Marcel Ophüls: Meines Vaters Sohn
Propyläen, Berlin, 2015
320 S., 18,99 Euro
Unnachsichtig mit sich und anderen
Der Regisseur Marcel Ophüls hat in "Meines Vaters Sohn" Erinnerungen über sein Leben und sein Schaffen verfasst. Er sei kein Gentleman, ließ er schon vorab wissen. Und so rechnet er munter mit Kollegen und Wegbegleitern ab. Immerhin: Zu sich selbst ist er auch nicht netter.
Im Vorwort betont der Regisseur, der 1989 für seinen Dokumentarfilm über den Kriegsverbrecher Klaus Barbie ("Hotel Terminus") mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, er sei kein Menschenfreund und auch kein Gentleman, deswegen gäbe es in seinen Lebens- und Kinoerinnerungen jede Menge "persönliche Abrechnungen mit den Lebendigen und den Toten".
Wie ernst er es damit meint, das wird etwa der Berliner Produzentin Regina Ziegler nicht gefallen, von der er erzählt, sie habe ihm nicht nur den Final Cut an seinem Film über den Fall der Mauer verweigert, ihm keine Wiederholungshonorare überwiesen und nicht einmal die Reisekosten gezahlt zur Grimme-Preisverleihung. Seinen Kollegen Claude Lanzmann hält er für kleinlich und humorlos, Eric Rohmer für eine grauenhaften Regisseur, Jean Luc Godard dagegen, dessen Filme er nicht besonders schätzt, sei ein "großzügiger Kerl" mit Sinn für Humor.
Unnachsichtig, aber sympathisch erzählt
Man müsse sowieso vor allem was sich 'neu' nennt auf der Hut sein: "zum Beispiel vor der Nouvelle Vague, der Nouvelle Cuisine, der Art Nouveau usw." Anderseits erzählt er, wie der Altmeister René Clair ihm einmal versicherte, er nehme die Angriffe der jungen Nouvelle-Vague-Regisseure nicht übel: "In ihrem Alter hätte ich es ganz genauso gemacht."
Marcel Ophüls berichtet aber nicht nur von den schlechten Eigenschaften anderer, mit sich selber ist er ebenso wenig nachsichtig. Dass er etwa einen Film über Marlene Dietrich nicht gemacht (ein großer Fehler), dass er viele Aufträge allein des Geldes wegen angenommen (von irgendwas musste die Familie leben), dass er totkranke Freunde und Kollegen nicht besucht habe (unzuverlässiger Feigling). Das ist sympathisch.
Bisweilen etwas langatmig
Als Marcel Ophüls 1927 in Frankfurt geboren wurde, war sein Vater bereits ein erfolgreicher Theaterkünstler, dessen Filmkarriere Anfang der 1930er Jahre begann. Die Familie floh vor den Nazis erst nach Frankreich, dann nach Hollywood, wo Max Ophüls seine Karriere fortsetzte. Der Sohn erzählt vom Vater und dessen großen Filmen (wie er etwa 1933 für "Liebelei" die vorgesehenen Rollen für Luise Ulrich und Magda Schneider einfach umdrehte), seinen Vorlieben und (gewalttätigen) Ausbrüchen, vom (sprachlosen) Anfang in der Filmmetropole. Wer mehr über Ophüls Werk und Leben erfahren will, der sollte allerdings zu dessen Lebenserinnerungen greifen ("Spiel im Dasein. Eine Rückblende"), die gerade im Berliner Alexander Verlag neu herausgekommen sind.
Der Sohn berichtet pointenreich vor allem vom eigenen privaten und professionellen Leben. Da er diese Erinnerung gesprochen und nicht selber aufgeschrieben hat (vor zwei Jahren konnte man seine eindrucksvolle filmische Autobiographie sehen), sind sie allzu lax formuliert und bisweilen langatmig geworden, aber das sei einem Mann mit Ende Achtzig nachgesehen, der von sich kokettierend behauptet, er habe kein gutes Gedächtnis mehr. Allerdings möchte man eines nicht wissen, nämlich seine Auffassung von Prostitution. Entweder ist der Blick eines alten Mannes da allzu getrübt, oder aber er hängt einem alten männlichen Huren-Traum an, der mit der Wirklichkeit selten etwas zu tun hat.