) David Wagner steht dieses berühmte und berührende Erinnerungsbuch im Hintergrund seiner Skizzen und Betrachtungen, Beobachtungen und Gedanken.
Es ist jedoch - anders als bei Benjamin - nicht nur die eigene Kindheit, der melancholisch nachgespürt wird. Ein Vater beobachtet und bestaunt seine kleine Tochter, sieht und fühlt in ihr sich selber neu und kehrt durch sie zurück in die eigene Kinderzeit. Es geht um die Lust an den Buchstaben und an der Wiederholung, um Kinderbücher und Stofftiere, ums Sprechen lernen und Einschlafen, ums Wachsen und Staunen, - und um die alten Menschen, die in den jungen weiterleben und wiedererwachen, um Familien-Ähnlichkeiten, die über Generationen hinweg behauptet und manchmal sichtbar werden.
David Wagner hat ein im wahren Sinn des Wortes zauberhaftes Buch geschrieben über die Geheimnisse der Kindheit, über das Glück, ein Kind zu haben. Nicht die Schwierigkeiten, die Probleme stehen hier im Zentrum, es geht nicht um die mühsame Organisation der Betreuung oder fehlende Kindergartenplätze, stattdessen ist alles heiter, wenn die kleine Tochter nur da ist.
In ihr verborgen ist dem Vater und Autor der Stoff zum Träumen, zum Nachdenken und vor allem eben zum Erinnern. Mit ihr und durch sie kann er der Liebe zur eigenen, lange schon toten Mutter neu erleben, den alten Vater anders als behindert betrachten, – und immer wieder sieht er sich selber gleichsam als verdoppelte, als gewachsene Existenz: Nur als Vater kann man wirklich Sohn sein. Und wenn er seine Frau mit dem Kind sieht, erkennt er ein Strahlen, das vorher nicht da war. "Das alles gab es schon oft. Das ist doch schon so oft passiert. Über tausende Generationen hinweg. Immer wieder. Wir sind ja vielleicht doch nur dazu da, uns weiterzugeben."
Rezensiert von Manuela Reichart
David Wagner: Spricht das Kind
Literaturverlag Droschl, Graz-Wien, 2009,
144. Seiten, 18 Euro