Gottfried Weise: "Als Maradona 80.000 lockte. Die DDR-Klubs im Europapokal."
Verlag "Die Werkstatt", Göttingen
204 Seiten, 19,90 Euro
Die goldene Zeit der DDR-Klubs
Der 1. FC Magdeburg, Dynamo Dresden und Lok Leipzig waren einst große Namen auf der internationalen Fußball-Bühne. Heute spielen sie nur eine Nebenrolle - in der 3., 4. und 5. Liga. Das Buch "Als Maradona 80.000 lockte" blickt zurück.
Offiziell spricht man von 80.000, doch an diesem Abend sind mehr als 100.000 Zuschauer gekommen. Alle wollen ihn spielen sehen: Diego Maradona. Oktober 1988, Lok Leipzig im Europapokal gegen den SSC Neapel. Kommentator im DDR-Fernsehen: Gottfried Weise.
"Es war eine ganz bizarre Situation. Weltklassespieler wie Careca, wie Alemão, die wurden überhaupt nicht beachtet. Von keinem Journalisten, nur ein Rattenschwanz hinter Maradona her. Und insofern, es war ein 1:1- Spiel, 80.000, das gehört schon zu den Höhepunkten meiner Laufbahn."
Keine Lust auf ein verwanztes Hotelzimmer
Das Spiel liefert Weise den Titel zu seinem Buch. "Als Maradona 80.000 lockte" ist kein klassisches Nachschlagewerk für Statistikfreaks, eher ein persönlicher Rückblick. Auf Wismut Aue zum Beispiel, die erste DDR-Mannschaft im Europapokal. 1956 gewinnt das Team den Meistertitel, darf international aber nicht spielen. Die Funktionäre haben Angst, dass sich die Wismut-Elf blamiert. Es braucht ein Freundschaftsspiel gegen Kaiserslautern und ein Kompliment von Fritz Walter:
"Das [Spiel] kam erst dann, als Fritz Walter, der Kapitän der Weltmeistermannschaft von 54, nach einem riesigen Spiel in Leipzig, das Kaiserlautern gegen Aue mit 5:3 gewann, gesagt hatte: 'Also, Wismut Aue, das ist ja eine Mannschaft von internationalem Format.' Und das war der Türöffner für Wismut Aue aus dem Erzgebirge."
Gottfried Weise kommentiert fast 100 Europapokal-Partien. Jedem Oberliga-Club der international spielte, widmet der Autor ein eigens Kapitel. "Dynamo- ewige Liebschaft" ist das zu Dresden überschrieben. Vom Fußball der Schwarz-Gelben, das kann und will er im Buch nicht verbergen. Unvergessen, das erste deutsch-deutsche Duell (im Cup der Landesmeister) 1973; Bayern München gegen Dynamo Dresden. Vor dem Rückspiel kommt es zum Eklat: die Münchner weigern sich in Dresden zu übernachten. Offizielle Begründung: Der Höhenunterschied zwischen beiden Städten sei zu groß. Eine plumpe Lüge. Heute erklärt es der ehemalige Bayernspieler Paul Breitner so.
"Es war uns natürlich klar, auch über gewisse Vorgaben des zuständigen Ministeriums, die uns gesagt haben, Leute passt auf, ihr müsst euch über eines im Klaren sein: In dem Moment, wo ihr über die Grenze kommt, wird jedes Wort, wird jede Bewegung abgehört bzw. überwacht. Und da haben wir gesagt, das wollen wir nicht. Wir wollen uns nicht in einem verwanzten Hotelzimmer aufhalten, wir wollen uns nicht auf Schritt und Tritt durchleuchten lassen."
Ist der DDR-Fußball tot?
Nur knapp erreichen die Westdeutschen die nächste Runde. Uli Hoeneß macht im Rückspiel zwei Tore, Gegenspieler Eduard Geyer lässt er alt aussehen. Der eigentliche Abwehrrecke, Klaus Sammer, sitz nur auf der Bank. Hansi Kreische, 1973 DDR-Fußballer des Jahres, ist über die Aufstellung heute noch sauer.
"Bayern München hatte hier in Dresden Riesenschwein. Das war die Blödheit von dem damaligen Trainer. Den Geyer gegen den Hoeneß zu stellen, ein Unding. Der lange Sammer mit seiner Kopfballstärke, sitzt auf der Bank draußen. Das sind aber auch so persönliche Sachen gewesen. Sammer war auch einer, der auch eine eigene Meinung hatte. Der auch mal gesagt hat, ich sehe das so Trainer. Und das war verpönt."
"Als Maradona 80.000 lockte" ist auf den ersten Blick ein Wohlfühlbuch für Nostalgiker. Viele Fotos, persönliche Geschichten und Interviews mit großen Spielern wie Cruyff, Sparwasser und Beckenbauer. Für die Fans in der DDR sind Duelle gegen Liverpool, Madrid oder Turin wahre Festtage. Doch wer sein Team ins westliche Ausland begleiten darf, das bestimmt die Stasi. Auch davon erzählt Weise. Und von Volker Kluge, Journalist der Zeitung "Junge Welt". Als 1987 gleich drei Oberliga-Clubs in der ersten Runde scheitern, lässt er eine weiße Seite Drucken. Dazu die Überschrift: "Kommentar überflüssig".
"Kleine Wunder" sind es gewesen, erzählt Trainerlegende Hans Meyer im Buch, dass überhaupt drei DDR-Mannschaften ein Europapokal-Finale erreichten. Verstärkung aus dem Ausland zu holen, auch aus den so genannten Bruderländern, bleibt bis zum Schluss unmöglich. Selbst Vereinswechsel innerhalb der Liga werden von der SED meist verhindert.
Stellt sich am Schluss die Frage: Was ist geblieben vom DDR-Fußball, außer die Erinnerung? Für Jürgen Sparwasser ist die Antwort klar: "Der DDR-Fußball ist tot." Und was denkt Gottfried Weise?
"Ganz so recht hat er nicht, denn es geht weiter. Ein Mann wie Toni Kroos, ausgebildet in Greifswald, spielt jetzt bei Real Madrid. Also das ist eine Entwicklung wo man auch sagen kann, das ist noch im Bereich des DDR-Fußballs."